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»Keine Sorge«, setzte er hinzu und kam ein paar Schritte näher, damit er nicht so laut sprechen musste. »Von mir erfährt niemand ein Sterbenswörtchen über Dämonen und Isen. Hel kann dafür bürgen, dass ich absolut vertrauenswürdig bin.«

»So vertrauenswürdig«, knurrte Palairon, »dass du die Magierschaft aushorchst, Pienova Nord?«

»Vergebt mir, aber ... ja. Hel und ich kennen uns schon seit unserer Kindheit. Um ihretwillen habe ich zugehört. Ein treuer Freund zu sein, ist mir jede Bestrafung wert.«

Hel zwang sich zu nicken. »Äh, ja. Nova meint das nicht so. Er ist wirklich ... und er kann schweigen wie ein Grab.« Wenn er keine Zunge mehr hätte und keine Hände zum Schreiben.

Verdrießlich wandte Palairon sich Olowain zu. »Gibt es schon ein Schiff?«

»Ich wollte eins aus der Liga wählen. Welches, ist eigentlich unerheblich für -«

»Die Taube ist das schnellste Schiff der Liga«, bemerkte Nova.

Olowain blinzelte ihn irritiert an, ehe er zum Vorsitzenden der Magierschaft sagte: »Es liegt an Euch zu entscheiden, ob ihr den Sturmjäger bestrafen wollt, Meister Palairon.«

Hel schob sich vor Nova. »Bitte ...« Sie wollte etwas zu seiner Verteidigung vorbringen, aber ihr fiel nichts ein. Palairon trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Armlehne. Dann seufzte er und machte eine unwirsche Handbewegung. »Ich habe den Jungen lieber auf einem Schiff unter Eurer Aufsicht, Olowain, statt hier bei den anderen Sturmjägern, wo er Geheimnisse ausplaudern kann. Aber ich warne dich, junger Nord: Das nächste Mal werde ich nicht so nachsichtig sein. Scheinbar ist dir nicht bewusst, wie gefährlich Wissen ist ...« Er wollte wohl noch mehr sagen, brachte aber nur ein ärgerliches Grunzen hervor und erhob sich. »Olowain, alles hängt jetzt von Euch ab.« Er nickte auch Hel zu. »Und von dir.« Er sah Nova kurz an, konnte sich aber zu keinem Wort durchringen und kehrte ihm abschiedslos den Rücken. Die anderen Magier erhoben sich ebenfalls, um ihm zu folgen.

»Wir treffen uns morgen früh bei den Schiffen. Ich werde den anderen Bescheid geben. Und du, Junge, sorgst dafür, dass die Taube bereit ist. Je geringer die Besatzung, umso besser.« Olowain gab dem Magier hinter Nova einen Wink. »Bring die beiden zurück zur Liga. Und pass auf, dass ... nicht noch mehr Außenstehende eingeweiht werden.«

»Ja, Meister Olowain. Sehr wohl.«

Dann kehrten die Magier über die Treppe zurück nach oben und Hel und Nova wurden durch die Tür gescheucht. Sobald sie wieder im Nordturm waren, zogen Hel und Nova sich in ein Kaminzimmer zurück. Die Sturmjäger hatten sich im Speisesaal versammelt und empörten sich über den Beschluss der Magierschaft. Worte wie ›Aufstand‹ und ›Streik‹ echoten aus der Menge, aber all das hätte Hel im Augenblick nicht weniger interessieren können. Der Magier, der sie hergebracht hatte, wurde sofort von den Sturmjägern in Beschlag genommen und musste sich den schlimmsten Vorwürfen stellen. Dass Hel und Nova die Wendeltreppe hinaufliefen und die Zimmertür hinter sich schlossen, bekam er gar nicht mehr mit.

Hel stieß einen langen Seufzer aus, als der Lärm verebbte. Kurz lehnte sie sich gegen die Wand, um zu sich zu kommen. Dicke Vorhänge schlossen das Tageslicht aus, nur ein paar Schlitze Helligkeit ließen Staub durch den Raum tanzen. Dann sah sie Nova in die Augen, der die Arme in die Seiten gestützt hatte und sich eine Haarsträhne aus der Stirn blies.

»Bist du völlig übergeschnappt?«, zischte sie. Weil er nicht antwortete, rang sie die Hände: »Was sollte denn das?!«

Er setzte eine beleidigte Miene auf. »Das war ja klar. Ich komme mit, um dich zu beschützen, und du sagst nicht einmal Danke. Andere würden sich geschmeichelt fühlen, weißt du das?«

Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Warum hast du das getan? Schlimm genug, dass ich irgendwohin geschickt werde! Aber was hast du damit zu tun? Was wird aus deinem Vater?«

»Er kommt natürlich mit.«

Hel verkniff sich im letzten Moment eine Bemerkung. Das wurde ja immer besser. Ein geheimer Auftrag mit einem betrunkenen Kapitän. Sie rieb sich die Stirn.

