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»Was?« fragte ich unruhig.

»Eine Leiche ist gefunden worden, die eines Beamten aus Venna, ich glaube, eines Aedilen.«

»Das tut mir leid.« sagte ich. »Ich nehme an, er wurde ausgeraubt?«

»Anscheinend wurde er ausgeraubt«, bestätigte sie, »entweder vom Angreifer oder jemand anderem. Sein Geldbeutel war verschwunden.«

»Bedauerlich.« sagte ich.

»Die Leiche«, erzählte sie weiter, »war halb aufgefressen.«

Ich schauderte.

»Sie war in Stücke gerissen«, fuhr sie fort, »die Eingeweide waren weg und Knochen waren zerbissen.«

Ich zuckte zusammen.

»Es ist schrecklich«, sagte sie, »sich die Kraft der Kiefern vorzustellen, die so etwas tun können.«

»Es gibt einen Sleen in der Gegend.« vermutete ich.

Ich dachte an Borko, den Jagdsleen meines früheren Herrn, Hendow aus Brundisium.

»Die Spuren wiesen nicht auf einen Sleen hin.« widersprach sie.

»Vielleicht waren es Panther«, spekulierte ich, »oder Bestien, die Larle heißen. Das sind sehr gefährliche Tiere.«

»Soweit ich weiß, hat es seit mehr als hundert Jahren keinen Panther oder Larl in der Gegend von Venna gegeben.«

»Die Bestie ist vielleicht weit außerhalb seines Reviers unterwegs. Vielleicht hat es Hunger oder Durst.«

»Es waren keine Spuren von Panthern oder Larlen.«

»Dann«, sagte ich, »muss es doch ein Sleen gewesen sein.«

»Sleen haben keine Verwendung für Gold.« widersprach sie unruhig.

»Sicher hat jemand die Leiche gefunden und den Geldbeutel genommen.«

»Vielleicht.« gab sie nach.

»Es muss ein Sleen gewesen sein«, sagte ich, »eine andere Erklärung gibt es nicht.«

»Die Spuren«, erinnerte sie, »waren nicht die eines Sleen.«

»Was waren es dann für Spuren?«

»Das ist ja das Schreckliche.« sagte Tupita. »Sie wissen es nicht. Jäger sind gerufen worden, aber selbst sie kannten diese Spuren nicht.«

Ich sah sie an.

»Die Jäger konnten sehr wenig über diese Spuren sagen, aber eines war klar.«

»Was?«

»Die Bestie ging aufrecht.«

»Das ist nicht natürlich.«

»Ist das so überraschend«, fragte sie, »dass eine Bestie aufrecht gehen kann?«

Ich sah sie an.

»Oder dass sie sogar stolz und kraftvoll laufen kann?«

»Ich verstehe nicht.« sagte ich.

»Unsere Herren, diese Bestien, diese Tiere, die uns in Kragen stecken, die uns niederknien lassen, die, von deren Großzügigkeit es abhängt, ob wir einen Lumpen bekommen, um uns zu bedecken, tun das.« sagte Tupita.

»Ja«, flüsterte ich, »sie tun es.«

Unsere Herren, diese herrlichen Bestien, die so mächtig, frei und männlich sind, so prächtig in ihrer ungezügelten Männlichkeit, so kompromisslos zu uns, sie taten es.

»Aber dieses Ding, glaube ich«, fuhr sie fort, »ist nicht solch eine Bestie, keine menschliche Bestie, kein Mann in der ganzen Macht seiner Intelligenz, Vitalität und Tierhaftigkeit, es war eine andere Bestie, eine, die völlig anders ist und doch genauso wie ein Mann.«

»Ich hätte Angst davor.«

»Ich zweifle, ob du solch eine Bestie mit deiner Schönheit besänftigen könntest.« sagte sie.

»Bin ich schön?«

»Ja«, sagte sie, »ich, die ich deine Rivalin war und vielleicht noch immer bin, muss dir das zugestehen. Du bist sehr schön.«

»Du bist auch sehr schön.« entgegnete ich und setzte dann plötzlich hinzu: »Und zweifellos viel schöner als ich!«

»Ich glaube, das stimmt nicht«, entgegnete sie, »aber es ist nett von dir, das zu sagen.«

»Ich bin sicher, dass es stimmt.« widersprach ich.

»Wir sind beide schöne Sklavinnen.« sagte sie. »Ich glaube, wir sind gleich schön, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Ich denke, wir würden beide einen hohen Preis bringen, nackt auf einem Verkaufsblock. Darüber hinaus hängt es sowieso von dem jeweiligen Mann ab.«

»Du bist nett.« antwortete ich.

»Hast du mich damals wegen der Pastete verraten?«

»Nein«, sagte ich, »ihr Fehlen wurde bemerkt. Das Küchenpersonal erinnerte sich, dass du in der Nähe gewesen warst. Du wurdest festgenommen. Beim Lecken an deinen Fingern wurde Zucker festgestellt.«

»Ich bin ganz schön ausgepeitscht worden dafür.« sagte sie schaudernd.

