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»Rotbeeren«, sagte die Tochter des Magiers. »Sind sie karamellisiert, wie ich verlangt habe?«

»Gewiss, selbstredend. Glaube ich. Wenn nicht, karamellisiere ich sie Euch höchstpersönlich!« Er schluckte sein Lächeln hinunter, als die Mienen der beiden Magier eisig blieben. »Nein, seid unbesorgt, Meisterin Aricaa. Ich versichere Euch, dass alles an Bord ist, was an Bord sein muss. Wir sind absolut vorbereitet und startklar.«

In dem Moment erklang ein Schrei. »Haaaalt! Wartet auf mich! Wa-waaarteeet!«

Eine halb rennende, halb hüpfende Gestalt erschien auf dem Steg, Stiefel und Jacke in den Armen. Nova. Als er das Schiff erreichte und seinen Vater neben den Magiern entdeckte, stolperte er hastig in seine Kleider und zupfte sich die Mohnblumen aus den Haaren. Dann schritt er schwer atmend, aber so würdevoll wie ein Löwe auf sie zu.

»Ähem. Guten Morgen.« Er verbeugte sich. »Pienova Lysander Nord. Zu Euren Diensten. Ich bin nicht zu spät. Ich dachte nur ... gut. Sehr gut, exzellent.«

Stille trat ein.

Kapitän Nord streckte den Arm aus und zog Nova neben sich. »Wenn ich vorstellen darf ... mein stellvertretender Kapitän und Sohn; der Sohn von mir und Meisterin Medeah, Magierin am Hofe Moia.« Dabei reckten sich beide stolz.

»Ja. Ich weiß«, sagte der Magier unbeeindruckt. »Nun denn. Dann wird hoffentlich nichts mehr den Abflug verzögern. Aricaa ... lebe wohl, mein Kind, und streng dich an. Du weißt ja: Wissen ist Macht. Lerne fleißig.« Er tätschelte ihre Hand. Als er sich zum Gehen wandte, stolperte er fast in Hel. »Ach! Dich hatte ich ja schon vergessen. Kapitän Nord, Ihr kennt die Sturmjägerin? Nehmt sie bitte im Namen der Magierschaft mit nach Aradon.«

»Ähh ...«

Hel zweifelte nicht daran, dass der Kapitän sie tatsächlich erst jetzt bemerkte. Er schien kaum etwas über seine eigene Nasenspitze hinaus zu registrieren. Nova war schneller als er: »Das ist schon geklärt. Hel kommt mit uns.«

Der Magier von Har’punaptra nickte, und nachdem er noch ein letztes Mal die Hand seiner Tochter gedrückt hatte, schritt er von Bord.

Aricaa öffnete den Mund, sagte aber nichts mehr. Still sah sie der Sänfte nach, die bald ins strahlende Morgenlicht davonrollte.

»Also dann ... herzlich willkommen ihr alle. Ihr drei. Vor allem du, du Strolch.« Kapitän Nord gab Nova einen Klaps gegen den Hinterkopf. »Wo zum Henker hast du gesteckt und was hast du gesoffen und warum die ganze Hucke voll?« Dann grinste er. »Ach! Ich hoffe, es hat sich wenigstens gelohnt.«

Nova blies sich eine Strähne aus der Stirn und lächelte.

Mit nur eineinhalb Stunden Verspätung hob die Taube ab. Die Reling begann zu vibrieren, als Lirium durch die Rohre strömte, und dann ging es rasch himmelwärts. Demonstrativ stellte sich Kapitän Nord hinter das Steuer und lenkte die Taube gen Süden. Er plauderte über das Wetter und die geplante Route, während die Tochter des Magiers sich unter ihrem Sonnenschirm versteckte und der schwindenden Zwergenstadt nachsah. Hel lehnte am Geländer und hörte mit halbem Ohr zu, während sie den Wind mit ihrem Haar spielen ließ. Seit dem Absturz war sie nicht mehr geflogen. Immer wieder dachte sie an den Augenblick, als sie die Leere unter den Füßen gespürt hatte, die schrecklichen Sekunden, bevor es losgegangen war ... Erst jetzt bemerkte sie, dass sich ihre Hände seit dem Start um die Reling gekrampft hatten, und lockerte sie unauffällig.

Nach einer Weile übergab Kapitän Nord das Steuer an Nova. Mit einer höflichen Entschuldigung an Aricaa zog er sich zurück, wahrscheinlich um seinen Rausch auszuschlafen.

Nova sprang förmlich vor das Steuerrad, obwohl es bei dem Wetter kaum etwas zu lenken gab. Er hatte sich die Jacke aufgeknöpft und lässig die Ärmel hochgeschoben. Immer wieder fuhr er sich durch die Haare.

