»Sie konnten sich wegen der Kriegswirren aus ihrer Gefangenschaft befreien?« fragte der Anführer.
»Ich glaube nicht, dass sie gefangen gehalten wurden.« erwiderte der Kleine.
»Sie wurden als Haustiere gehalten?« fragte der Anführer beeindruckt.
»Nein.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich hatte mein Lager nicht weit von Corcyrus aufgeschlagen.« erzählte der kleine Mann. »Ich hatte gehofft, billig etwas aus der Beute der Soldaten zu kaufen. Die Bestien kamen in mein Lager. Ich glaube, sie hatten Nahrung gewittert. Ich warf ihnen schreckerfüllt meine Lebensmittel vor. Damals habe ich sie zum ersten Mal getroffen, vorher hatte ich von solchen Bestien noch nie gehört.«
»Seitdem sind sie bei dir?«
»Ja.«
»Seht doch.« sagte einer der Männer, auf die Bestie zeigend.
Nach seinem Ausruf blickte die Bestie neugierig zu ihm. Er wich zurück. Die Pfote der Bestie hatte den Geldbeutel eines der getöteten Männer hervorgeholt und zerriss deren Lederriemen. Dann, während sie zu den Männern sah, machte sie das gleiche bei der anderen Leiche.
»Du hast sie zum Stehlen ausgebildet.« stellte der Anführer erschrocken und bewundernd fest.
Die Bestie öffnete die Geldbeutel und schüttete den Inhalt in seine Pfote. Dann schüttete sie die Münzen von einer Pfote in die andere. Für solch eine große Bestie war sie sehr geschickt. Ihre Pfoten waren eindeutig sehr hoch entwickelt. Ich sah das mit Schrecken.
Die Bestie schüttete die Münzen dann in einen der Geldbeutel und warf ihn vor den kleinen Mann auf die Decke.
»Sie finden, was von Wert ist und geben es mir.« sagte der. »Wie du dir vorstellen kannst, wäre es schwierig für sie, eine Stadt zu betreten, zum Markt zu gehen und einzukaufen.«
»Ich verstehe nicht«, stammelte der Anführer erbleichend, »das sind doch Tiere, Bestien!«
»Ja.«
»Es ist schwer zu glauben, dass solche Bestien in Corcyrus Haustiere waren.«
»Sie waren keine Haustiere.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Sie waren Verbündete.«
»Wer ist hier der Kapitän?« fragte der Anführer furchterfüllt.
Da erhob sich die Bestie hinter den Leichen. Sie war etwa acht Fuß hoch und musste acht- oder neunhundert Pfund wiegen. Reißzähne ragten zu beiden Seiten aus ihrem Maul, in man eine Doppelreihe Zähne sah. Ihr Maul war blutverschmiert. Sie wischte es mit einer ihrer langen Arme ab. Sie sah den Anführer der Männer an.
»Ich bin der Kapitän.« sagte sie.
»Verschone uns.« flehte der Anführer. »Nimm unser Geld! Lass uns am Leben!«
Er holte seinen Geldbeutel heraus und warf ihn hastig und furchtsam auf die Decke, neben den anderen Geldbeutel, der das Geld der beiden getöteten Männer enthielt. Die zwei ihm verbliebenen Männer machten es ebenso.
»Nein, nein«, sagte der kleine Mann, »du verstehst nicht. Wir wollen euch nichts tun. Du warst es, der nicht fair mit uns handeln wollte. Wir haben jetzt genug Fleisch, wenn ich auch anderes Fleisch vorgezogen hätte. Er hat nur dass genommen, auf das wir uns, wie wir alle sehr gut wissen, geeinigt hatten. Er hat nur das genommen, was uns zusteht. Wir wollen nur fünf Silber-Tarsks für jede dieser Frauen.«
»Wir wollen sie nicht mehr.« sagte der Anführer.
»Sei nicht albern.« entgegnete der kleine Mann.
Er nahm den Geldbeutel des Anführers, holte einige Münzen heraus und legte sie als kleinen Stapel auf die Decke. Es waren fünf Stapel, jeder bestand aus fünf Silber-Tarsks. Dann gab er dem Anführer seinen Geldbeutel zurück. Die anderen zwei Männer bekamen ihre ebenfalls zurück.
»Das Geld der anderen beiden«, sagte der kleine Mann, »behalten wir als Strafe.«
»Natürlich.« stimmte der Anführer eilig zu.
Ich glaube, sie wünschten alle, sie könnten sich einfach umdrehen und wegrennen.
