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»Neunzig«, hielt ich dagegen.

»Du verlangst zuviel«, sagte er.

»Großer Pascha«, sagte ich, »nach meiner Meinung ist dein Preis zu niedrig.«

»Wo sind die Kavars?« hatte Shakar gebrüllt, der Kapitän der Aretai, als er durch das Karawanenlager galoppierte, dichtauf gefolgt von Hamid.

»Sie sind fort«, erwiderte ich.

Wären die Kavars in die Falle geraten, hätte es ein Massaker gegeben. Suleiman war ein Mann, vor dem man Respekt haben mußte. Der tatsächliche Wert der Steine, den ich in Tor ermittelt hatte, lag zwischen sechzig und achtzig Lasten Dattelbarren. Natürlich ging es mir weniger darum, ein gutes Geschäft zu machen, als Suleiman kennenzulernen.

Ich befand mich nun schon einen Monat lang in der Oase, und erst jetzt hatte er sich bereit erklärt, mich zu empfangen. Vor kurzem war Ibn Saran mit einer Karawane in der Oase eingetroffen. Etwa zwanzigtausend Menschen lebten hier, zumeist Bauern und Handwerker mit ihren Familien. Neun Brunnen war eine der großen Oasen. Ich hielt es für wichtig, Suleiman kennenzulernen. Um meiner Rolle treu zu bleiben, wollte ich ihm Edelsteine anbieten. Die auf diese Weise erstandenen Dattelbarren sollten auf meinem weiteren Weg nach Osten den Rahmen bilden für meine Auftritte als Dattelkaufmann. Ich ahnte, daß meine Vorladung zu Suleiman indirekt wohl auch mit der Ankunft Ibn Sarans in der Oase zu tun hatte. Vermutlich hatte er sich für mich eingesetzt, wofür ich ihm ehrlich dankbar war. Er erinnerte sich natürlich an mich, hatten wir uns doch im Hause des Samos kennengelernt. Wäre es nicht zu dieser Audienz bei Suleiman gekommen, hätte ich bald aus eigener Kraft nach Osten weiterreisen müssen was ohne Führer ungemein gefährlich war. Die Männer der Tahari töten jeden, der eine Landkarte des Wüstenreiches anlegt. Sie kennen ihr Land oder die Regionen darin; es liegt ihnen nicht daran, daß sich Fremde ebenso gut auskennen. Ohne Führer, der die Wasserstellen kannte, war eine Reise in die Tahari ein selbstmörderisches Unterfangen. Ich hatte für Führungsdienste einen guten Preis geboten, doch niemand hatte sich gemeldet. Angeblich hatten die Menschen Angst vor dem bevorstehenden Krieg, vor der Gefahr, sich in solchen Zeiten in die Wüste hinauszuwagen. Ich vermutete allerdings, daß man ihnen befohlen hatte, mir den Dienst zu verweigern. Ein Mann war zuerst einverstanden gewesen, hatte mich aber am nächsten Morgen ohne nähere Erklärung informiert, daß er es sich anders überlegt hätte. Manchmal hatte ich Hamid erblickt, den Leutnant Shakars. Er schien noch immer anzunehmen, daß ich ein Spion der Kavars war. Als dann Ibn Saran in der Oase erschien, hatte mich Suleiman zu sich gebeten. Ich fragte mich, ob er womöglich auf Ibn Saran gewartet hatte. Anscheinend besaß Ibn Saran in der Oase der Neun Brunnen einen größeren Einfluß, als man von einem einfachen Salzkaufmann erwarten konnte. Mehr als einmal hatte ich gesehen, wie Männer ehrfürchtig seiner Kaiila auswichen und ihm die Hände entgegenstreckten.

Alyena, die noch immer tanzte, schien die Macht Ibn Sarans zu spüren. Der Salzkaufmann saß entspannt auf seinen Kissen und beobachtete sie. Sein Gesicht war ausdruckslos. Er schlürfte seinen heißen schwarzen Wein.

Alyena warf sich vor ihm zu Boden und bewegte sich im Takt der Musik. Vielleicht sah sie in ihm einen reichen Mann, der sie kaufen und ihr ein geschütztes Sklavenleben bieten konnte ein Leben, in dem ihr Kornstampfen, Tuchweben, Buttermachen oder Wassertragen erspart blieben.

Der intensive Tanzunterricht, der unmittelbar nach unserer Ankunft in der Oase der Neun Brunnen arrangiert worden war, hatte in meinen Augen ihren Wert erheblich gesteigert, ihn vielleicht sogar verdoppelt oder verdreifacht. Die geringen Kosten dieses Unterrichts waren eine vorzügliche Investition gewesen. Mein Besitz hatte erheblich an Wert zugenommen. In erster Linie lag das natürlich an dem Mädchen, das sich mit ungeheurem Fleiß in den Unterricht gestürzt hatte. Stundenlang hatte sie jede Tanzbewegung geübt und sich erst zufriedengegeben, wenn sie auch die kleinste Geste sicher beherrschte.

Ihre Lehrerin war die Cafe-Sklavin Seleenya, die ich von ihrem Herrn gemietet hatte; begleitet wurde der Unterricht von einem Flötisten und einem Kaskaspieler.

