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»Wo ist Belnar?« fragte ich.

»Das weiß ich nicht«, sagte der Offizier.

Vermutlich sagte er die Wahrheit. Zweifellos kannten nur wenige den Aufenthaltsort des Ubars.

»Was ist mit meinem Bericht?«

»Überbring ihn doch Flaminius, dem Vertrauten des Ubars«, schlug er vor.

»Natürlich«, sagte ich und wollte mich umdrehen. Ich war wütend. Das ist genau das, was ich brauche, dachte ich. Flaminius Bericht erstatten. Plötzlich ertönten im Garten Schreie. Einer der Türwächter kam zusammen mit zweien meiner Männer herein.

»Was ist los?« fragte der Offizier.

Die Männer zitterten am ganzen Leib. Andere drängten sich hinter ihnen hinein. Einer von ihnen wandte sich ab und erbrach sich ins Gras. »Lysimachus ist tot«, sagte der Türwächter.

Der Offizier, der hier in der Residenz den Oberbefehl zu haben schien, folgte den Männern durch den Garten; ich schloß mich ihm an. Augenblicke später kamen wir zu einer Lichtung. »Ich habe ihn dort gefunden«, sagte einer der Soldaten, die mit mir gekommen waren, und zeigte auf einen Busch. »Dort habe ich ihn herausgezogen.«

»Es ist Lysimachus«, bestätigte ein Soldat.

»Das war Lysimachus«, sagte ein anderer Soldat.

»Zumindest ein Teil von ihm«, sagte ein dritter Soldat.

Lysimachus’ Kehle fehlte fast vollständig.

Ich kniete neben der Leiche nieder. Ich berührte die dunklen nassen Stellen. »Das ist vielleicht vor einer Ahn geschehen«, meinte ich.

»Wer könnte das getan haben?« flüsterte der Offizier.

»Kannst du dir das nicht vorstellen?« fragte ich.

»Ich wage es nicht«, flüsterte er.

»Solch eine Bestie schleicht in der Stadt herum?« fragte ein Mann.

»Offensichtlich.«

»Warum sollte sie hierherkommen?«

»Weil sie genau wie jeder Mann mehr als eine Bestie ist«, sagte ich.

»Ich verstehe nicht«, meinte der Soldat.

»Sie ist auf der Suche«, sagte ich und starrte düster auf die Leiche.

»Armer Lysimachus«, sagte ein Soldat.

»Schrecklich«, meinte ein anderer.

Der Mord war ziemlich sauber ausgeführt worden, verglichen mit der Art, wie solche Angriffe sonst abliefen. Doch das hätten die Männer nicht verstanden. Zog man in Betracht, welches Wesen die Tat vollbracht hatte, mochte man bei Art der Ausführung fast an so etwas wie Kunstfertigkeit denken. Der Mörder hatte nur einen Mann zum Schweigen bringen wollen. Tatsächlich war bloß der Teil eines Arms abgenagt worden, und das vermutlich auch nur deshalb, um für die nötige Kraft zu sorgen, ein weniger materielles Ziel zu verfolgen. Bei der Größe, den Bedürfnissen und der Wildheit des Wesens deutete die ganze Ausführung auf eine beinahe furchteinflößende Geduld und Zurückhaltung hin. Das Ding war nicht hinter Lysimachus hergewesen. Es hatte etwas anderes gewollt. Ich spürte eine unglaubliche Bedrohung und Zielstrebigkeit. Mir lief ein Schauder über den Rücken.

Der Offizier stand auf. »Der das hier angerichtet hat, könnte noch in der Nähe sein«, sagte er. »Durchsucht den Garten. Durchsucht das Haus. Findet ihn! Tötet ihn!«

Männer eilten voller Angst los. Fackeln wurden entzündet. Ich erhob mich ebenfalls, beeilte mich aber nicht, mich den Suchenden anzuschließen. Sie würden den Mörder nicht finden. Er war nicht mehr hier.

»Sollen wir bei der Suche helfen, Herr?« fragte einer der Männer, die mich begleitet hatten.

»Ja«, sagte ich müde.

Kurze Zeit später betrat auch ich das Haus und ging durch die Gemächer. In einem abgelegen Raum blockierte ein Eisengitter mit dicken Stäben den Weg. Es war anscheinend schon vor einiger Zeit von der Decke herabgesenkt worden; es diente eindeutig dazu, den Raum in zwei Hälften zu teilen. Ich lächelte. Es wäre durchaus möglich gewesen, daß sich die Stahlwand zwischen Belnar und mir herabgesenkt hatte. Das Gitter hätte ihn vor allem schützen können. Vor fast allem. Im Licht einer Fackel sah ich eine Kiste – die nach dem am Boden liegenden Vorhängeschloß zu urteilen – hastig geöffnet worden war. Der Gegenstand meiner Suche hatte vermutlich schon nicht mehr in der Kiste gelegen, als ich begonnen hatte, die hohen Brücken zu erklimmen. Belnar hatte sich mit ihm aus dem Staub gemacht. Wie sich herausgestellt hatte, war das eine glückliche Fügung für ihn gewesen. So war er nicht anwesend gewesen, um seinen dunklen Gast begrüßen zu können. Das hatte ihm zweifellos das Leben gerettet. Er war in Sicherheit.

