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»Danke«, sagte Petrucchio.

»Keine Ursache!« sagten Chino und Lecchio wie aus einem Munde.

»Und jetzt, ihr feigen Sleen«, rief Petrucchio und fuchtelte mit der riesigen Klinge herum, »verschwindet!«

»Gut«, sagte Chino. »Kommt, Mädchen.«

»Halt!« rief Petrucchio.

»Ja?«

»Übergebt mir diese armen, zu Unrecht beschuldigten Frauen!«

»Was?«

»Das sind keine Sklavinnen. Das sind freie Frauen! Übergebt sie mir«, verlangte Petrucchio erbarmungslos und stützte die Schwertspitze auf den Bühnenboden. Mit der anderen Hand zwirbelte er den Schnurrbart. »Wenn ihr sie sofort freigebt, ohne Kampf, werde ich vielleicht euer wertloses Leben verschonen.«

»Das hört sich gut an«, sagte Lecchio.

»Wir überließen sie dir nur zu gern«, sagte Chino und beachtete seinen Kameraden nicht.

»Gut«, meinte Petrucchio und nahm das Schwert in die linke Hand, um den Schnurrbart jetzt mit der rechten zu zwirbeln.

»Unglücklicherweise zwingt uns der Kodex unserer Kaste dazu, sie nicht ohne Kampf herauszugeben.«

»Was?« fragte Petrucchio und erbleichte.

»Es tut mir sehr leid«, sagte Chino. »Aber der Kodex der Schneidergesellen ist in diesem Punkt sehr streng.«

»Ach ja?« meinte Petrucchio mit bebender Stimme.

»Ja. Nun, laß uns anfangen. Ein Duell bis zum Tod.«

»Bis zum… Tod?« fragte Petrucchio entsetzt.

»Ja, ich fürchte schon. Nur einer von uns darf das Feld der Ehre lebend verlassen.«

»Nur einer?«

»Genau.«

»Das sind nicht viele.«

»Das mag schon sein«, räumte Chino ein.

»Aber du hast keine Waffen!«

»Da befindest du dich im Irrtum«, sagte Chino und zog eine lange Schneiderschere aus dem Rucksack.

»Was ist das?« fragte Petrucchio entsetzt.

»Schreckliche Werkzeuge der Zerstörung«, sagte Chino. »Die gefürchteten Zwillingsklingen von Anango. Mit ihnen habe ich noch kein Duell bis zum Tod verloren.« Er ließ die Schere zweimal zuschnappen. »Natürlich könnte es immer das erste Mal sein. In solchen Angelegenheiten gibt es ja selten ein zweites Mal«, fügte er schwermütig hinzu.

»Die Sonne funkelt schaurig auf den blitzblanken Klingen!«

»Ich werde mich nach allen Kräften bemühen, dich nicht mit der Sonne zu blenden und auf diese Weise hilflos zu machen!« versprach Chino.

»Ist das eine brauchbare Waffe?« fragte Petrucchio und erschauderte sichtlich.

»Gegen einen Krieger wie dich kann sie zweifellos nichts ausrichten«, meinte Chino nachdenklich. »Aber gegen geringere Kämpfer, Generäle, Kapitäne, Kriegshäuptlinge und Fechtlehrer hat sie sich als eine mehr als brauchbare Waffe erwiesen. Laß es mich so ausdrücken: Zu ihrer Zeit hat sie die Gewänder Hunderter von Kriegern zerteilt.«

»Vielleicht haben die Frauen ja doch gelogen«, meinte Petrucchio plötzlich.

»Was!« schrie Rowena.

»Still!« donnerte Petrucchio. Rowena und die beiden anderen Frauen duckten sich. Er wandte sich wieder an Chino. »Vielleicht wäre es eine rohe Tat, dich hier auf der Straße zu töten, nachdem wir doch in so kurzer Zeit Freunde geworden sind!«

»Also ganz ehrlich, das finde ich auch«, meinte Chino.

»Ich schenke euch das Leben«, verkündete Petrucchio großzügig.

»Ich danke dir vielmals«, sagte Chino herzlich.

»Das ist eine Erleichterung«, sagte Lecchio. »Ich stand schon im Begriff, Chino ein Tarskstück zurückzugeben, das ich mir voriges Jahr geliehen hatte. Jetzt hat das keine Eile mehr.«

»Außerdem könnt ihr die Frauen nach Pseudopolis zurückbringen und die Belohnung behalten.«

»Das ist ein Akt wahrer Größe!« rief Chino überwältigt.

»Das ist doch gar nichts«, winkte Petrucchio ab, als wäre die erstaunliche Großmut einer solchen Geste tatsächlich nicht der Rede wert.

»Ich kann deine Großzügigkeit nicht hoch genug preisen«, sagte Chino.

»Es ist wirklich nicht der Rede wert, mein Freund«, sagte Petrucchio bescheiden.

»Sicherlich wird der Ruhm einer solchen Tat noch lange in den Liedern Petrucchios, des Kapitäns aus Turia, besungen werden.«

»Hast du solche Lieder irgendwo gehört?« fragte Petrucchio begierig.

