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»Bei den Schatten von Udolpho!« rief der Doktor. »Ist das eine Enttäuschung?«

»Sir?«

»Sie wissen doch, was ich meine. Kann man sich denn vorstellen, daß das Mädel, das neugierig war, was in Blaubarts Kammer war, das Ding hier zum erstenmal sah und …« Er pustete, daß die Schnurrbartspitzen flogen. »Nein. Nein, das reicht nicht.«

»Ich fürchte auch«, stimmte Elliot nüchtern zu. »Falls überhaupt etwas hier drin geschehen ist. Wie soll sie denn überhaupt hier hereingekommen sein? Wer hat sie nach unten gebracht? Wo bekam sie das Heft mit den Fingerabdrücken her? Aber so oder so – keiner kann mir erzählen, daß der bloße Anblick von dem Ding hier sie so mitgenommen hat, wie es ja anscheinend der Fall ist. Sie hätte vielleicht geschrien oder so etwas. Es hätte ihr einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Aber nichts in dieser Größe, wenn sie nicht vorher schon hysterisch war. Lady Farnleigh, wußte die Dienerschaft, daß die Puppe hier drin war?«

»Aber ja«, antwortete Molly. »Keiner hat sie gesehen, außer Knowles und vielleicht Mrs. Apps, aber alle wissen, daß sie hier ist.«

»Es hätte sie also nicht einmal überrascht?«

»Nein.«

»Wenn, sage ich, etwas in dieser engen Kammer sie erschreckt hätte – wofür wir nicht den geringsten Beweis haben …«

»Wie wäre es hiermit?« sagte Dr. Fell und zeigte mit seinem Stock darauf.

Der Lichtstrahl fuhr den Sockel des Automaten entlang. Er fand ein Wäschebündel, das sich, als Elliot es aufhob, als eine zerknüllte rüschenbesetzte Hausmädchenschürze erwies. Obwohl sie frisch gewaschen war, waren Staub- und Schmutzflecken darauf, und sie war mit zwei kurzen, zackigen Rissen eingerissen. Dr. Fell nahm sie dem Inspektor aus der Hand und reichte sie Molly.

»Bettys?« fragte er.

Molly untersuchte ein winziges Schildchen am Saum der Schürze, auf dem ein noch winzigerer Name geschrieben stand, und nickte.

»Warten Sie einen Moment«, bat Dr. Fell und schloß die Augen. Er ging vor der Tür auf und ab und preßte sich den Zwicker auf die Nase, als fürchte er, daß er herunterfiele. Als er die Hand wieder fortnahm, blickte er finster und streng. »Nun denn. Ich will es Ihnen verraten, mein Junge. Ich kann es nicht beweisen, genausowenig wie ich die Sache mit dem Apfel und dem Dachboden nebenan beweisen könnte. Aber ich kann Ihnen sagen, was in diesem Bücherkabinett geschehen ist; ich sehe es so deutlich vor mir, als sei ich dabeigewesen. Was wir hier machen, ist längst keine Routinearbeit mehr – es ist jetzt das Wichtigste überhaupt, daß wir genau bestimmen, wann genau zwischen Mittag und vier Uhr nachmittags dies Mädchen sich so sehr erschrak und was alle anderen zu jenem Zeitpunkt getan haben.

Denn der Mörder, mein Junge, war hier drin – hier in dieser Bücherkammer. Betty Harbottle ist ihm hier begegnet. Ich weiß nicht, was der Mörder hier tat; aber ihm lag alles daran, daß keiner erfuhr, daß er hier war. Etwas geschah. Später nahm er die Schürze des Mädchens und wischte damit Fuß- oder Fingerabdrücke fort, oder was es sonst an Spuren hier in dem Staub gegeben haben mag. Er trug oder zerrte sie nach unten. Er drückte ihr das nutzlose Heft in die Hand, das er am Abend zuvor gestohlen hatte. Und dann machte er sich davon, wie Mörder es eben tun, und ließ die Schürze hübsch am Boden liegen. Hm?«

Elliot hob die Hand.

»Langsam, Sir. Nicht so schnell.« Er dachte darüber nach. »Da gibt es zwei schwere Argumente dagegen, fürchte ich.«

»Und die wären?«

»Erstens. Wenn es für den Täter so wichtig war zu verbergen, daß er in dieser Kammer war – wobei wir uns immer noch fragen müssen, was er hier getan hat –, wie wollte er dann seine Spuren verwischen, indem er einfach nur das bewußtlose Mädchen von einem Raum zum anderen trug? Damit verhinderte er die Entlarvung ja nicht, sondern verschob sie nur. Das Mädchen lebt. Sie wird sich erholen. Und dann wird sie sagen, wer hier war und was er tat – wenn er etwas tat.«