»Habt keine Angst«, sagte der kleine Mann, »er wird euch nichts tun. Er ist freundlich.«
Die Bestie hob ihren Kopf, ihre Ohren waren aufgestellt. Aufmerksam und sorgfältig schnüffelte sie in der Luft. Ich vermutete, dass solch ein Ding ungewöhnlich scharfe Sinne hatte. Ich dachte daran, wie mühelos es sich in der Nacht orientiert hatte. Und ich dachte an seine Wildheit und Stärke. Außerdem hatte ich gesehen, dass es das Geld gezählt hatte. Ich hatte es sprechen hören. Es konnte Gitterstäbe verbiegen. Es konnte Männer töten. Solch eine Bestie, fürchtete ich, war eine dominierende Lebensform. Wie klein und schwach Menschen gegenüber solch einem Ding erschienen. Wie ich damals um meine Art fürchtete!
Ich wollte jetzt so schnell wie möglich an die Räuber verkauft und im geschlossenen Sklavenwagen von diesem Ort weggebracht werden. Würde ich dort geschützt sein, oder konnte solch ein Ding die Eisenplatten abreißen, um an uns heranzukommen? Ich hatte keine Erlaubnis zu sprechen und traute mich nicht, zu fragen. Wenn ich sprechen dürfte, würde ich darum flehen, vom Geländer losgemacht zu werden und mich den Herren unterwerfen zu dürfen, nur um von diesem Ort wegzukommen.
»Was ist?« fragte der kleine Mann die Bestie.
»Sleen.« antwortete sie.
»Sind Männer dabei?« fragte der kleine Mann besorgt.
»Nein.«
»Dann ist es ein wilder Sleen.«
»Mittag ist vorbei«, mischte sich der Anführer der anderen Männer ein, »das ist recht spät für einen Sleen.«
Der Sleen ist eigentlich ein nachtaktives Tier.
»Er folgt vielleicht Tabuks Spur von letzter Nacht.« vermutete der kleine Mann.
Ich zog am Seil, mit dem meine Handgelenke gefesselt waren. Es war immer noch feucht, weil ich, während ich aus dem Brunnen gezogen wurde, damit geknebelt worden war. Ich wand mich auf meinen Knien, mein Hals war an das Geländer gebunden. Wenn dort draußen ein Sleen war, wären wir ihm völlig hilflos ausgeliefert. Wir könnten nicht einmal wegrennen. Es war, als wären wir auf eine Fleischbank gebunden.
»Wir sind erst in die Gegend gekommen, als es schon hell war.« bemerkte einer der Männer des bärtigen Anführers.
Aus dieser Bemerkung schloss ich, dass es unwahrscheinlich war, dass das Tier hinter uns her war. Ein Sleen folgt gewöhnlich der ersten Spur, die es während der Jagd aufspürt, und bleibt dann hartnäckig auf ihr. Es gibt Erzählungen darüber, wie ein solches Tier einer Spur inmitten anderer Tiere oder Männer folgt und sich durch nichts ablenken lässt.
»Sleen greifen selten Gruppen an.« beruhigte sich der Bärtige. »Sie bevorzugen Einzeltiere.«
Nach dieser Bemerkung schöpfte ich wieder etwas Mut.
»Wir sollten die Frauen wegbringen.« sagte der Anführer. »Wir sind schon zu lange an diesem Ort.«
Ich war erfreut, das zu hören. Selbst wenn ich eine freie Frau und nicht nur eine Sklavin gewesen wäre, ich hätte eifrig mitgemacht, auch wenn meine Glieder gefesselt blieben, hätte ich mein Hals für den Kragen vorgestreckt.
»Löst ihre Fußfesseln.« befahl der Anführer.
»Seht.« rief da einer der Begleiter des kleinen Mannes und zeigte über die Wiese.
Einer der zwei Männer des Anführers hatte sich gerade vorgebeugt, um die Knoten von Tupitas Fußfesseln zu lösen, als er wegen dieses Ausrufs innehielt. Er richtete sich auf und schirmte seine Augen mit einer Hand ab. Zwei Bestien näherten sich, zweifellos die Begleiter derjenigen, die bei uns stand. Eine stieß einen Mann vor sich her. Die andere schleifte etwas hinter sich durch das Gras, einen Gürtel, an dem eine Scheide mit einem Schwert befestigt war.
»Nein!« schrie Tupita leidvoll auf.
Der Mann, der von der Bestie vorwärts gestoßen wurde, sah sie ärgerlich an. Ich wich ein wenig zurück, bis das Geländer hart gegen meinen Nacken drückte. Ich sah, wie er mich frustriert und hasserfüllt musterte.