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Medeah nickte lächelnd, doch es war offensichtlich, wie viel Mühe es sie kostete, gelassen zu wirken. Schließlich waren alle Augen auf sie gerichtet, auch die Olowains. Kapitän Nord ging ein paar Schritte rückwärts, dann fuhr er mit wehendem Umhang herum und folgte der Mannschaft.

Medeah deutete mit ihrem Zauberstab auf eine offene Tür. »Nun, dann folgt mir bitte ... Was machst du hier?« Verwundert starrte sie Nova an, der von einem Fuß auf den anderen trat.

Hel räusperte sich. »Nova gehört dazu.« Sie warf einen Blick in die Runde. Die Söldner sahen sie misstrauisch an. Olowain spitzte den Mund. Nur Harlem schien ein wenig zu lächeln. »Ohne ihn gehe ich nirgendwohin.«

Medeah reckte sich ein wenig und ihr Ausdruck wurde streng. Hel fragte sich, ob sie den Ruf ihres Sohnes kannte und glaubte, dass Hel ihn auf diese Art mochte ... Sie lief rot an, was das Ganze nicht besser machte.

»Meister Olowain, gehört Pienov ... ist der junge Mann Mitglied Eurer Gesandtschaft?«, fragte Medeah.

Hel sah den Magier eindringlich an.

»Ja, nun ... unsere jungen Freunde scheinen sehr entschlossen zu sein ...«

»Gut«, sagte Medeah knapp. »Dann lasst uns gehen.«

Sie wandte sich um und schritt rasch davon. Die anderen folgten ihr.

Wrauden

Medeah führte sie runde Treppen und Flure hinab. Anfangs erhellten Leuchtkugeln ihren Weg, und kunstvolle Wandteppiche schmückten die Gänge, doch je tiefer sie hinabstiegen, umso schlichter wurde die Umgebung. Bald wies nur noch Medeahs leuchtender Zauberstab ihnen den Weg durch die Dunkelheit. Der Geruch von Stroh und Salzwasser stieg Hel in die Nase. Hier konnte doch unmöglich das Nachtlager für Meister Olowain sein.

Medeah schwenkte ihren Stab und eine niedrige, breite Doppeltür öffnete sich vor ihnen. Sie traten in einen gewölbten Vorhof. Ganz nah rauschte die Brandung. Im farblosen Mondlicht ließ sich ein Pfad erkennen, der aus dem Hof über dunkle Klippen führte und sich in den Wäldern weiter unten verlor.

Eine Leuchtkugel glomm auf. Die Söldner hatten ihre Waffen bereits gezogen, als ein einzelner Mann vortrat und sich die Kapuze vom Kopf streifte.

Es war ein Ise. Das Licht umzeichnete seine hohe Stirn, die scharf vorstechende Nase und das lange Kinn wie mit einem Seidenfaden. Rötliches, glattes Haar fiel ihm über die Schultern, als er sich verneigte. »Seid gegrüßt. Mein Name ist Kelda, Euer Wegführer.« Sein Blick ging in Medeahs Richtung, schien aber auf niemanden gerichtet zu sein.

Medeah wandte sich an die Gesandten. »Kelda war der Überzeugung, es sei besser, noch in der Nacht aufzubrechen.« Mit einer Bewegung ihres Stabes ließ sie die Leuchtkugel zur Seite fliegen. Mehrere dunkle Umhänge lagen gefaltet übereinander, daneben acht geknotete Bündel. »Moia stellt Euch Proviant zur Verfügung, der sieben Tage reichen wird. In den Bündeln werdet ihr jeweils einen Finger Lirium finden, drei Eilige Federn und eine Immerflamme zum Feuermachen. Außerdem Umhänge, die vor Feuer und Wind schützen. Ich überlasse Euch nun Keldas Führung. Olowain ...« Sie öffnete die Arme und die beiden Magier umarmten sich auf eine vertraute, wenngleich kühle Art. »Viel Glück. Sehr viel liegt in Euren Händen, mein Freund.«

»Danke, Medeah. Solange ich fort bin, würde ich Euch gerne meinen Schrank anvertrauen, der noch auf dem Schiff ist. Er darf unter keinen Umständen verloren gehen.«

»Keine Sorge, ich werde ihn hüten wie mein Eigentum. Auf bald.« Sie trat zurück und ihr Blick suchte Nova. Sie presste die Lippen aufeinander. »Wir wussten nicht, dass ihr zu neunt sein würdet. Deshalb gibt es nicht genug Proviant.«

Nova sah seine Mutter an. Für einen Moment spürte Hel seine Zweifel – vielleicht sogar seine Angst. Ihr wurde bewusst, dass er wirklich nicht mitkommen musste, dass er gar keinen Grund hatte außer einer lächerlichen Flucht und seinem Versprechen gegenüber ihr, Hel. Beides genügte nicht, um sich in Lebensgefahr zu begeben. Sie wollte nicht, dass er ihretwegen etwas tat, das er vielleicht schon von vornherein bereute – doch ehe sie ihre Bedenken äußern konnte, sagte Nova: »Das macht nichts, ich bin sicher, wir können den Proviant aufteilen.«

»Willst du das wirklich?«, fragte Medeah unvermittelt. Endlich war ihr Besorgnis anzusehen. Sie verstellte sich nicht mehr.

