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»Herr!« lachte das Mädchen, das anscheinend eine nackte und mit einem Kragen versehene Sklavin war, legte die Arme um meinen Hals und drückte die heißen und süßen Lippen auf meinen Mund.

»Oh!« rief sie aus, als ich über ihre Oberschenkel strich. Sie war tatsächlich eine Sklavin. Das Brandmal befand sich hoch oben auf ihrem linken Oberschenkel, direkt unter der Hüfte. Manchmal verkleiden sich im Karneval freie Frauen als Sklavin und laufen nackt durch die Straßen.

Ich ließ die Hände besitzergreifend über ihren Körper wandern, packte sie unter den Armen, hob sie hoch und drückte sie leicht an mich. Dann erwiderte ich den Kuß. »Herr!« schnurrte sie begeistert. Ich stellte sie wieder ab, drehte sie um und schickte sie mit einem leichten Klaps auf das Hinterteil ihrer Wege. Sie verschwand lachend in der Menge.

»Paga, Freund?« fragte ein Seemann.

Ich nahm einen Schluck Paga aus seinem Bota, er trank einen aus meinem.

Dann trat ich zur Seite und wäre beinahe von einer riesigen Gestalt auf Stelzen über den Haufen gerannt worden.

Ein Bursche neben mir blies mit aller Kraft in sein Horn, und ich zuckte zusammen.

Auf dem größten Platz Port Kars vor der Halle des Kapitänrates hielten sich bestimmt an die fünfzehntausend Menschen auf. Überall standen Buden, Plattformen und Bühnen, die aus buntem Segeltuch und auffallend beschnitztem Holz errichtet, mit flatternden Flaggen und Schildern geschmückt waren und vom Fackel- und Lampenschein erleuchtet wurden. Um sie herum und zwischen ihnen drängten sich wahre Menschenmassen. In der Platzmitte wurden tausend Dinge zum Verkauf angeboten, warteten schier Hunderte von Schauspielbühnen auf Zuschauer. Schwitzende Männer mit nacktem Oberkörper hielten Stäbe mit ölgetränkter brennender Wolle und schienen die Flammen zu schlucken. Jongleure zeigten beeindruckende Kunststücke mit Ringen, Bällen und Stöcken. Spaßmacher liefen umher; Akrobaten wirbelten durch die Menge, vollführten hohe Sprünge und kletterten aufeinander, bis sie – von Gors Gravitation unterstützt – zehn Meter über den Zuschauern schwankten. Ein Mann stand auf einem zwischen zwei Pfosten gespannten Tarndraht und schlug dort Purzelbäume. Ein anderer Gaukler führte einen tanzenden Sleen vor.

Die hübsche Assistentin eines Zauberers, die das Gewand einer freien Frau trug – allerdings ohne Kapuze und Schleier, was die Vermutung nahelegte, daß sie eine Sklavin war –, legte ihren Herrn in Ketten. Dann half sie ihm, in einen Sack zu klettern, der sich wiederum in einer Truhe befand. Als er sich in der Truhe ausstreckte, band sie ihm den Sack über dem Kopf zu. Dann klappte sie die Truhe zu und schob mit großartigen Gesten alle Riegel vor. Zur Krönung warf sie drei Ketten über die Truhe und verschloß sie mit Vorhängeschlössern. Ein Mann aus dem Publikum wurde auf die Bühne gebeten, um die Schlösser zu überprüfen. Er rüttelte daran und versicherte widerwillig, daß sie fest verschlossen seien. Die wunderschöne junge Frau vertraute ihm die Schlüssel an. Dann trat sie in einen in der Nähe stehenden schmalen Schrank.

Ein Trommelwirbel ertönte und wurde immer lauter.

Als er einen Höhepunkt erreicht hatte, brach er jäh ab;

es folgte ein Augenblick überraschender Stille. Die

Schranktür flog auf, und der Zauberer trat lächelnd

heraus, begleitet von überraschten und entzückten

Aufschreien aus dem Publikum, winkte mit den ungefesselten Händen und begrüßte die Menge. Er verschwendete keinen Augenblick, sondern trat zu dem überraschten Burschen mit den Schlüsseln, nahm sie ihm ab und begann die Schlösser aufzuschließen. Im nächsten Moment schob er schon die Riegel zurück und öffnete die Truhe. Das Publikum hielt den Atem an, ahnte, was da nun kam und doch nicht sein konnte. Der Zauberer zog den Sack in eine aufrechte Position. Mir fiel auf, daß er nun mit einem Gefangenenknoten verschnürt war, einem Knoten, mit dem man gewöhnlich Gefangene und Sklaven fesselt.

Der Zauberer öffnete den Knoten. Der Trommelwirbel setzte wieder ein, verstummte jäh, und eine wunderschöne, mit Haube und Sklavenketten versehene nackte Frau sprang auf. Der Zauberer verbeugte sich vor dem Publikum.