»He, Hel.«

Sie drehte sich zu ihm um. »Hm?«

»Schöner Tag, was?« Er trommelte auf das Rad. »Ein perfekter Tag für einen Sturmjäger. Wenn jetzt noch ein Sturm kommen würde ...« Er schielte zur Magierin hinüber und fing ihren Blick auf. »Natürlich würde ich aus Rücksicht auf Euch jeden Sturm sausen lassen, Meisterin ... Aricaa, nicht wahr? So eine Jagd ist höchst gefährlich. Viel zu gefährlich, wenn eine Dame an Bord ist.«

Die Magierin wandte sich zu ihrer Dienerin um. »Es überrascht mich immer wieder, dass bei so vielen Männern Schmeichelei und das Bevormunden von Frauen ein und dasselbe sind, dich nicht auch, Lilipa? Komm. Wir gehen.«

Die beiden verschwanden abschiedslos unter Deck. Nova sah ihnen hinterher, dann blickte er ratlos in den Himmel und schien darüber nachzudenken, was gerade passiert war.

»Und, hattest du gestern Spaß?«, fragte Hel nach ein paar Minuten.

»Hm? Ach so. Ja ...« Er merkte, dass sie ihn weiter ansah. »Und du?«

»Nein.« Sie warf ihm seine Manschette zu. »Die haben mich nicht aufs Schiff gelassen. Ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen.«

»Oh. Das tut mir leid. Willst du jetzt schlafen?«

Hel zuckte die Schultern. »Ja, gut.«

»Dann suchen wir dir mal ein Quartier für die Reise.« Er ließ das Steuerrad Steuerrad sein und Hel folgte ihm unter Deck.

Weil die drei Schlafräume der weiblichen Besatzung komplett belegt waren, blieben nur noch zwei Betten zur Wahclass="underline" eins in derselben Kammer, in der man die Zofe und das Gepäck der Magierin untergebracht hatte, und eins in der Kammer eines Sturmjägers namens Branim. Keiner wollte sich ein Zimmer mit ihm teilen. Als Hel die Kammer betrat, wurde ihr schlagartig klar, wieso: Branim, erklärte Nova, kam aus einem kleinen Ort in Kapua, wo jedes Gericht mit Donnerkraut gewürzt wurde, und diese Vorliebe hatte er ganz offensichtlich beibehalten. Obwohl die Bullaugenfenster offen standen, konnte Hel kaum atmen. Nicht auszudenken, wie es hier nachts riechen musste, wenn Branim da war und die frische Luft draußen.

»Ich nehm das andere Bett«, hauchte Hel. »Oder den Trollkäfig.«

Nova nickte verständnisvoll und schloss die Tür zu dem übel riechenden Raum. »Es wird aber ein bisschen eng sein. Komm, ich bring dich hin.«

Er führte sie in eine Kabine direkt neben der geräumigen Kajüte der Magierin. Ein einziges Fenster erhellte die niedrige Kammer, noch dazu sperrten Türme von Kisten und Koffern das Licht aus. Ein Stockbett war an die hinterste Wand geschoben, man musste sich an dem Gepäck vorbeizwängen, um es zu erreichen. Weil auf der unteren Matratze bereits ein zusammengefalteter Umhang und eine zwergische Gebetskette lagen, würde Hel also das obere Bett beziehen. Irgendwo im dunklen Gerümpel fand Nova eine Wolldecke und ein Kissen. Dann versprach er, sie zum Essen zu wecken, Hel dankte und ließ sich ins Bett sinken, froh, als die Tür geschlossen wurde und sie endlich allein war.

Draußen wummerte der Fahrtwind. Hel hatte sich in ihre Decke eingemummelt und beobachtete, wie der Staub im dunstigen Fensterlicht waberte. Die Müdigkeit kribbelte in ihren Gliedern, aber die Gedanken hörten nicht auf zu kreisen. Mercurin, die seltsame Begegnung mit der Fremden, ihre Zukunft, die Wüste, Gharra ... Zukunft ... Sie schloss die Augen und versuchte zu schlafen, konzentrierte sich auf die träge rieselnde Zeit. Irgendwann kam die Zofe der Magierin ins Zimmer, öffnete eine Truhe und wühlte zwischen metallenen Geräten, Spielzeug und Stoffen, bis sie eine Dose fand und wieder hinauseilte. Dass Hel im Stockbett lag, bemerkte sie gar nicht.

Hel regte sich nicht. Vielleicht döste sie zwischendurch ein, doch als sich die Tür schließlich wieder öffnete und Nova erschien, war sie wach und musste nur das Auge aufschlagen.

»Hel? Es gibt gleich Essen.«

Sie tat, als würde sie aufwachen. »Gut, ich komme.«

Als sie vom Bett kletterte, bemerkte sie, dass Nova sich die Haare mit irgendeiner fettigen Paste zurückgestrichen hatte. Außerdem trug er ein elegant geschnittenes Wams mit Orden, die seinem Vater verliehen worden waren. Er lächelte sie an. Hel zog sich die abgerissene Weste vor der Brust zu und musste daran denken, wie lange sie nun schon mehr oder weniger in Unterwäsche unterwegs war. Nova jedenfalls schien sich nicht daran zu stören und ließ ihr den Vortritt nach oben.