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Mike sah mit einer Mischung aus Verblüffung und Fassungslosigkeit zu, wie sich nach und nach nicht nur Männer, sondern auch Kinder und selbst Frauen und Alte an der allgemeinen Massenkeilerei zu beteiligen begannen, wobei es mittlerweile völlig egal zu sein schien, worum es ging. Möglicherweise wäre am Ende tatsächlich der ganze Ort in diesen Kampf hineingezogen worden, wäre nicht endlich Weisser wieder aus der Hütte hervorgetreten.

Er erfaßte die Lage mit einem einzigen Blick, griff rasch unter seine Jacke und zog eine Pistole hervor, um einen einzelnen Schuß in die Luft abzugeben. Die Wirkung war erstaunlich. Der Kampf endete sofort. Die Eingeborenen ließen auf der Stelle voneinander ab und sprangen erschrocken auf, und selbst die, die noch nicht an dem Handgemenge beteiligt gewesen waren, wichen erschrocken beiseite, als Weisser mit weit ausgreifenden, zornigen Schritten auf die Kampfhähne zu eilte. Er hatte seine Waffe wieder eingesteckt, was Mike nicht sofort verstand. Aber dann wurde ihm klar, daß diese Pistole Weisser ohnehin nichts genutzt hätte. Aber allein sein Auftauchen erfüllte die Eingeborenen mit einer Mischung aus Respekt und Furcht, die viel nachhaltiger war, als es die bloße Angst vor einer Waffe hätte sein können.

Weisser erreichte den Kampfplatz, fand zielsicher die beiden Männer heraus, die mit dem Streit angefangen hatten, und begann in ihrer Sprache auf sie einzureden. Anders als sie schrie er nicht, aber seine Stimme war so scharf, daß Mike sie trotz der großen Entfernung deutlich hören konnte. Obwohl die beiden Eingeborenen ein gutes Stück größer waren als Weisser, duckten sie sich unter seinen Worten wie geprügelte Hunde, und als er schließlich eine herrische Handbewegung machte, fuhren sie herum und hatten es sehr eilig, in entgegengesetzter Richtung in der Menschenmenge zu verschwinden.

Was Weisser auch wirklich sein mochte -jetzt hatte Mike begriffen, daß er alles andere als ein Gast wie sie war und über gewaltigen Einfluß bei den Eingeborenen hier verfügte.

Als Mike sich zu Singh herumdrehte, sah er, daß die Aufmerksamkeit des Inders nicht auf Weisser gerichtet war, sondern auf einen Punkt am jenseitigen Rand des Dorfplatzes. Mike sah in die gleiche Richtung und erblickte die Hütte des Medizinmannes, in der sie gerade gewesen waren.

Der Alte war ein Stück weit aus der Tür getreten und hatte die Szene ganz offenbar mit angesehen. Sein Gesicht hatte sich vor Zorn verdüstert. Er stand in angespannter Haltung da und hatte die Hände zu Fäusten geballt, und die beiden hünenhaften Krieger, die ihn flankierten, wirkten kaum weniger bedrohlich. Mike war allerdings sicher, daß dieser Zorn nicht den Männern galt, die den Streit angefangen hatten, sondern niemand anderem als Weisser.

Der angebliche deutsche Schiffskapitän kam in diesem Moment zu ihnen zurück. Er bemerkte sofort, wohin Singh und Mike sahen, denn auch er blickte flüchtig zur Hütte des Medizinmanns hinüber, und für einen Augenblick huschte ein Schatten über sein Gesicht. Doch er hatte sich ganz ausgezeichnet in der Gewalt. Schon eine halbe Sekunde später lächelte er wieder, und als er sich an Mike wandte, klang seine Stimme ganz unbeteiligt.

»Es tut mir leid, daß ihr Zeugen dieser häßlichen Szene geworden seid«, sagte er.

»Was war da los?« wollte Mike wissen. »Das war doch kein... normaler Streit?«

»Die Menschen hier sind normalerweise sehr friedlich, glaub mir«, antwortete Weisser. »Es ist das freundlichste Volk, dem ich begegnet bin -abgesehen von einem oder zweien vielleicht«, fügte er mit einem Seitenblick auf den Medizinmann hinzu, fuhr dann aber wieder in ernsterem Ton fort: »Aber seit das Sternenschiff hier gestrandet ist, hat sich leider einiges verändert. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht, und sie sind alle sehr nervös. « »Das ist mir nicht entgangen«, antwortete Mike. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Hütte hinter sich. »Was ist dort drinnen? Wieso dürfen wir nicht hinein?«