Nova nickte. Die Magierin holte tief Luft, dann machte sie einen Schritt auf ihn zu. Mit zittrigen Fingern löste sie ihren Umhang und breitete ihn über Novas Schultern. »Das wird dich warm halten. Darunter wirst du nie nass, die Knöpfe sind echte Perlen, wenn du sie verkaufen musst ...« Sie sprach sehr schnell und eindringlich. Dann holte sie drei Finger Lirium aus ihrer Rocktasche und legte sie in seine Hand. Zuletzt zog sie ein seidenes Taschentuch aus ihrem Ärmel. »Gib ein paar Funken Lirium darauf, dann wird alles, was du damit abwischst, für kurze Dauer unsichtbar. Gegenstände oder Personen. Vielleicht ist es dir einmal nützlich.«

Ergriffen nahm Nova die Sachen an. Er brachte kein Wort hervor und blickte zu Boden. Medeah drückte seinen Arm, dann wandte sie sich rasch ab. »Viel Glück, gutes Gelingen!«

Sie rauschte an ihnen vorbei und war im nächsten Moment schon verschwunden. Das Geräusch der zuschlagenden Türflügel schnitt Hel ins Herz, als wäre es ihre eigene Mutter, die sie soeben verlassen hatte.

»Wir sollten keine Zeit verlieren«, sagte Kelda und hob die Umhänge auf. Ohne jemanden anzusehen, teilte er die Bündel aus und warf sich sein eigenes um die Schulter. Hel dachte an Arus’ Weste, die sie auf der Taube gelassen hatte – aber dann fiel ihr ein, was Nova alles zurückließ. Seinen Vater, zum Beispiel. Bang sah sie zu ihm hinüber, doch er wirkte merkwürdig gefasst und kühl.

»Was ist mit unseren Waffen?«, fragte Arill. »Wir haben noch Ausrüstung auf dem Schiff!«

Kelda schüttelte den Kopf. »Wir können nicht mehr mitnehmen, als jeder tragen kann. Ihr seid genug gerüstet.«

Arill mahlte mit den Zähnen, nickte seinen Kriegern aber zu. Harlem nahm ihren Umhang und ihr Bündel an. »Ich habe alles, was ich brauche, bei mir.«

»Wir werden die Nacht durchreiten, wenn ihr einverstanden seid«, fuhr Kelda unbeirrt fort. »Dann erreichen wir vor Sonnenaufgang die Stadt Pellinar. Man sagt, Mutter Meer halte sich dort versteckt.«

»Mutter Meer?«, fragte Hel.

»Die Rebellenanführerin, die wir suchen. Wir Isen nennen sie Mutter Meer«, erklärte Kelda, und obwohl er so leise sprach, hörte Hel einen feindlichen Unterton heraus. Sie warf Olowain einen Blick zu, doch der Magier schien nichts bemerkt zu haben.

Der Ise drehte sich um und bedeutete ihnen mitzukommen. Hastig warf Hel sich Bündel und Umhang über – der Stoff fühlte sich dafür, dass er so leicht war, erstaunlich warm an -, dann folgte sie den anderen in die Nacht.

Ganz nah tobte das Meer. Ängstlich spähte Hel zurück, konnte aber nicht erkennen, wo die Klippen abfielen und das Wasser begann. Keldas Leuchtkugel war gerade hell genug, dass sie den dünnen Pfad unter sich ausmachen konnten. In einer Reihe eilten sie an den Felsen entlang. Die ganze Zeit fürchtete Hel, durch einen falschen Schritt ins Meer zu stürzen.

Ihr Weg führte bergab. Bald fühlte sie struppige Gräser unter den Füßen. Pinien mit schlanken, langen Stämmen ragten vor ihnen auf, ein Teppich aus trockenen Nadeln schluckte die Geräusche. Auch das Tosen des Meeres blieb hinter ihnen zurück, als schließe sich ein Vorhang. Schweigend nahm der Wald sie auf. Seine Dunkelheit, seine Tiefe waren beängstigend und beschützend zugleich ... Die Bäume, die durch den Lichtschein glitten, hatten etwas Geisterhaftes.

Plötzlich sah Hel einen Schatten vorbeihuschen. Wie angewurzelt blieb sie stehen, sodass einer der Söldner, Caiden, in sie hineinstolperte.

»Da ... da ist etwas«, stammelte sie.