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Es funktionierte! Das Hühnerblut spritzte über Caramon, lief über seine Hand und seinen Arm. Caramon sah in das Gesicht des Barbaren, bereit zu einem weiteren triumphierenden Blinzeln...

Etwas stimmte nicht.

Die Augen des Mannes hatten sich geweitet, so wie es im Drehbuch stand. Aber sie hatten sich in echtem Schmerz und in echtem Entsetzen geweitet. Er taumelte nach vorne – das hatte auch im Drehbuch gestanden, aber nicht dieses qualvolle Aufkeuchen. Als Caramon ihn auffing, erkannte er entsetzt, daß das über seinen Arm strömende Blut warm war!

Caramon riß den Dolch heraus und starrte ihn an, während er sich gleichzeitig abmühte, den Barbaren festzuhalten, der wieder an seiner Seite zusammenbrach. Die Klinge war echt!

»Caramon...« Der Mann würgte. Blut spritzte aus seinem Mund.

Die Zuschauer brüllten. Derartige Spezialeffekte hatten sie seit Monaten nicht mehr gesehen!

»Barbar! Ich wußte es nicht!« schrie Caramon, während er entsetzt den Dolch anstarrte. »Ich schwöre es!«

Und dann standen Pheragas und Kiiri an seiner Seite und halfen den sterbenden Barbaren auf den Arenaboden legen.

»Mach weiter!« schnappte Kiiri grob.

Caramon stieß sie vor Zorn fast um, aber Pheragas hielt seinen Arm fest. »Dein Leben, unser Leben hängt davon ab!« zischte der schwarze Mann. »Und das Leben deines Freundes!«

Caramon starrte sie verwirrt an. Was meinten sie damit? Was sagten sie da? Er hatte nur einen Mann getötet – einen Freund! Stöhnend riß er sich von Pheragas los und kniete vor dem Barbaren nieder. Verschwommen konnte er die Menge jubeln hören, und er wußte, daß die Zuschauer diese Szene mit ihren Augen verschlangen. Der Sieger zollte dem »Toten« seine Anerkennung.

»Verzeih mir«, sagte er zu dem Barbaren, der nickte.

»Es ist nicht dein Fehler«, flüsterte der Mann. »Gib dir nicht die Schuld...« Seine Augen erstarrten, Blut schoß von seinen Lippen.

»Wir müssen ihn fortschaffen«, flüsterte Pheragas Caramon zu, »und laß es gut aussehen. Wie wir es geprobt haben. Hast du verstanden?«

Caramon nickte teilnahmslos. Kühl half er Kiiri und Pheragas den »leblosen« Leichnam des Barbaren hochheben, so wie sie es unzählige Male geprobt hatten. Er hatte sogar die Kraft, sich zum Publikum umzudrehen und sich zu verbeugen. Pheragas ließ es mit einer geschickten Bewegung seines freien Armes aussehen, als ob der »tote« Barbar sich auch verbeugte. Die Menge war hingerissen und jubelte. Dann zogen die drei Freunde den Leichnam von der Bühne hinunter in den dunklen Gang.

Unten angelangt, half Caramon den Barbaren auf den kalten Steinboden legen. Lange Zeit starrte er den Leichnam an, sich kaum der anderen Gladiatoren bewußt, die auf ihren Auftritt in der Arena warteten.

Langsam richtete sich Caramon auf. Er drehte sich um und packte Pheragas, und mit seiner ganzen Kraft schleuderte er den schwarzen Mann gegen die Wand. Dann zog er den blutverschmierten Dolch aus seinem Gürtel und hielt ihn vor Pheragas’ Augen.

»Es war ein Unfall«, erklärte Pheragas durch die zusammengepreßten Zähne.

»Scharfe Waffen!« schrie Caramon und drückte Pheragas’ Kopf grob gegen die Steinwand. »Ein bißchen bluten! Jetzt sag es mir! Was im Namen der Hölle geht hier vor?«

»Es war ein Unfall, Hornochse«, ertönte eine höhnische Stimme.

Caramon drehte sich um. Der Zwerg stand vor ihm, sein untersetzter Körper bildete einen verzerrten Schatten im dunklen und feuchten Korridor unter der Arena.

»Und jetzt werde ich dir einmal etwas über Unfälle erzählen«, sagte Arak, seine Stimme klang sanft und bösartig. Hinter ihm lauerte Raags riesige Gestalt, in seiner Pranke hielt er seine Keule. »Laß Pheragas gehen. Er und Kiiri müssen in die Arena zurück, um sich zu verbeugen. Ihr alle seid die Sieger des Tages.«

Caramon warf Pheragas einen finsteren Blick zu, dann ließ er den Dolch fallen. Kiiri musterte Caramon in stummem Mitgefühl und legte die Hand auf seinen Arm. Pheragas seufzte, dann verließ er mit Kiiri den Korridor. Sie gingen um den Körper des Barbaren herum, der auf dem Boden lag.

