Der Spieler verschränkte die Arme vor der Brust und sah Temenides an.
»Ubar!« protestierte Temenides. »Bedenkt meine Ehre! Ich spiele mit den Großmeistern von Cos. Das da ist ein Betrüger, ein Karnevalspieler, der nicht einmal der Spielerkaste angehört!«
Belnar zuckte mit den Schultern.
»Glaub bloß nicht, daß ich meine Kaste entehre, indem ich mich so weit erniedrige und diesem hochmütigen Krüppel eine Lektion erteile. Da wäre es ja noch ehrenvoller, wenn du deinen besten Schwertkämpfer gegen einen dummen Bauerntölpel mit einem Löffel in der Hand antreten ließest.«
»Hätte der Hof an einem solchen Wettkampf sein Vergnügen?« fragte Belnar.
Mehrere Männer schlugen sich zustimmend auf die Schultern. Andere verlangten lautstark ein Spiel. Ich gewann den Eindruck, daß einigen der Anwesenden Temenides’ Unbehagen, gegen einen solch wertlosen und lächerlichen Gegner antreten zu müssen, durchaus nicht ungelegen kam. Man sah es als Witz, vielleicht als groben Streich, aber sicherlich ein typisch goreanischer Streich.
»Ubar«, sagte Temenides, »verlang dieses Spiel nicht. Ich habe keine Lust, diese verunstaltete Mißgeburt noch mehr zu demütigen, als ich es bereits getan habe. Befiehl, daß man mir die Frau bringt.«
Bina warf sich vor dem Spieler voller Angst auf den
Bauch. Dann hob sie den Kopf und sah ihn mitleidsvoll
an. »Geh in diesem Saal dieses Risiko nicht ein, Herr«,
schluchzte sie. »Erlaube mir, ihm zu dienen.«
»Nein!«
»Es hat den Anschein, daß der Spieler nicht bereit ist,
dir die Sklavin zu überlassen«, sagte Belnar vergnügt
zu Temenides.
»Zwing uns kein Spiel auf, Ubar«, erwiderte Te menides. »Ich denke nicht daran, mit so einem Kerl zu
spielen, mit einer solch niederen Kreatur. Ich spiele nicht
gegen jemanden, der allen Berichten zufolge nichts weiter als ein schrecklich entstelltes Ungeheuer ist.«
»Spiel«, sagte Belnar.
»Mich zu einer solch ehrlosen Tat zu zwingen,
könnte beim Hohen Rat von Cos als Beleidigung des
Staates aufgefaßt werden.«
Diese Bemerkung überraschte mich. Wie sollte eine solch banale Sache wie ein Scherz in Brundisium, bei dem es lediglich um ein Mitglied der Spielerkaste ging, diplomatische Beziehungen betreffen?
»Also gut«, sagte Belnar liebenswürdig, »Aber dann verzichtest du auf die Frau.«
Temenides ballte die Fäuste. Er starrte Bina wütend an.
»Spiel, spiel!« rief mehr als nur ein Höfling.
Temenides sah sich wütend um. Dann richtete er den Blick auf den Spieler.
»Vielleicht fürchtet sich der große Temenides, der Großmeister aus Cos, vor einem freundschaftlichen Spiel bei einem Bankett, wenn der Gegner ein Betrüger, ein Ungeheuer ist«, meinte der Spieler.
Ein paar Männer lachten. Temenides lief im Gesicht rot an.
»Habe ich recht?« fragte der Spieler.
»Ich spiele nicht mit Bauerntrampeln!«
»Ich andererseits habe nichts dagegen«, erwiderte der Spieler.
Diese Bemerkung rief schallendes Gelächter hervor. Selbst Belnar kicherte. Temenides’ Gesicht verfärbte sich noch mehr, und er ballte wild die Fäuste. Seine Stimmung schlug ins Bösartige um.
Bina zitterte am ganzen Leib.
Temenides stand langsam auf. In der Bewegung lagen einstudierte Entschlossenheit und Drohung. »Also gut«, sagte er. »Ich werde gegen dich spielen, aber nur eine Partie, und die auch nur unter der Bedingung, daß es das Spiel auch wert ist.«
In den Saal kehrte plötzlich Schweigen ein. Temenides harte leise und deutlich gesprochen, mit einer großen Kälte. Seine Wut war jetzt wie die Bewegung einer großen Bestie, die unter dem zugefrorenen Meer lauerte, deren Umrisse nur angedeutet waren, aber in der Tiefe lauernde Macht und Wut erkennen ließen. »Wir werden spielen«, sagte er. »Um den Besitz der Frau. Aber nicht nur darum. Das Leben des Verlierers soll dem Gewinner gehören, der damit verfahren kann, wie es ihm gefällt.«
Ein paar der Höflinge stöhnten auf. »Aber er ist ein freier Mann«, protestierte jemand lautstark. Es ist eine Sache, um eine Frau zu spielen, das ist für Goreaner etwas Alltägliches, aber es ist etwas völlig anderes, das Leben eines freien Mannes zum Einsatz zu machen.
