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»Dreimal!« rief der Urtmann. »Dreimal! Weiterleben!«

Anscheinend hatte die Bestie die Grube nun bereits das dritte Mal überlebt.

»Wetten! Wetten! Wetten! Mich bezahlen!«

Jetzt näherten sich Soldaten mit angelegten Armbrüsten und Speeren der Bestie so vorsichtig wie möglich. Sie warfen Seile nach ihr und zogen die Schlingen zu. Das Ungeheuer schien sie kaum zu bemerken; es fraß einen der toten Sleen.

Nein, es war nicht sehr wahrscheinlich, daß Brundisium von den Kurii beherrscht wurde.

Ich blieb am Fenster stehen, bis die Bestie halb aus der Grube gezerrt und halb gestoßen wurde. Sie verließ sie knurrend, aber lammfromm. Sie zog noch immer ein Stück Sleen hinter sich her.

Das blutverschmierte Ungeheuer aus der Grube war ein Kur.

Ich fand dies natürlich ziemlich beunruhigend. Ein ganzes Bauwerk alles erklärender Hypothesen und wohlüberlegter Spekulationen war in sich zusammengestürzt. Nun sah es so aus, als hätten weder Priesterkönige noch Kurii etwas mit Brundisium zu tun. Aber warum war dann in Port Kar der Anschlag auf mich erfolgt und woher kam das offensichtliche Interesse, das einige maßgebliche Leute Brundisiums an meiner Person hatten? Wieso war ich wichtig für sie? Und was bedeuteten die Botschaften, die ich abgefangen hatte? So wie es aussah, waren sie für jemanden in Ar bestimmt gewesen. Ich verstand nichts mehr. Ich wußte nicht, was ich von alldem halten sollte. Eine Sache allerdings war klar. Ich steckte in Brundisium in einer Zelle, war der Macht meiner Häscher ausgeliefert.

Ich trat vom Fenster zurück und sprang zu Boden. Mein Mitgefangener folgte meinem Beispiel und zog sich auf sein Stroh zurück. Ich schob den Tisch zurück in die Mitte der Zelle, wo er wieder zwischen zwei Sitzbänken stand. In solch einer Zelle – sie war recht angenehm, was goreanische Zellen anging – dienen Tische und Bänke einem praktischen Zweck. Sie helfen, das Essen aus der Reichweite der Urts zu halten, und in der Nacht kann man darauf schlafen.

»An die Wand, auf die Knie!« erscholl eine Stimme.

Der Urtmann und ich gehorchten. Es war Essenszeit.

Am ersten Tag meiner Gefangenschaft hatte ich mich in Nähe des Gitters herumgetrieben, in der Hoffnung, den Gefangenenwärter überwältigen zu können. Das hatte dazu geführt, daß ich an diesem Tag nichts zu essen bekam. Am nächsten Tag gehorchte ich, denn ich wollte mein Essen haben. Am Abend des zweiten Tages meiner Gefangenschaft, des vierten Tages nach dem Überfall auf der Straße, war der Urtmann in meine Zelle gestoßen worden. Ich war nicht sonderlich über seine Gesellschaft erfreut gewesen, aber er kannte sich mit dem Gefängnisalltag aus.

Der Gefangenenwärter warf einen Blick in die Zelle. »Der Tisch ist bewegt worden«, sagte er. Vermutlich hatten ihm das die verwischten Abdrücke im Staub verraten. Ich hatte nicht gewußt, daß das verboten war. Denn in diesem Fall hätte ich den Urtmann an der Tür postiert, damit er mich beim Herannahen des Wärters hätte warnen und ich den Tisch sorgfältig an seinen Platz hätte stellen können. Ich hoffte, daß dieser neue Verstoß gegen die Regeln, falls es überhaupt ein Verstoß war, nicht mit Essensentzug bestraft wurde. Es war zwar nicht viel, aber ich wollte es haben.

Der Wärter stellte zwei Tabletts vor dem Gitter ab und schob sie mit dem Fuß durch die niedrige rechteckige Öffnung am Fuß der Zellentür. Er blieb stehen. Also durften wir uns dem Essen nicht nähern. »Bosk aus Port Kar«, sagte er und lachte. »Auf den Knien wartet er auf sein Essen!«

Ich würdigte ihn keiner Antwort. Ich wollte das Essen haben und war erleichtert, daß er das Tischeverrücken nicht beanstandet hatte. Da kam mir plötzlich der Gedanke, welch bemerkenswerte Tatsache es doch überhaupt war, daß ein Tisch in der Zelle stand. Normalerweise behandelten goreanische Gefängnisaufseher ihre Schützlinge nicht so fürsorglich. Warum hatte man uns nicht an die Wand gekettet und uns gezwungen, mit Insekten und Ungeziefer um unser Essen zu kämpfen? Auf Gor verhätschelte man seine Gefangenen nicht. Ich fragte mich, ob der Tisch für einen bestimmten Zweck in der Zelle stand, vielleicht hatte ich sehen sollen, was draußen auf dem Hof geschah.