»In Hunderten von Sälen, an tausend Lagerfeuern.«

»Tatsächlich?«

»Du kennst sie doch sicher, oder etwa nicht?«

»Nun, einige schon.«

»Deine Bescheidenheit und die knappe uns noch verbleibende Zeit verbieten es mir, sie dir vorzutragen.«

»Das verstehe ich«, sagte Petrucchio.

»Wir wünschen dir alles Gute, edler Kapitän«, sagte Chino und schüttelte Petrucchio herzlich die Hand. »Ich glaube nicht, daß wir die Begegnung mit dem großen Kapitän Petrucchio so schnell vergessen werden.«

»Bestimmt nicht«, sagte Lecchio.

»Das tun die wenigsten«, sagte Petrucchio bescheiden.

»Vielen Dank!«

»Das ist doch nicht der Rede wert«, sagte Petrucchio erneut, als wäre die Überlassung einer so hohen Belohnung etwas Alltägliches.

Chino und Lecchio gingen zu den niedergeschlagenen Frauen und führten sie von der Bühne.

»Ich wünsche euch alles Gute!« rief Petrucchio ihnen herzlich hinterher. Dann wandte er sich dem Publikum zu und zwirbelte sich den Schnurrbart.

»Und so endet ein weiteres der Abenteuer von Kapitän Petrucchio aus Turia«, sagte er. »Das war die Geschichte, wie Petrucchio die Verkleidungen dreier entflohener, diebischer Sklavinnen durchschaute, sie gefangennahm und sie zurück an den Ort ihrer Schandtat schickte, sie großzügig zwei Wanderern überließ und auf jede Belohnung verzichtete.«

Dann blickte er zum imaginären Horizont.

»Oh! Oh!« rief er. »Sind das Staubwolken am Horizont? Oder ist es nur meine Einbildung? Es könnte eine Schar Verr sein, die auf den Feldern umherstreifen. Vielleicht ist es auch nichts. Aber es könnten ebensogut die Männer aus den kriegerischen Dörfern sein, von denen die Wanderer erzählt haben, die Hügel und Felder nach harmlosen Turianern absuchen. Vielleicht sollte ich ihnen eine Lektion erteilen. Andererseits, vielleicht ist es ja tatsächlich nur meine Einbildung. In welche Richtung soll ich nur gehen? Ich werde mein Schwert entscheiden lassen!« Er schloß die Augen und fuchtelte mit dem Schwert herum. »Also gut, Schwert«, sagte er dann. »Du hast die Entscheidung herbeigeführt. Auch wenn ich zögere, muß ich mich daran halten. In dieser Richtung werden wir neue Abenteuer suchen: Länder, die verwüstet, Heere, die besiegt, Städte, die unterworfen und freie Frauen, die auf gefährlichen Straßen beschützt werden wollen.« Er ging in der Richtung, die das Schwert gezeigt hatte, von der Bühne ab. Es handelte sich natürlich genau um die entgegengesetzte Richtung, in der er eben noch Staubwolken am Horizont entdeckt zu haben glaubte.

Im nächsten Augenblick betraten alle Schauspieler unter lautstarkem Beifall wieder die Bühne. Rowena, Lady Telitsia und Bina hatten die Gewänder der Verhüllung abgelegt und waren nackt.

Boots Tarskstück sprang ebenfalls auf die Bühne, verbeugte sich vor dem Publikum und präsentierte mit stolzen Gesten seine Schauspieler. Petrucchio trat vor und erhielt den größten Anteil des Applauses.

»Danke, großzügige Leute, edle Herren und stolze Bürger Brundisiums, Gaste und Freunde Brundisiums!« rief Boots. Keine Kupferschüsseln wurden herumgereicht. Keine Münzen landeten auf der Bühne. Belnar, der Ubar von Brundisium, hatte der Truppe vorher einen goldgefüllten Geldbeutel zukommen lassen. Als Belohnung für ihre Rolle bei meiner Gefangennahme hatte Lady Yanina wie von Boots erhofft dafür gesorgt, daß sie beim Bankett auftreten durften. Boots hatte bei seiner Rede ja von einem Bankett mit bester Unterhaltung gesprochen. Natürlich hatte er dabei an sich und seine Truppe gedacht. »Danke! Danke!« rief Boots jetzt und warf den Zuschauern Kußhände zu, und zwar auf goreanische Weise, bei der sie dem Publikum von der Seite aus mit offenen Händen zugeschoben werden.

Ich sah zu Belnars Tisch. Links von ihm saß Flaminius, der keinen Applaus spendete. Anscheinend gefiel ihm der Verlauf des Abends nicht. Ein wenig von ihm entfernt saß Temenides, ein Mitglied der Spielerkaste aus Cos. Rechts neben Belnar war ein freier Platz. Da dieser Abend ein großer Triumph für Lady Yanina sein sollte, an dem ihr Sieg über Bosk und die Erneuerung ihrer Privilegien gefeiert werden sollten, war dieser Platz vermutlich für sie freigehalten worden.