Anscheinend war die Vorstellung damit vorbei. Aber nur wenige Münzen landeten auf der Bühne. »Wartet!« rief ein Mann. »Das ist nicht dieselbe Frau!« Der Zauberer schien bestürzt und verwirrt zu sein. Es sah so aus, als könne er es nicht erwarten, die Bühne mit Anstand zu verlassen. »Zeig sie uns! Zeig sie uns!« rief das Publikum. Zögernd, als würde er sich nur mit großem Unwillen dem Zwang beugen, schnallte er die Haube auf. Dann riß er sie mit einer heftigen Bewegung herunter. Sie war es! Es war tatsächlich dasselbe Mädchen! Sie lächelte, schüttelte den Kopf und warf ihre schönen Zöpfe nach hinten. Während die Menge jubelte und ein wahrer Münzregen auf die Bühne niederging, stieg sie mit Hilfe des Zauberers aus dem Sack und trat aus der Truhe. Dann kniete sie sich lächelnd auf die Bühne. Sie trug einen Kragen, wie nun deutlich zu sehen war, jetzt, da sie weder von der Haube noch vom Gewand einer freien Frau verhüllt wurde.

Ich warf eine goldene Tarnmünze auf die Bühne. Die

Sklavin starrte sie erstaunt an. Vielleicht hatte sie noch

nie eine solche Münze gesehen. Damit konnte man mehrere Frauen wie sie erstehen. »Vielen Dank, edler Herr!« rief sie.

»Sie sind geschickt«, meinte ein Mann neben mir.

»Ja«, stimmte ich zu, wandte mich ab und mischte mich wieder unter das Volk.

Der Mann, der die Bemerkung gemacht hatte, trug wie ich keine Maske. Im Karneval sind Masken nichts Ungewöhnliches. Viele Leute trugen sie. Bizarre Kostüme sind in dieser Zeit ebenfalls äußerst populär. Maskeraden und Verkleidungen sind ein wichtiger Bestandteil des Vergnügens am Karneval. Es gibt sogar Kostümparaden; es werden Preise verliehen für die gelungenste Kostümierung, und das in verschiedenen Kategorien. Aber die meisten Leute verkleiden sich nicht, um einen Preis zu gewinnen, sondern nur deshalb, weil Karneval ist und es Spaß macht. So etwas tut man in dieser Zeit ganz einfach.

Vom schlichten Vergnügen am Verkleiden abgesehen bringt einem eine Maskerade meiner Meinung nach auch noch tiefergehenden Gewinn. Zum Beispiel bietet sie Gelegenheit, neue Identitäten auszuprobieren, sie verscheucht die Langeweile und läßt einen den Alltag vergessen, man kann sich von allen möglichen Anspannungen befreien und dergleichen mehr. Außerdem bietet sie Gelegenheit für Scherze und Streiche. Wer zum Beispiel war der Kerl, der einem Paga über den Kopf gegossen hat? Und die freie Frau kann darüber nachgrübeln, wer der Bursche war, der sie so unerwartet und heftig gekniffen hat. Dabei hat sie vielleicht sogar Glück gehabt, daß ihr Schleier nicht hochgeschoben und sie von dem Fremden geküßt wurde. Oder war es vielleicht gar kein Fremder? Und wer sind die Männer in den Gewändern der Ärztekaste, die einander Medizin verabreichen, nach deren Genuß sie anscheinend unter großen Qualen herumhüpfen? Sind es überhaupt Ärzte? Es scheint viel wahrscheinlicher, daß es Holzarbeiter oder Segelmacher aus dem Arsenal sind. Der Karneval mit seinen Freiheiten wird auch oft von Männern und Frauen dazu genutzt, sich auf Affären einzulassen; es finden intime Zusammenkünfte statt, bei denen sich die Partner oft nicht einmal kennen. Übrigens ist das ein schönes Beispiel für einen weiteren Vorteil der Masken; sie verleihen dem Träger nach Wunsch Anonymität,

Auf Gor werden Masken allerdings auch außerhalb des Karnevals benutzt. Man sieht sie oft bei Leuten, die inkognito reisen oder aus bestimmten Gründen an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit nicht erkannt werden wollen. Unter Straßenräubern ist der Gebrauch weit verbreitet. Manchmal durchstreifen maskierte Banden adliger Jugendlicher die Straßen, gewöhnlich auf der Suche nach einem Sklavenmädchen, das für die Vergnügungen des Abends herhalten soll Die Banden niedriger Kasten, die aus ähnlichen Gründen unterwegs sind, benutzten nur selten Masken. Allerdings können sie ihren Aktivitäten relativ offen nachgehen, da sie keinen Skandal zu fürchten brauchen.