Der Wärter ging.

Der Urtmann sah mich verstohlen und ängstlich an.

Ich stand auf und holte mir mein Tablett. Ich stellte es auf den Tisch und setzte mich auf eine Bank.

Der Urtmann eilte zu seinem Essen und zog das Tablett schnell zu seinem Strohhaufen; es knirschte, als Metall über Stein schabte. Er stopfte das Essen schnell in sich hinein, wobei er mich keinen Augenblick lang aus den Augen ließ. Vermutlich hatte er Angst, ich könnte ihm etwas wegnehmen. Was mir auch nicht schwergefallen wäre, hätte ich es gewollt.

Draußen in dem Korridor ertönte ein tiefes Knurren, dem das Schaben von Krallen auf dem Steinboden folgte. Ich hörte außerdem mehrere Männer und Waffengeklirr. Einen Augenblick später führte man den Kur aus der Grube vorbei, stieß ihn in eine freie Zelle und befreite ihn dabei von seinen Seilen; die Kette um den Hals behielt er allerdings. Von dem Stück Sleen war nichts mehr zu sehen, entweder hatte er es aufgefressen, oder man hatte es ihm abgenommen. Er war langsam an uns vorbeigegangen, langsam und steif, als leide er große Schmerzen. Jetzt, da er nicht länger um sein Leben kämpfen mußte, erschien er erschöpft und schwach. Große Teile seines Fells waren mit getrocknetem Blut verklebt. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er einen weiteren Kampf in der Grube überstehen würde. Als er an unserer Zelle vorbeigegangen war, hatten sich unsere Blicke gekreuzt. In seinen Augen funkelte unheilvoller Haß; ich war schließlich ein Mensch.

Ich blickte zu dem Urtmann hinüber. Er eilte flink auf seinen Strohhaufen zurück, ging in die Hocke und sah mich an. Er hatte es fast bis zum Tisch geschafft. Sein Tablett war leer, und so lag die Annahme nicht fern, daß er geplant oder zumindest gehofft hatte, etwas von meinem Essen zu stehlen, solange ich von dem Kur auf dem Korridor abgelenkt wurde. Ich lächelte. Der kleine Mann kannte sich in der Tat mit dem Ablauf und den Gelegenheiten des Gefängnislebens aus.

Er wandte den Blick ab und gab vor, im Stroh nach Läusen zu suchen.

Er war ein Urtmensch. Er hatte ein langes schmales Gesicht mit ziemlich großen eiförmigen Augen. Schultern und Brust waren ebenfalls auffallend schmal, die Arme waren lang und dünn, die Beine kurz und spindeldürr. Für gewöhnlich bewegte er sich schnell und vornübergebeugt vorwärts, wobei die Fingerknöchel oft den Boden berührten und er ständig mit dem Kopf hin- und herschaukelte. Diese niedrige Gangart bewirkt, daß die Urtmenschen nicht in der großen Urtherde auffallen, in deren Mitte sie sich meistens bewegen. Manchmal ziehen solche Rudel durch besiedelte Gebiete, und niemand bemerkt, daß an ihrer Seite Urtmenschen reisen. Die Rudel bieten ihnen Deckung und Schutz. Aus irgendeinem Grund, der mir entfallen war, griffen die Urts sie nur selten an. Manchmal richten sich die Urtmenschen unerwartet zu ihrer vollen Größe auf, sehen sich um und gehen dann noch gebückter weiter. Sie können sich außerordentlich leise bewegen, um dann ganz plötzlich in einen schnellen Lauf zu verfallen.

Ich machte ein leises klickendes Geräusch, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sofort ruckte sein Kopf herum.

Ich winkte ihm zu, näher zu kommen.

Plötzlich richtete er sich zu seiner vollen Größe auf.

»Komm her!« sagte ich und unterstrich meine Worte mit einer Geste.

Aufgerichtet war der Urtmann etwa einen Meter zehn groß.

»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte ich und nahm ein Stück harte Larma vom Teller. Das ist eine feste apfelähnliche Frucht, die sich stark von der in Abschnitte geteilten saftigen Larma unterscheidet. Manchmal wird sie – vielleicht sogar passenderweise – auch Kernlarma genannt, wegen des großen Kerns. Ich hielt sie in die Höhe, damit er sie sehen konnte. Soviel ich wußte, waren Urtmenschen ganz versessen auf diese Frucht. Übrigens war eine Larma daran schuld, daß man meinen Mitgefangenen eingesperrt hatte. Er war beim Stehlen im staatlichen Obstgarten erwischt worden, und man hatte ihn mit einem Netz eingefangen, ihn in einen Sack gesteckt und ins Gefängnis geworfen. Das war vor sechs Monaten gewesen, wie mir der Wärter erzählt hatte, als er den Urtmann in meine Zelle gestoßen hatte.