Weisser antwortete weder auf die eine noch auf die andere Frage. »Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ihr jetzt geht«, sagte er. »Ich hätte euch gerne alles hier gezeigt, aber der Moment, euch die Gastfreundschaft dieser freundlichen Menschen zu demonstrieren, ist denkbar ungünstig. Ich fürchte, ihr würdet nur unnötig in Gefahr geraten. Kehrt zurück auf die NAUTILUS und verlaßt diese Insel, bevor ein noch größeres Unglück geschieht. Ich bin vielleicht nicht jedesmal zur Stelle, um euch zu helfen. «

»Woher wissen Sie das?« fragte Singh scharf. Weisser sah ihn einen Moment lang verständnislos an. »Was?«

»Alles«, antwortete Singh und fuhr schnell und mit erhobener Stimme fort, ehe Weisser ihn unterbrechen konnte: »Sie behaupten, Erster Offizier auf einem deutschen Handelsschiff gewesen zu sein? Das ist lächerlich. Niemand außer uns sieben weiß von der Existenz der NAUTILUS -so wie niemand außer uns weiß, daß es sich bei dem Gefährt, das an den Strand gespült worden ist, um ein Sternenschiff handelt. « Weisser sah ihn ruhig an. Schließlich lächelte er. »Wie Sie sehen, mein lieber Freund, weiß ich es doch«, antwortete er. »So wie manches, von dem Sie glauben, daß ich es nicht wüßte. «

»Woher?« verlangte Singh zu wissen, doch Weisser schüttelte abermals den Kopf.

»Dies ist nicht der Moment für Erklärungen«, sagte er, »so gerne ich es auch täte. Wir werden uns wiedersehen, das verspreche ich, aber im Augenblick sollten Sie sich auf Ihre eigentliche Aufgabe besinnen und Ihren jungen Schützling sicher an Bord des Schiffes zurückgeleiten. Die Stimmung hier im Dorf ist schlecht. Noch kann ich die Männer beruhigen, aber ich weiß nicht, wie lange noch. Und sie sind nicht die einzige Gefahr. « Singh war mit dieser Erklärung ganz und gar nicht zufrieden, das sah Mike ihm an. Aber nachdem er Weisser ein paar Sekunden ruhig und herausfordernd angesehen hatte,schüttelte er zu Mikes Überraschung den Kopf, drehte sich zu ihm herum und sagte: »Er hat recht, Herr. Wir müssen zurück aufs Schiff. Trautman und die anderen werden sich sicher schon Sorgen machen. «

»He!« protestierte Mike. »Aber du kannst nicht -« Singh schnitt ihm das Wort ab, indem er ihn unsanft am Arm ergriff und herumdrehte. Und nur einen Moment später verließen sie, begleitet von Weisser, den Dorfplatz und wenige Augenblicke darauf das Dorf.

Wie Mike befürchtet hatte, erwies sich der Rückweg zur NAUTILUS als der schwierigere Teil ihrer Unternehmung. Sie mußten weit länger auf der Insel verbracht haben, als ihnen bisher schon bewußt gewesen war, denn es begann zu dämmern, ehe sie das Ufer erreichten -und natürlich war von der NAUTILUS weit und breit nichts zu sehen. Weisser hatte sie zwar nicht selbst bis ans Meer begleitet, ihnen aber eine Eskorte aus vier Eingeborenenkriegern mitgegeben; wie er gesagt hatte zu ihrem Schutz; wie Mike jedoch argwöhnte, eher deshalb, damit sie sich davon überzeugten, daß sie die Insel auch tatsächlich verließen. Die Männer sagten kein Wort, unterhielten sich auch nicht untereinander, aber sie blieben auch mit stoischer Ruhe stehen, als Mike ihnen mit Gesten klarzumachen versuchte, daß ihre Aufgabe erfüllt war und er und Singh nun hier warten würden, bis die NAUTILUS auftauchte. Es verging noch eine geraume Weile, ehe es endlich soweit war; offensichtlich hatten sie die vereinbarte Zeit zur vollen Stunde gerade um ein paar Minuten verpaßt, so daß sie noch einmal eine Stunde lang ausharren mußten und es mittlerweile vollkommen dunkel geworden war, ehe weit draußen auf dem Meer ein blasses Licht erschien und nach einigen Augenblicken zum Suchscheinwerfer der NAUTILUS wurde, der wie ein körperloser leuchtender Finger über das Meer und das Ufer tastete, rasch über Singh und ihn hinwegglitt und dann mit einer fast ruckartigen Bewegung zurückkehrte.