Temenides achtete nicht auf den Protest.
»Und falls du gewinnen solltest«, fragte der Spieler, »welches Vergnügen erwartet mich dann als Verlierer?«
»Du wirst bei lebendigem Leib in kochendes Tharlarionöl geworfen«, sagte Temenides.
»Ich verstehe«, sagte der Spieler. Bina stöhnte auf.
»Es wird kein Spiel geben«, sagte ein Mann am Tisch des Ubars überzeugt.
»Nun, Bursche, was ist?« fragte Temenides.
»Einverstanden«, sagte der Spieler.
Einige der Anwesenden stöhnten entsetzt auf, freie Männer wie auch nackte Sklaven. »Nein, nein, Herr, bitte!« rief Bina.
»Sei still«, befahl der Spieler.
»Ja, Herr«, schluchzte sie.
»Bindet die Frau«, sagte Belnar. »Dann bringt Spielbrett und Figuren.«
Bina wurde ergriffen und zur Seite geführt. Man brachte einen Tisch und stellte ihn auf. Bina wurde in seiner unmittelbaren Nähe an einen Ring im Boden gekettet.
Der Spieler und Temenides aus Cos traten an den Tisch. »Wenn du willst, kannst du die Frau aufgeben und dich zurückziehen«, bot Temenides an.
»Temenides ist großzügig«, erwiderte der Spieler.
Temenides nickte kühl. »Macht die Frau frei und bringt sie an meinen Tisch.«
»Nein«, sagte der Spieler.
»Nein?« fragte Temenides überrascht.
»Stell die Spielsteine auf«, sagte der Spieler.
»Du bist ein Narr«, sagte Temenides. »Du wirst teuer für deine Dummheit bezahlen.«
Bis auf die Heimsteine wurden die Spielsteine aufgestellt. Sie waren groß und bestanden aus beschwertem bemalten Holz. Die beiden Heimsteine dürfen nicht vor dem zweiten und nicht später als beim zehnten Zug gesetzt werden.
»Wer macht den ersten Zug?« fragte der Spieler.
»Du darfst den ersten Zug machen«, sagte Temenides.
»Nein«, sagte Belnar, Ubar von Brundisium.
»Was denn, Ubar?« fuhr Temenides auf. »Laß den Narr doch anfangen, dann hält er vielleicht zwei oder drei Züge länger durch.«
»Der Mann aus Cos ist unser Gast«, sagte Belnar. »Er wird anfangen.«
»Man könnte Speerträger wählen«, schlug ein Gast vor.
»Ja«, sagte ein anderer.
Es gibt viele Verfahrensweisen, Gelb und damit den Eröffnungszug auszulosen. Sind die Spielsteine klein genug, hält man den roten Speerträger in der einen und den gelben in der anderen Hand. Der andere Spieler muß dann eine Hand auswählen. Wählt er den gelben Speerträger, hat er den ersten Zug. Wählt er den roten Speerträger, hat sein Gegner den ersten Zug. Oft wird auch so verfahren, daß man die beiden Spielsteine hinter einem Tuch oder einem Brett aufstellt oder sie in undurchsichtige Tücher einwickelt und dann rät.
»Ich werde die Spielsteine verbergen«, bot sich Boots Tarskstück an.
»Nein«, sagte der Spieler.
»Ich werde sie nehmen«, sagte Belnar.
»Ubar«, willigte Temenides ein.
Belnar, der keinen Widerspruch duldete, nahm zwei gelbe Speerträger. Einige der Gäste stöhnten auf. Bina stieß ein leises Wimmern aus. Selbst sie wußte genug über das Spiel, um zu begreifen, daß man ihrem Herrn kategorisch das Privileg des ersten Zuges verweigerte, der den Verlauf des ganzen Spiels bestimmt.
»Wähle«, wandte sich Belnar an Temenides. Der Mann aus Cos zuckte mit den Schultern. »Wähle«, sagte Belnar. Temenides zeigte ärgerlich auf Belnars rechte Hand.
Belnar hob grinsend den gelben Speerträger in die Höhe und zeigte ihn den Zuschauern, Dann stellte er die Spielsteine ab.
»Du hast den ersten Zug gewonnen«, bemerkte der Spieler. »Gratulation.«
»Ich war bereit, dir gegenüber Gnade walten zu lassen, und sei es auch nur darum, meine Ehre zu beschützen«, sagte Temenides. »Aber jetzt werde ich dich vernichten, schnell und grausam.«
»Ich dagegen werde mir mit dir Zeit lassen«, erwiderte der Spieler.