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»Nein«, ertönte eine leise Stimme aus der Dunkelheit. »Ich... ich kümmere mich um ihn.« Tolpan schlich sich aus dem Schatten, sein Gesicht war fast so blaß wie das Caramons.

Arak zögerte, dann knurrte er etwas und drehte sich um. Er kletterte die Stufen hoch, um die Sieger auszuzeichnen.

Tolpan kniete sich neben Caramon, seine Hand ruhte auf dem Arm des großen Mannes. Die Augen des Kenders wanderten zu dem Körper, der vergessen auf dem Steinboden lag.

Caramon folgte seinem Blick. »Wieviel hast du gehört?« fragte er.

»Genug«, murmelte Tolpan. »Fistandantilus.«

»Er hat das alles geplant.« Caramon seufzte, lehnte den Kopf zurück und schloß erschöpft die Augen. »Auf diese Art wird er uns los. Er braucht es nicht einmal eigenhändig zu erledigen. Läßt einfach diesen... diesen Kleriker...«

»Quarat.«

»Ja, er läßt uns einfach durch diesen Quarat töten.« Caramons Hände ballten sich zusammen. »Die Hände des Zauberers bleiben sauber! Raistlin wird niemals Verdacht schöpfen. Und von jetzt an werde ich mich bei jedem Kampf fragen: Ist dieser Dolch von Kiiri echt?«

Kurz saßen die beiden stumm da, das Brüllen der Menge dröhnte über ihnen. Dann nahm Tolpan etwas Schimmerndes im Korridor wahr. Den Gegenstand erkennend, erhob er sich und kroch hin, um ihn zu holen. »Ich kann dich in den Tempel bringen«, sagte er, hob den blutbeschmierten Dolch auf und reichte ihn Caramon. »Ich kann dich heute nacht hineinbringen.«

8

Der silberne Mond Solinari leuchtete am Horizont. Sich über den mittleren Turm des Tempels des Königspriesters erhebend, wirkte er wie eine Kerzenflamme, die an einem langen Docht brannte. Er schien in dieser Nacht voll und hell.

Solinaris Partner, der blutrote Lunitari, war noch nicht aufgegangen, um die Straßen mit seiner unheimlichen purpurnen Helligkeit zu überfluten. Was den dritten Mond betraf, den schwarzen, so wurde seine dunkle Rundheit inmitten der Sterne von einem Mann wahrgenommen, der ihn kurz ansah, als er sich seiner schwarzen Roben entledigte, die mit Zauberzutaten schwer beladen waren, und ein einfacheres, weiches schwarzes Nachthemd überstreifte. Er zog sich die schwarze Kapuze über den Kopf, um Solinaris durchdringendes Licht abzuwehren, legte sich in sein Bett und glitt in den erholsamen Schlaf, der für seine Kunst so notwendig war.

Zumindest stellte sich Caramon das so vor, als er und der Kender durch die mondbeleuchteten bevölkerten Straßen gingen. Die Nacht war von Freude belebt. Sie passierten Gruppen von Männern, die ausgelassen lachten und über die Spiele diskutierten, und Gruppen von Frauen, die Caramon schüchtern musterten.

Die Frauen waren von ihm hingerissen. Sie hatten ihn an diesem Nachmittag kämpfen sehen, und er hatte ihre Herzen gewonnen. Sie stellten alberne Fragen über die Spiele, hörten aber seinen Antworten nicht zu. Caramon war sehr nervös und redete ziemlich verworren. Schließlich setzten sie ihren Weg fort, lachten und wünschten ihm viel Glück. Caramon warf dem Kender einen fragenden Blick zu, aber Tolpan schüttelte nur den Kopf.

Er hatte darauf bestanden, daß Caramon den goldenen Seidenumhang anzog und den Helm aufsetzte, wie am Nachmittag in der Arena. Es schien überhaupt nicht angemessen, sich so in den Tempel zu schleichen – Caramon hatte Visionen, durch Abwasserkanäle zu kriechen oder über Dächer zu klettern. Aber als er sich gesträubt hatte, waren Tolpans Augen kalt geworden. Entweder tat Caramon, wie ihm gesagt wurde, oder er konnte die Sache vergessen, gab er ihm in scharfem Ton zu verstehen.

Caramon hatte sich seufzend angekleidet, den Umhang über sein lose hängendes Hemd und die Lederhose geworfen. Den blutverschmierten Dolch hatte er in seinen Gürtel gesteckt.

Für den Kender war es eine einfache Angelegenheit gewesen, ihre Tür aufzuschließen, nachdem Raag sie für die Nacht eingeschlossen hatte, und die zwei waren durch den Schlafbereich der Gladiatorenquartiere geschlüpft, ohne Aufsehen zu erregen; die meisten Krieger schliefen oder waren wie die Minotaurier sturzbetrunken.