Seleenya hatte sich über die Fügsamkeit und Auffassungsgabe ihrer Schülerin sehr zufrieden geäußert und ich sah nun, daß sie recht hatte. Auf einen Wink Ibn Sarans hin hob sich Alyena langsam von den roten Kacheln, sie lag auf den Knien und ließ mit einer ruckhaften Bewegung den Kopf emporschnellen, daß die Haare flogen. Sie sah Ibn Saran an und beugte sich plötzlich vor, als gehorche sie einem Impuls, als könne sie nichts dagegen tun dann küßte sie den Boden vor seinen Füßen. Sie blickte zu ihm auf. Offenbar wünschte sie, von ihm gekauft zu werden. Mit einer Fingerbewegung forderte er sie auf, sich zu erheben. Kühn schob sie das rechte Bein vor; die Arme über den Kopf erhoben, stand sie langsam auf.

»Darf ich deine Sklavin entkleiden?« fragte Ibn Saran.

»Natürlich«, sagte ich.

Er nickte dem Mädchen zu. Im Takt der Musik öffnete sie den Büstenhalter aus gelber Seide und warf ihn achtlos beiseite. Sein Interesse an ihr erregte sie. Es war offenkundig, daß sie sich wünschte, von ihm gekauft zu werden.

Ich hob den Finger und brachte zum Ausdruck, daß ich noch gern etwas von dem heißen schwarzen Wein gekostet hätte. Das Mädchen, das neben dem erhitzten silbernen Weingefäß kniete, erstarrte; sie zögerte. Sie hatte helle Haut und dunkles Haar. Sie trug eine schmale Weste aus roter Seide; in der Körpermitte schimmerte nackte Haut. Um ihre Hüften lag ein Chalwar, ein geschlitztes hosenähnliches Kleidungsstück, das um die Fußgelenke zugebunden war. Hastig eilte sie zu mir. Mit geneigtem Kopf kniete sie nieder. Vorsichtig goß sie die heiße schwarze Flüssigkeit in die winzige rote Tasse. Ich schickte sie zurück. Die Inschrift ihres Sklavenkragens hatte ich unter dem Schleier nicht entziffern können. Vermutlich gehörte sie Suleiman, da sie in seinem Haus diente. Das andere Mädchen, das rothaarig war, hob das Tablett mit den Zuckerportionen. Doch ich wandte mich ab. Ich fand es barbarisch, den ohnehin schweren Wein auch noch mit Zucker zu versetzen.

Alyena löste nun langsam die Tanzseide von ihren Hüften, ohne den Stoff ganz loszulassen; geschickt bewegte sie die durchsichtigen Bahnen vor ihrem Körper hin und her; sie forderte den ruhig dasitzenden Ibn Saran heraus.

Er verfolgte ihre Gestik mit dem Schleier; sie stellte sich geschickt an. Er wußte das zu schätzen, kannte er sich mit Sklavinnen doch vorzüglich aus.

Das gleiche galt für mich, wenn auch zweifellos in weitaus geringerem Umfang. So hielt ich das schwarzhaarige Mädchen, das sich um das Gefäß mit dem schwarzen Wein kümmern mußte, für ein ausgezeichnetes Exemplar eine sinnliche, wenn auch noch nicht ausreichend gezähmte Sklavin. Sie zu sehen war gleichbedeutend mit dem Wunsch, sie zu besitzen.

Vor längerer Zeit hatte ich die Chance gehabt, sie zu kaufen, doch ich war ein Dummkopf gewesen. Ich hatte sie nicht in Ketten auf mein Schiff geführt, um sie in mein Haus bringen zu lassen.

Später hatte ich Tab, einen meiner Kapitäne, nach Lydius geschickt, um sie zu kaufen, doch da war es schon zu spät gewesen.

Bisher hatte ich nicht gewußt, wo sie sich aufhielt.

Sie hatte einmal meinen Befehl mißachtet, wofür sie bestraft werden mußte. Damals war ich in die Wälder des Nordens gereist, um Talena zu befreien und nach Port Kar zurückzuholen, wo wir - so hoffte ich damals unsere Gefährtenschaft erneuern konnten. Es wäre sicher nicht passend gewesen, mit Talena zurückzukehren und zugleich dieses phantastische dunkelhaarige Mädchen im Laderaum mitzubringen. Hätte ihr Talena nicht sofort die Kehle durchgeschnitten? Und hätte ich sie befreit, wäre sie nicht bald wieder in die Gewalt von Sklavenhändlern geraten? Ihre Flucht aus dem Sardargebirge, gegen meinen Befehl, hatte sie zu den Panthermädchen geführt. Die Räuberinnen des Nordens hatten sie an Sarpedon, einen Tavernenwirt aus Lydius, verkauft, wo ich sie schließlich fand. Zur Flucht aus dem Sardargebirge hatte sie meinen Tarn verwendet. Der Vogel war später zurückgekehrt, doch ich hatte ihn wütend vertrieben; dabei war so ein Tier zehnmal mehr wert als jede Sklavin. Doch was nützt einem Krieger ein Tarn, der einen Fremden, noch dazu ein Mädchen, in seinem Sattel duldet?