»Anscheinend ein kapitaler Brocken«, gab Dr. Fell zu. »Allem Anschein nach ein Stolperstein, über den keiner von uns heilen Fußes hinwegkommt. Und es würde mich gar nicht wundern«, fügte er mit einiger Heftigkeit hinzu, »wenn die Erklärung dieses Widerspruchs zugleich auch die Lösung unseres Falles wäre. Und der andere Einwand?«

»Betty Harbottle ist unverletzt. Körperlich ist sie nicht angerührt worden. In die Verfassung, in der sie jetzt ist, ist sie durch ganz gewöhnlichen Schrecken gekommen, Schrecken über etwas, das sie sah. Aber was konnte sie denn anderes sehen als einen ebenso gewöhnlichen Menschen, der etwas tat, was er nicht tun sollte? Das hätte nicht ausgereicht, Sir; die Mädels sind heutzutage ziemlich zäh. – Was könnte also einen solchen Schock verursacht haben?«

Dr. Fell sah ihn an.

»Etwas, was der Automat getan hat«, antwortete er. »Stellen Sie sich doch vor, die Figur regte sich nun und nähme Ihre Hand.«

So groß ist die Kraft der Suggestion, daß alle im Raum ein Stück zurückwichen. Sechs Augenpaare waren auf den halbzerstörten Kopf und die kuriosen Hände der Puppe gerichtet. Es wäre kein angenehmes Gefühl, sie zu berühren. Nichts an dieser Figur, von dem mottenzerfressenen Kleid bis zu dem schrundigen Wachsgesicht, wäre angenehm zu berühren gewesen.

Elliot räusperte sich.

»Sie meinen, er hat die Puppe wieder in Gang gebracht?«

»Nein, das hat er nicht«, widersprach Gore. »Ich habe es vor Jahren versucht. Es sei denn, jemand hat seither etwas Elektrisches oder sonst einen neuen Mechanismus hineinpraktiziert. Zum Teufel, meine Herren, neun Generationen von Farnleighs haben vergebens versucht dahinterzukommen, wie das Ding funktioniert. Ich mache Ihnen ein Angebot. Tausend Pfund dem Mann, der diesen Apparat zum Laufen bringt.«

»Kann es nicht auch eine Frau sein?« fragte Madeline. Page sah ihr an, daß es nur ein Scherz sein sollte, aber Gore nahm es bitterernst.

»Mann, Frau, Kind oder was es sonst sein mag. Tausend Pfund dem Mann oder der Frau, dem ersten, der ohne modernen Hokuspokus, zu den Bedingungen, unter denen er vor zweihundertfünfzig Jahren zur Schau gestellt wurde, diesen Automaten in Gang setzt.«

»Das Angebot ist großzügig genug«, meinte Dr. Fell munter. »Dann lassen Sie uns die Figur nach draußen fahren, damit wir sie genauer ansehen können.«

Mit einiger Mühe zerrten Elliot und Page die eiserne Kiste, auf der die Puppe saß, über die Schwelle und aus dem Bücherkabinett hinaus auf den Flur. Die Figur bebte und machte einen Ruck mit dem Kopf; Page wartete, daß die Perücke herunterfiel. Doch die Räder drehten sich bemerkenswert leicht. Unter schwerem Knarren und einem leisen Rasseln schoben sie sie ans Ende des Ganges unter das Fenster am Treppenabsatz.

»Zeigen Sie uns, wie sie aufgebaut ist«, bat Dr. Fell.

Gore musterte sie genau. »Sie werden feststellen, daß der Körper des Dings voller Uhrwerke ist. Ich bin kein Mechaniker und kann Ihnen nicht sagen, ob all diese Räder und Hebel wirklich zu etwas nütze sind oder ob es Augenwischerei ist. Ich würde vermuten, viele sind nur Schau, aber vielleicht nicht alle. Entscheidend ist, daß der Körper ganz damit ausgefüllt ist. Auf der Rückseite gibt es ein großes Fenster. Es läßt sich nach wie vor öffnen; stecken Sie ruhig einmal die Hand hinein und – was, du willst mich kratzen?«

Gores Miene verfinsterte sich, als er seine eigene Hand mit einem Ruck zurückzog. In seiner Begeisterung war er beim Gestikulieren den scharfen Fingern des Automaten zu nahe gekommen, und aus einem schartigen Riß auf dem Handrücken kam das Blut. Er steckte die Hand in den Mund.

»Meine alte Freundin mit dem Uhrwerk im Bauch!« brummte er. »Eine schöne Freundin bist du! Ich sollte dir auch noch die andere Hälfte vom Gesicht abschlagen.«

»Nicht!« rief Madeline.

Das amüsierte ihn. »Wie du willst, mein Schatz. Trotzdem, Inspektor – würden Sie so nett sein und die Mechanik prüfen? Was ich zeigen will, ist, daß der Körper voll davon ist und daß sich niemand darin versteckt haben kann.«