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»Wie ich sehe, trägst du schwer«, sagte ich zu ihr.

Sie warf dem Spieler einen verächtlichen Blick zu. »Ja«, erwiderte sie. »Ich bin eine Sklavin.« Sie ging weiter zu dem Kochfeuer, an dem Rowena und Lady Yanina fleißig beschäftigt waren. Rowena hatte im Lager die Stellung des ersten Mädchens erhalten. Wir hatten Lady Yanina klargemacht, daß sie, obwohl sie eine freie Frau war, Rowena in allen Dingen gehorchen mußte. Die geringste Widerspenstigkeit Rowena gegenüber oder die Verweigerung eines Befehls hätte eine strenge Bestrafung zur Folge, eine Bestrafung, die so aussähe, als wäre sie selbst eine Sklavin.

»Vielen Dank für die Spiele«, sagte ich. Wir hatten an diesem Nachmittag fünf Partien gespielt. Allerdings hatten vier davon nur wenig Zeit in Anspruch genommen.

»Keine Ursache«, erwiderte er.

»Darf ich dich wirklich nicht dafür bezahlen?«

»Nein.«

»Aber du könntest die Münzen doch gebrauchen.«

»Wir gehören beide zur Truppe des Boots Tarskstück.«

»Das stimmt«, meinte ich lächelnd.

»Schauspieler, Theaterdirektor und Impresario«, fügte er hinzu.

»Genau.«

Boots und Lady Telitsia hatten das Lager fast erreicht. Zweifellos wäre sie froh, bald die schwere Last loszuwerden. Bina stand in der Nähe des Kochfeuers. Sie hatte Wasser für die Töpfe herangeschafft. Lady Yanina kniete unter Rowenas Aufsicht vor einem Kessel voller Wasser und wusch Gartengemüse, in der Hauptsache Zwiebeln, Steckrüben und Suls. Sie waren für einen Eintopf bestimmt.

»Du bist der beste Kaissa-Spieler, dem ich je gegenübergesessen habe«, sagte ich.

»Vermutlich bist du vorher noch nie gegen einen richtigen Spieler angetreten.«

»Ich habe sogar schon mit Mitgliedern der Spielerkaste gespielt.«

Er schwieg.

»Ich glaube, du könntest in denselben Turnieren wie Scormus aus Ar spielen.«

»Gelegentlich habe ich das auch schon getan«, antwortete er.

»Das habe ich mir bereits gedacht.«

»Du hast einen wendigen Verstand.«

»Vielleicht könntest du Scormus bei Gelegenheit sogar schlagen.«

»Das halte ich für wenig wahrscheinlich.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich eigentlich auch nicht.«

»Erwähne Scormus aus Ar nicht in meiner Gegenwart«, sagte er.

»Warum nicht?«

»Scormus aus Ar ist ein Verräter an seiner Stadt.«

»Wieso denn das?«

»Er hat Schande über seine Stadt gebracht und fiel in Ungnade.«

»Wann ist denn das geschehen?«

»Er hat in dem großen Turnier 10125 Contasta Ar gegen Centius aus Cos verloren.«

»Centius ist ein ausgezeichneter Spieler«, sagte ich. Das Turnier, von dem hier die Rede war, war zweifellos das Turnier auf dem Sardar-Jahrmarkt, das im En’kara jenes Jahres stattgefunden hatte. Es war jetzt fünf Jahre her, und ich hatte das Glück gehabt, das Spiel sehen zu können. Centius aus Cos, einer der besten, wenn nicht sogar der beste Spieler Gors, hatte in dieser Partie zum erstenmal die Verteidigung benutzt, die hinterher unter dem Namen Telnus-Verteidigung bekannt wurde. Telnus war Centius’ Heimatstadt und zugleich die Hauptstadt des Insel-Ubarats.

»Das macht keinen Unterschied«, sagte der Spieler.

»Ich denke eigentlich, daß es einen großen Unterschied macht«, sagte ich.

»Nein«, erwiderte er bitter. »Das tut es nicht.«

»Kennst du Scormus aus Ar?« fragte ich ihn.

»Nein«, sagte er wütend. »Ich kenne ihn nicht.«

»Das ist sicher die Wahrheit«, sagte ich. »Ich glaube nicht, daß du ihn kennst.«

»Und ich glaube nicht, daß wir noch einmal zusammen spielen sollten«, sagte er.

»Wie du willst.«

»Bist du noch immer da?« fragte Bina, die vom Kochfeuer kam. Sie trug einen Kessel voll Wasser, den Kessel, in dem Lady Yanina das Gemüse gewaschen hatte. Das Wasser war nun ziemlich verschmutzt, und in ihm schwammen zahllose Gemüseschalen. Vermutlich war Bina unterwegs, um den Kessel außerhalb des Lagers zu leeren.