»Du hast mir gesagt, daß niemand getötet wird!« sagte Caramon mit einer von Zorn und Schmerz erstickten Stimme.

Der Zwerg baute sich vor dem großen Mann auf. »Es war ein Unfall«, wiederholte er. »Unfälle geschehen hier immer insbesondere Leuten, die nicht aufpassen. Es könnte dir auch passieren, wenn du nicht aufpaßt. Oder deinem Freund. Nun, der Barbar hat eben nicht aufgepaßt. Oder besser gesagt, sein Herr hat nicht aufgepaßt.«

Caramon hob den Kopf und starrte den Zwerg an, seine Augen waren vor Entsetzen aufgerissen.

»Ah, ich sehe, daß du endlich kapierst.« Arak nickte.

»Der Mann ist gestorben, weil sein Besitzer jemanden aufs Kreuz gelegt hat«, sagte Caramon leise.

»Ja.« Der Zwerg grinste und zog an seinem Bart. »Zivilisiert, nicht wahr? Nicht so wie in den alten Tagen. Und keiner ist klüger als zuvor. Außer seinem Herrn natürlich. Ich habe an diesem Nachmittag sein Gesicht gesehen. Er hat die Botschaft erhalten.«

»Das war eine Warnung?« fragte Caramon mit erstickter Stimme.

Der Zwerg nickte wieder und zuckte die Schultern.

»Wer? Wer war sein Besitzer?«

Arak zögerte, musterte Caramon mit einem seltsamen Blick, sein Gesicht verzerrte sich zu einem höhnischen Grinsen. Caramon konnte fast sehen, wie er rechnete, sich ausmalte, wieviel er gewinnen konnte, wenn er etwas erzählen würde, wieviel er gewinnen konnte, wenn er es für sich behalten würde. Arak winkte Caramon zu sich und flüsterte einen Namen in sein Ohr.

Caramon sah ihn fragend an.

»Hoher Kleriker, ein Verehrter Sohn Paladins«, fügte der Zwerg hinzu. »Die Nummer zwei nach dem Königspriester. Aber er hat sich einen schlimmen Feind geschaffen, einen schlimmen Feind.« Er schüttelte den Kopf.

Beifall dröhnte von oben herab. Der Zwerg sah hoch und sagte zu Caramon: »Du mußt dich zeigen und verbeugen. Es wird so erwartet. Du bist ein Sieger.«

»Was ist mit ihm?« fragte Caramon, sein Blick ging zu dem Barbaren. »Er wird sich nicht zeigen können. Werden sie sich nicht wundern?«

»Muskelzerrung. Kommt ständig vor. Kann sich nicht mehr verbeugen«, sagte der Zwerg lässig. »Wir werden das Gerücht aufbringen, daß er seine Freiheit erhalten hat.«

»Seine Freiheit erhalten hat!« Tränen füllten Caramons Augen. Wieder setzte Beifall ein. Er würde gehen müssen.

»Das ist der Grund«, sagte Caramon, »das ist der Grund, warum du mich ihn hast töten lassen! Du hast gewußt, daß ich nicht reden würde...«

»Das wußte ich sowieso«, entgegnete Arak und grinste niederträchtig. »Laß es uns so sagen, daß ich dich ihn habe töten lassen, war nur eine kleine Extrazugabe. Die Kunden mögen das, es zeigt ihnen, daß ich sie gut bediene. Verstehst du, es war dein Herr, der diese Warnung schickte! Ich dachte, er würde Gefallen daran finden, wenn sie von seinem eigenen Sklaven ausgeführt wird. Natürlich gerätst du dadurch ein bißchen in Gefahr. Der Tod des Barbaren muß gerächt werden. Aber es wird, geschäftlich gesehen, Wunder bewirken, wenn sich das Gerücht erst einmal verbreitet.«

»Mein Herr!« keuchte Caramon. »Aber du hast mich gekauft! Die Schule...«

»Ach, ich habe nur als Agent gehandelt.« Der Zwerg kicherte. »Ich dachte es mir schon, daß du es vielleicht nicht weißt.«

»Aber wer ist mein...« Und dann wußte Caramon die Antwort. Er hörte nicht einmal, was der Zwerg zu ihm sagte. Er konnte nichts mehr hören, denn plötzlich überspülte und erstickte ihn eine blutrote Welle. Seine Lungen schmerzten, sein Magen hob sich, und seine Beine gaben nach.

Das nächste, was er wußte, war, daß er im Korridor saß. Der Schwindel ging vorüber. Caramon keuchte und hob den Kopf. »Mir geht es gut«, sagte er mit blutleeren Lippen.

»In diesem Zustand können wir ihn nicht hinauslassen«, sagte Arak und musterte Caramon voller Abscheu. »Bring ihn in sein Zimmer, Raag.«