»Das tut mir leid.«

»Wie ich dich dafür gehasst hab!«

»Das tut mir leid.«

»Ich war das Erste Mädchen und du die Letzte im Gehege.« sagte sie. »Jetzt sind wir beide nur noch Arbeitssklavinnen, beide nur noch gewöhnliche Schlampen der Schwarzen Kette des Ionicus.«

»Du bist immer noch das Erste Mädchen von uns zwei.«

»Das stimmt.« lächelte sie.

»Darf ich dich trotzdem beim Namen nennen?«

»Nicht, wenn Herren zuhören«, sagte sie, »ich habe keine Lust, eine Woche auf dem Bauch zu schlafen.«

»Nein!« lachte ich.

Sie konnte nicht lesen und schreiben, aber sie war eine schöne, hochintelligente Frau. Außerdem spürte ich, dass sie sich seit Brundisium und Samnium sehr verändert hatte. In den letzten Tagen hatte sie sich um mich gesorgt. Mir war nicht ganz klar, wie das gekommen war. Vielleicht hatte sie Mitleid mit mir, die ich nur eine Sklavin war, genauso hilflos wie sie, aber wegen der Arbeit für meinen früheren Herrn, Tyrrhenius aus Argentum, viel gefährdeter. Aber ich glaube, es hatte mehr mit demjenigen zu tun, der der letzte an der Kette war, der einmal der zweite unter unserem früheren Herrn, Hendow von Brundisium, gewesen war, mit Mirus.

»Wir sollten vielleicht die Gruppe wieder einholen.« sagte ich unruhig.

Sie sah sich um.

»Ja«, stimmte sie zu, »hier ist es so einsam.«

Ich erhob mich mühsam und holte die Tasse wieder, die ich an ihrem Strick um meinen Hals hing. Ich würde sie im Tank säubern. Dann warf ich mir den Wassersack an ihrem Riemen auf den Rücken.

»Da ist noch etwas.« sagte sie.

»Was denn?«

»Es wurden auch zwei Mädchen gestohlen.«

»Mädchen wie wir?«

»Ja.«

»Arbeitssklavinnen?«

»Ja.« sagte sie.

»Aber sie sind nicht gefressen worden?«

»Soweit ich weiß nicht.«

»Irgend jemand könnte auch uns stehlen.« sagte ich.

Sie zuckte zusammen.

»Ich nehme an«, sagte sie dann, »dass unsere Herren ihr Eigentum schützen werden.«

»Die Vorfälle haben sicher nichts miteinander zu tun.« sagte ich.

»Vielleicht nicht.« stimmte sie zu.

»Lass uns losgehen.« forderte ich sie auf.

»Soweit ich es verstanden habe«, sagte sie, »sind in Venna viele wegen des Mordes und der mysteriösen Fußspuren besorgt. Manche glauben, es wäre ein Omen oder eine Warnung. Der Regent hat schon Auguren befragt, was die Zeichen zu bedeuten haben.«

Ich wartete im Sand auf sie.

»Sie machen sich natürlich auch Sorgen wegen der illegalen Dinge, die geschehen sind.« redete Tupita weiter. »Zum Beispiel sollen die in der Kette, die keine Verbrecher sind und für die Ionicus keine Gefängnispapiere hat, erst einmal aus der Gegend weggebracht werden. Das würde viele der Herren unserer Kette betreffen.«

Ich nickte. Das schien mir verständlich zu sein. Der Regent von Venna war sicher interessiert daran, sein Haus in Ordnung zu bringen, bevor er Schutz beanspruchte. Er würde gerade unter dem Gesichtspunkt der Beruhigung möglicher Besorgnisse in seiner Wählerschaft eine Politik der peinlich genauen Korrektheit besonders in einer solchen Situation befolgen.

»Wohin gehen wir?« fragte ich.

»Wahrscheinlich nicht weit und nur eine Woche oder so, bis die Spuren identifiziert sind.« antwortete sie. »Unsere Kette soll wahrscheinlich in der Nähe der Viktel Aria südlich von Venna Gräben säubern und vertiefen. Wir werden später zurückkehren, wenn sich die Dinge beruhigt haben.«

»Wie weit südlich?«

»Wahrscheinlich nicht weit.«

»Hinter der Verteidigungslinie?«

»Wahrscheinlich nicht.« sagte sie. »Warum? Hast du Angst, gestohlen zu werden?«

»Eigentlich nicht.«

»Wenn ich du wäre«, sagte sie, »würde ich mir wünschen, gestohlen zu werden. Du gehörst nicht in eine Arbeitstunika. Du solltest eine Seidenschnur tragen und die Füße eines Mannes küssen und lecken.«