»Offensichtlich«, sagte der Spieler und sah auf sie hinunter.

»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst verschwinden.«

»Das habe ich nicht getan.«

»Du achtest also einfach nicht darauf, was man dir sagt?«

»Ich bin ein freier Mann«, erwiderte er. »Es ist mein Recht, ungehorsam zu sein.«

»Nun, ich kann auch ungehorsam sein, wenn ich will«, sagte Bina.

»Eine ungehorsame Sklavin?« fragte ich.

»Ich spreche nicht mit dir«, sagte sie. Boots hatte mittlerweile das Lager erreicht. Ich war davon überzeugt, daß Bina dies nicht wußte. Boots, der in seinen Einkäufen herumgestöbert hatte, sah überrascht auf.

»Ich will dich nicht hier im Lager haben«, sagte Bina zu dem Spieler. »Ich habe dir gesagt, du sollst gehen. Deine Nähe macht uns krank! Du bist so häßlich! Keiner von uns will dich hier haben. Geh! Du ekelst uns alle an. Geh!«

»Du sprichst sehr mutig zu einem freien Mann«, sagte der Spieler. Auch er hatte nicht bemerkt, daß Boots wieder im Lager war. Ich sah ihn zwischen zwei Wagen stehen.

»Du bist ein Ungeheuer«, sagte Bina. »Verschwinde!«

»Du bist anmaßend«, meinte er.

»Ja, ich bin anmaßend«, sagte Bina.

»Ich rate dir nicht, auf diese Weise zu freien Männern zu sprechen«, meinte ich.

Einen Augenblick lang wurde sie bleich, aber als ich keine Anstalten machte, gegen ihr Benehmen einzuschreiten, wandte sie sich wieder trotzig dem Spieler zu. Boots beobachtete alles.

»Ja«, sagte Bina zu dem Spieler. »Ich bin anmaßend! Ich bin anmaßend zu dir! Und zwar ungestraft, denn du bist kein Mann! Du bist zu schwach, um mich zu bestrafen. Du bist nichts weiter als ein Tier, ein Ungeheuer, ein elendes, unterwürfiges, rückgratloses Ungeheuer! Du bist kein Mann! Du bist nur ein Ungeheuer, ein verachtenswerter Schwächling!«

Der Spieler sah sie nur an.

»Verschwinde!« schrie sie außer sich. »Verschwinde!«

»Bist du jetzt fertig?« fragte er.

»Dein Gewand ist staubig«, sagte sie. Das war natürlich der Staub, den sie früher am Nachmittag daraufgetreten hatte. »Ich bin eine Sklavin, laß es mich saubermachen!« Dann schleuderte sie ihm unvermittelt den Inhalt des Kessels entgegen und tränkte sein Gewand von der Brust abwärts.

»Auf die Knie, Sklavin!« brüllte Boots außer sich vor Zorn und trat von hinten an sie heran. »Den Kopf auf den Boden!«

Überrascht schrie Bina auf. Dann ließ sie auf der Stelle den Kessel fallen und nahm die befohlene Haltung ein. »Herr!« rief sie am ganzen Leib zitternd. »Ich wußte nicht, daß du zurück bist.«

»Offensichtlich«, sagte Boots.

»Vergib mir, Herr!« flehte sie. Mittlerweile hatten sich die anderen Mitglieder der Truppe und die Sklavinnen einschließlich Lady Yanina um uns herum versammelt. Lady Telitsia war leichenblaß. Sie hatte eine Hand an den Mund gelegt. Mittlerweile hatte sie gelernt, was es hieß, auf Gor den Kragen zu tragen, und sie fürchtete sich davor, was man mit der ungehorsamen Bina tun würde. Auch Rowena zitterte.

»Was geht hier vor?« fragte Boots.

»Ich schlage vor, du läßt die Sklavin erzählen«, sagte ich.

»Das Ungeheuer hat dich verspottet und vielfach beleidigt, Herr«, sagte Bina schnell. »Ich konnte es nicht länger ertragen! Und so riskierte ich mein Leben, um dem ein Ende zu machen, um deine Ehre zu verteidigen!«

»Ist das wahr?« fragte Boots den Spieler.

Wie durchtrieben dieses kleine Sleen-Weibchen doch war. Sie kannte die Strafe, die ihr möglicherweise für ihre Tat drohte. Jetzt verließ sie sich darauf, daß der Spieler ihre Geschichte bestätigte, um sie vor den schrecklichen Folgen zu bewahren, mit denen sie als hilflose Sklavin mit ziemlicher Sicherheit zu rechnen hatte.