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»Ich weiß nicht, Meister.« Sie blinzelte. Die Gesichter der Magier, die hinter ihm saßen, waren rote Schattenflecken, weiß umrissen. »Es ist einfach so.«

»Meinst du, diese Besonderheit, die dir zu eigen ist, könnte etwas damit zu tun haben, dass du den Absturz überlebt hast? Immerhin bist du von fünf Schiffen die einzige Sturmjägerin, die nicht umgekommen ist. Ja, nicht einmal verletzt bist du.«

»Ich weiß nicht«, murmelte Hel. Palairons Worte klangen beinahe vorwurfsvoll. Aber was auch immer sie getan hatte, sie hatte es doch nicht absichtlich gemacht. Sie hatte nicht beschlossen, ganz allein dem Tod zu entgehen.

»Hm.« Palairon verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Der Stab blieb wieder ohne Halt neben ihm stehen. »Da der Angriff auf die Schiffe magisch war und du offensichtlich eine besondere Beziehung zu Lirium hast, ist es doch durchaus möglich, dass Attacken dieser Art dir nichts anhaben können. Vorhin hast du ein Funkeln erwähnt, das du am Abend des Angriffs gesehen hast. Bitte beschreibe es noch einmal.«

Hel gehorchte, hatte aber nicht mehr zu sagen als zuvor. »Könntest du dir nicht vorstellen«, hakte Palairon nach, »dass das Funkeln nicht vom Land kam, sondern von einem Wesen aus Fleisch und Blut?«

»Ich habe niemanden gesehen.«

Palairon ließ sich auf seinen Stuhl sinken. Der Stab glitt neben ihn wie ein treuer Diener. »Lass uns über den Mann sprechen, der dich gerettet hat.«

Hel zuckte zusammen. Hoffentlich hatten die Magier es nicht bemerkt.

»Du bist sicher, dass er nicht aus dem Isenvolk war.«

»Ja.«

»Hast du ihn denn genau gesehen?«, fragte eine der Magierinnen.

Sein Gesicht erschien vor Hel, flüchtig wie ein Augenaufschlag. »Ja. Ich habe ihn gesehen.«

Palairon faltete die Hände. »Wir werden dir nun Dinge anvertrauen, über die du unbedingt Stillschweigen bewahren musst. Kannst du das versprechen, Hel?«

Sie spürte, wie sie nickte.

»Zwei Möglichkeiten gibt es, wer hinter den Angriffen stecken könnte. Entweder ein Dämon. Ein unbekannter Feind mit magischen Fähigkeiten, wie sie zuvor nie jemand besessen hat, der durch die Lande zieht und wahllos tötet. Und sich vielleicht auch als Händler auf dem Weg nach Har’punaptra ausgibt.«

Hel starrte ihn an. Und sah doch nur Mercurins Gesicht vor sich. Mercurin.

»Oder«, fuhr Palairon grimmig fort, »die Isen ... sie scheinen sich gegen uns verschwören zu wollen. Gegen uns, die wir sie in unseren Städten aufgenommen haben, die wir unser Lirium mit ihnen teilen! Es ist schon zu Gewalttaten gekommen. Um es kurz zu machen: Wir müssen befürchten, dass es eine Bewegung gibt. Man spricht von einer Anführerin, die Krieger um sich schart. Und wenn die Isen nun einen Weg gefunden haben, Magie gegen uns einzusetzen ...« Er musste es nicht sagen, Hel begriff die Tragweite dieser Überlegung auch so. Niemand hatte je an der Macht der Magier rütteln können. Wenn aber nun doch jemand hinter das Geheimnis der Feenlichter gekommen war – oder eine ganz neue Art der Zauberei entdeckt hatte -, dann stand nichts Geringeres auf dem Spiel als der Frieden der Welt. Aber ausgerechnet die Isen? Das Volk von den Inseln war seit jeher von allem ausgeschlossen gewesen, ja es hatte nicht einmal ein Bündnis mit der Magierschaft. Konnten ausgerechnet sie, die so wenig mit Magie zu tun hatten, neue Magie entdeckt haben?

»Ihr glaubt also«, stammelte Hel, »dass die Isen eine Rebellion planen?«

»Wie gesagt, wir wissen nicht, ob hinter den blutigen Übergriffen des letzten Monats die Isen stecken oder ein bösartiger Dämon. Es gibt Quellen, die von einem einsamen Wanderer berichten. Wo er hinkommt, löscht er ganze Dörfer aus.«

»Es ist nicht auszuschließen, dass er ebenfalls zu den Isen gehört«, warf die Magierin ein. Die anderen nickten düster. Wieder spürte Hel, wie Palairon sie beobachtete.

»Wieso erzählt ihr mir davon?«, fragte sie leise.