»Hel, verdammt! Ich glaube, du hast noch nicht begriffen, was auf dich zukommt.«

»Ich habe nicht begriffen?! Die Magier schicken mich auf die Suche nach einem Dämon oder einem Trupp Rebellen mit tödlichen magischen Kräften und – und – das sind Gharras Mörder und vielleicht bald auch meine! Ich begreife sehr wohl, was auf mich zukommt! Du bist derjenige, der sich freiwillig für diesen Irrsinn gemeldet hat!«

Er presste die Lippen aufeinander. »Eben, vermutlich wirst du früher oder später in Lebensgefahr sein. Entweder stoßt ihr auf irgendeinen blind wütenden Dämon, der jeden abschlachtet, der ihm in die Quere kommt, oder ihr spürt Rebellen auf, die niemanden mehr hassen als Magier und Sturmjäger. Also, ich an deiner Stelle wäre froh über einen Freund an meiner Seite.«

Sie starrte ihn an, verständnislos, verwirrt, wütend und gerührt. Wieso tat er das? Sie waren längst nicht so eng befreundet, wie er vorhin behauptet hatte ... oder etwa doch? Es stimmte zwar, dass sie sich von klein auf kannten, aber sie hatten sich immer nur bei Zusammenkünften der Liga gesehen, zuletzt vor mehr als einem Jahr. Und selbst wenn sie sich gesehen hatten, waren doch immer ein Dutzend anderer Leute um sie herum gewesen ... um Nova herum gewesen. Von jedem Einzelnen hatte Hel geglaubt, er sei Nova näher als sie. Hatte sie sich all die Zeit getäuscht? Konnte es wirklich sein, dass sie etwas übersehen hatte?

Nova seufzte tief und kehrte ihr den Rücken, um an den Fenstervorhängen zu zupfen. Sie beobachtete den goldenen Staub, der seine Schultern umschwebte, und fühlte sich ihm auf eine ganz neue Art verbunden und fremd zugleich.

»Also gut. Ich muss dir etwas beichten. Ich kann nicht anders, als mit dir nach Moia zu reisen, und vielleicht noch weiter.« Er sah sie an. Leuchtende Verzweiflung schwamm in seinem Blick. Dann zog er ein Papier aus dem Wams und überreichte es ihr.

»Was ist das?«, fragte Hel überflüssigerweise, denn ihre Finger falteten den Brief längst auf, ohne auf ihr Einverständnis zu warten.

Rote Tinte. Schwungvolle Schrift, aber eindeutig nicht die Krakelkralle von Nova, die Hel erwartet hatte. Dass es kein Brief von ihm an sie war, wie erwartet, brachte sie durcheinander.

Allerliebster! Ich habe so lange nichts von dir gehört! Ist et was geschehen? Bei mir geschieht gerade sehr viel. Meine Meister sind alle so klug, es ist wundervoll, doch mit den anderen Schülern kann ich gut mithalten. Ich denke sogar, ich bin dank Vater schon weiter als die meisten. Ich bin so aufgeregt! Ich habe Vater geschrieben, wenn er mich liebt, musserunserer Verlobung zustimmen. Er wird sicher zustimmen. Uns steht nichts im Weg, mein Liebster! Wie war die Versammlung? Antworte mir doch endlich! Hundert Küsse... für immer die Deine, A.

Hel senkte den Brief, seltsam verkrampft um die Nase. »Du bist verlobt?«

»Verlobt! Verlobt, Hel! Schau mich an!« Er zerrte an seinem Gesicht. »Sehe ich alt aus, ich meine, irgendwie schrumpelig, oder als wollte ich bald heiraten und Kinder großziehen?« Er verschluckte sich und riss die Augen auf; der Gedanke war ihm offenbar gerade erst gekommen. Hel trat einen Schritt zurück, nur zur Sicherheit, denn mehr als alles andere sah er aus, als müsste er sich übergeben.

»Es ist außer Kontrolle geraten!« Er riss ihr den Brief aus der Hand. »Verstehst du?! Ihre Einbildungskraft ist enorm!«

Hel verschränkte die Arme. »Ja ... ich verstehe. Du willst dich vor dem Versprechen drücken, das du deiner Verlobten gegeben hast. Und da kommt dir Moia gerade recht!«