»Was ist das?« fragte ich den Offizier und deutete auf eine dunkle Öffnung in der Wand.

»Das ist nichts«, sagte er ausweichend.

Es handelte sich natürlich um die geöffnete Geheimtür, durch die Belnar verschwunden war, einen Gang, der in die Tiefe führte.

»Heb die Fackel ein wenig höher«, bat ich einen Mann, der in der Nähe stand. Dann sah ich mich genau in dem Raum auf der anderen Seite des Gitters um.

»Die Suche ist abgeschlossen«, sagte ein Soldat, der gekommen war, um dem Offizier Bericht zu erstatten. »Wir haben das Gebäude gründlich durchsucht, sowohl innen als auch von außen. Kein Zeichen von der Bestie.«

»Zumindest einen Hinweis gibt es«, sagte ich.

»Was?« fragte der Offizier.

»Sieh!« sagte ich und zeigte auf eines der Fenster im abgesperrten hinteren Teil des Raums, dessen Schutzgitter offen stand.

»Es steht offen, und?« fragte der Offizier verblüfft.

»Sieh dir die Scharniere an, wenn du sie aus dieser Entfernung und in diesem Licht erkennen kannst.«

»Sie scheinen aufgebrochen zu sein«, sagte er.

»Sie sind aufgebrochen.«

»Also hat man das Schutzgitter aufgebrochen.«

»Von außen«, sagte ich.

»Unmöglich!«

»Sieht es denn nicht genau so aus?«

»Doch«, flüsterte er.

»Sucht Belnar«, sagte ich. »Er schwebt in tödlicher Gefahr.«

Soldaten setzten sich eilig in Bewegung, darunter auch die Männer, die ich mitgebracht hatte. Wieder war ich allein. Ich blieb noch eine Zeitlang vor dem Gitter stehen und schnupperte angestrengt. Schließlich entdeckte ich einen kaum wahrnehmbaren Geruch. Er war mir nicht unbekannt. Ich hatte ihn schon öfter gerochen und kannte ihn gut. Er erfüllte mich mit Verbitterung. Ich war nicht der erste, der Belnars Gemächer betreten hatte.

Mir wäre es schwergefallen, den Ubar in Brundisium aufzuspüren, aber ich konnte ihm auch nicht lautlos und schnell mit der Hartnäckigkeit eines Sleen und der Bösartigkeit eines Larl durch zahllose Gänge folgen.

Ich rüttelte wütend an den Gitterstäben. Ich hatte keine Vorstellung davon, wohin Belnar gegangen sein mochte. Dann wurde mir plötzlich ganz kalt.

Ich drehte mich um und lief aus dem Raum.

17

»Halt!« rief ich von der obersten Sitzbank der Tribüne, die die Grube umgab. »Halt!« Aber ich kam zu spät. Der angekettete Ubar schrie unter den Zähnen der Sleen. Ich sah zur Ubarloge herüber. Dort kauerte der Kur im Mondlicht.

Ich eilte schnell in die Grube hinunter. Der Kur verließ die Ubarloge mit jener Beweglichkeit, die bei einer Bestie seiner Größe so unnatürlich und überraschend wirkt, und stellte sich zwischen mich und die traurige Gestalt, die mit wilden Blicken in die Höhe stierte, während sie am Boden liegend von den Sleen hin- und hergezerrt wurde. Der Kur bleckte die Reißzähne. Ich glaubte nicht, daß er angreifen wollte. Schließlich war ich es gewesen, der ihn zusammen mit den anderen Gefangenen befreit hatte.

Ich schob das Schwert in die Scheide. Ich war mir nicht sicher, ob der Ubar tot war. Fünf Sleen hatten sich in ihn verbissen. Seine Augen waren noch immer weit geöffnet. Belnar hatte trotz seiner Leibesfülle gut gekämpft. Zwei Sleen lagen tot neben ihm, ihr Blut schimmerte dunkel im mondhellen Sand. Der Kur hatte ihm eine Axt gegeben. Das war mehr, als er zur Verteidigung gehabt hatte. Trotzdem hätte man auf die Sleen gewettet.