»Weil du die Einzige bist, die die Magie gesehen hat. Sie überhaupt sehen kann.« Palairon öffnete und faltete die Hände. »Wir möchten, dass du Meister Olowain auf seiner Mission begleitest.«

Ins Ungewisse

Hel war einen Augenblick lang nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. »I-ich?«

»Ja«, sagte Palairon ungeduldig. »Deine Gabe kann von großem Nutzen sein. Du musst keine Angst haben. Schließlich hast du schon einmal überlebt.«

Hel stand der Mund offen. »Was soll ich denn ... tun?«

»Es ist so«, erklärte der Magier mit den wässrigen Augen neben Palairon. »Im Volk kursieren Gerüchte über einen Dämon, und da wir diese Möglichkeit noch nicht ganz ausschließen können, haben wir das übliche Kopfgeld ausgesetzt. Die Schuld der Isen, die mir fast sicher scheint, darf natürlich erst verkündet werden, wenn wir Beweise haben. Diese Beweise werde ich beschaffen, zusammen mit einigen Gehilfen. Einer davon wirst du sein.« Der Magier hatte sehr rasch gesprochen und zwinkerte Hel dann zu, fast als erwarte er, dass sie sich freute.

»Meister Olowain wird dir die anderen noch vorstellen«, fuhr Palairon fort. »Wann ist eure Abreise, Olowain?«

»Morgen bei Sonnenaufgang.« Er wandte sich wieder an Hel. »Wir werden nach Moia reisen. Dort erwartet uns unser isischer Spion. Wohin es dann weitergeht, weiß nur er. Hoffentlich rasch zum Aufenthaltsort der Rebellenanführerin.«

Hel war ganz schwindelig. Moia? Sie war noch nie dort gewesen. Sie wusste nur, dass das Königreich an der Küste lag. Morgen bei Sonnenaufgang ... zu einem isischen Spion, zu einer Rebellenanführerin! Das Ganze war doch absurd, sie hatte gar nichts damit zu tun!

Als hätte Olowain soeben dasselbe gedacht, erklärte er: »Die Rebellin – oder der Dämon, je nachdem – hält sich sicher versteckt, aber das wird dich nicht daran hindern, ihre Magie zu sehen, nicht wahr? Ich habe Kapitän Gharras Brief ebenfalls gelesen und bin höchst beeindruckt von den Fähigkeiten, die er dir zuschreibt. Schon aus reiner Neugier würde ich mich gerne ein wenig mit dir befassen, und dass es sich nun so ergibt, ist doch ...« Er verstummte, als Palairon gereizt zu hüsteln begann.

Der Vorsitzende der Magierschaft richtete sich ein wenig auf seinem Stuhl auf. »Meister Olowain ist Experte in magischer Geschichte und antiker Magie. Sicher werdet ihr zwei euch noch ausführlich unterhalten, sobald ihr auf Reisen seid. Wie lange ihr fort sein werdet, liegt an euch. Aber keine Sorge. Meister Olowain wird für deine Sicherheit bürgen, außerdem -«

Die Tür schlug auf. Nova stolperte herein, merkwürdig steif auf den Beinen. Hinter ihm folgte der Magier, der den Saal geleert hatte. Sein Zauberstab war auf Nova gerichtet. »Verzeiht die Unterbrechung! Aber der Junge ... er stand vor der Tür und hat gelauscht!«

Nova machte einen ungelenken Satz nach vorne, als der Magier seinen Stab schwenkte. »Genug«, sagte Palairon. Der junge Magier hielt inne und auch Nova blieb endlich stehen, zwar zitternd, aber wieder Herr seiner selbst.

Er setzte eine so würdevolle Miene auf, als hätten die letzten Augenblicke nie stattgefunden. »Meister Palairon, ich habe alles mitangehört. Da ich ohne Euer Einverständnis eingeweiht wurde, lasst mich meinen Ungehorsam wiedergutmachen.« Er verneigte sich. »Ich werde Meister Olowain und seine Gefährten mit der Taube nach Moia fliegen.«

Alle starrten ihn an. Nur Hel legte sich eine Hand über die Augen. Wie konnte man so zwanghaft den Helden spielen wollen?

»Die Taube ist schon oft in Moia auf Sturmjagd gewesen, ich kenne das Land und die Routen besser als jeder andere. Und ich habe den perfekten Vorwand, der dafür sorgen wird, dass eure Mission geheim bleibt. Denn wie Ihr sicher wisst, ist Meisterin Medeah, Magierin des Königreichs Moia, meine Mutter. Ich kann sagen, dass ich sie besuche. Dass es Mitreisende gibt, muss ja niemand erfahren. Hel erregt sowieso kein Aufsehen, ich heuere sie einfach an.« Er lächelte breit. Hel fragte sich, ob er einfach nur von der Tatsache ablenken wollte, dass er gelauscht hatte. Oder ob er wirklich verrückt war.