Die zwei gingen zu Caramons großem Unbehagen offen durch die Straßen. Aber der Kender schien deswegen nicht beunruhigt zu sein. Ungewöhnlich niedergeschlagen und schweigsam, überhörte Tolpan Caramons wiederholte Fragen. Sie kamen dem Tempel immer näher. Er tauchte vor ihnen in seinem ganzen perlmutternen und silbernen Glanz auf, und schließlich blieb Caramon stehen.

»Warte einen Augenblick, Tolpan«, sagte er leise und zog den Kender in eine dunkle Ecke. »Wie hast du geplant, uns da hineinzubringen?«

»Durch die Haupttore«, antwortete Tolpan ruhig.

»Die Haupttore?« wiederholte Caramon erstaunt. »Bist du verrückt? Die Wachen! Sie werden uns aufhalten...«

»Es ist ein Tempel, Caramon«, sagte Tolpan mit einem Seufzer. »Ein Tempel für die Götter. Böse Leute betreten ihn einfach nicht.«

»Aber Fistandantilus«, hielt Caramon mürrisch entgegen.

»Nur, weil es der Königspriester erlaubt«, sagte Tolpan schulterzuckend. »Sonst könnte er dort nicht eintreten. Die Götter würden das nicht zulassen. Zumindest hat mir das ein Kleriker so erklärt, den ich gefragt habe.«

Caramon runzelte die Stirn. Der Dolch in seinem Gürtel schien schwer, das Metall brannte heiß an seiner Haut. Nur Einbildung, sagte er sich. Immerhin hatte er schon vorher Dolche getragen. Er griff unter seinen Umhang und tastete sich vergewissernd nach ihm. Dann preßte er die Lippen zusammen und ging auf den Tempel zu. Nach einem Augenblick des Zögerns holte Tolpan ihn ein.

»Caramon«, sagte der Kender mit leiser Stimme. »Ich... ich glaube, ich weiß, was du denkst. Ich habe das Gleiche gedacht. Was ist, wenn die Götter uns nicht einlassen?«

»Wir haben die Absicht, Böses zu vernichten«, entgegnete Caramon; seine Hand ruhte am Dolchgriff. »Sie werden uns beistehen und uns nicht behindern. Du wirst es sehen.«

Schließlich erreichten sie die prachtvollen Stufen, die zum Tempel führten.

Caramon hielt inne und starrte das Gebäude an. Sieben Türme streckten sich in den Himmel. Aber einer erhob sich spiralförmig über die anderen. Sein perlmutt- und rosafarbener Marmor leuchtete sanft im Mondschein, in seinen ruhigen Wasserteichen spiegelten sich die Sterne; seine riesigen Gärten mit lieblichen, duftenden Blumen raubten Caramon den Atem. Er konnte sich nicht bewegen, als wäre er durch dieses Wunderwerk gebannt.

Und dann kam aus einer weitentfernten Ecke seines Gehirns ein Gefühl des Entsetzens hervor. Er hatte ihn zuvor bereits gesehen! Aber er hatte ihn in einem Alptraum gesehen... Verwirrt schloß er die Augen. Wo? Dann fiel es ihm ein. Der Tempel von Neraka, in dem er gefangengehalten wurde! Der Tempel der Königin der Finsternis! Caramon bebte. Überwältigt von dieser furchtbaren Erinnerung, fragte er sich, welche Vorbedeutung das haben könnte, und dachte kurz daran, umzukehren und zu fliehen.

Dann spürte er Tolpan an seinem Arm ziehen. »Geh weiter!« befahl der Kender. »Du wirkst verdächtig!«

Caramon schüttelte den Kopf und strich die dummen Erinnerungen aus seinem Gehirn, die nichts bedeuteten, wie er sich einredete. Die zwei erreichten die Wachen an der Tür.

»Tolpan!« rief Caramon plötzlich und ergriff den Kender so fest an der Schulter, daß er vor Schmerz aufkreischte. »Tolpan, das ist eine Prüfung! Wenn die Götter uns hineinlassen, weiß ich, daß wir das Richtige unternehmen! Wir haben dann ihren Segen!«

Tolpan hielt inne. »Bist du dir sicher?« fragte er.

»Natürlich!« Caramons Augen leuchteten im hellen Licht Solinaris. »Du wirst schon sehen. Komm jetzt.« Mit neuem Vertrauen ging der große Mann die Stufen hoch. Er bot einen beeindruckenden Anblick, der goldene Seidenumhang flatterte um ihn, der goldene Helm blitzte im Mondlicht. Die Wachen hörten auf, sich zu unterhalten, drehten sich um und beobachteten ihn. Einer stieß den anderen an, sagte etwas und machte eine schnelle, schlitzende Bewegung. Der andere grinste, schüttelte den Kopf und musterte Caramon bewundernd.