»Töte ihn.« befahl der Bärtige seinem Begleiter.
»Nein!« protestierte Tupita.
»Nein.« sagte auch der Mann.
»Er ist hilflos.« sagte der Bärtige.
»Mach es selbst, wenn du es willst.« sagte der verwundete Mann.
»Also gut.« sprach der Bärtige.
»Bitte nicht!« flehte Tupita.
Der Bärtige betrachtete sie amüsiert.
»Bitte nicht.« weinte sie.
»Was bedeutet er für dich?« erkundigte er sich.
»Ich liebe ihn!« schluchzte sie.
»Ah ja.« sagte er belustigt.
»Tu ihm nichts«, schluchzte Tupita, »ich mache alles für dich!«
»Glaubst du, du bist eine freie Frau«, fragte er, »die um das Leben ihres Liebhabers feilschen kann, die all ihr Glück aufgeben kann, um ihn überleben zu lassen, die sogar bereit ist, sich auszuziehen, zu meiner Sklavin zu werden und mir uneingeschränkt zu dienen, wenn ich bereit bin, ihn zu schonen?«
»Nein, Herr«, schluchzte sie, »ich bin keine freie Frau.«
»Willst du mit mir feilschen?« erkundigte er sich.
»Nein, Herr.«
»Besitzt du irgendetwas, um mit mir zu handeln?«
»Nein, Herr«, schluchzte sie, »aber ich flehe dich an, ihn zu verschonen!«
»Glaubst du, dass ich hier weggehe, wenn ich einen Feind hinter mir lasse?«
»Bitte, Herr!« flehte sie.
Mirus betrachtete den Bärtigen, er war noch immer halb bewusstlos. Er konnte sich nicht erheben.
»Wie es aussieht«, sagte der Bärtige belustigt, »kam er hierher, um sich das Blut einer Sklavin zu holen, und wenn ich mich recht an seine Blicke erinnere, war es diese Sklavin.«
Er deutete auf mich.
»Ist das nicht so, meine Liebe?«
»Ja, Herr.« antwortete ich.
»Dann haben wir dir das Leben gerettet.« stellte er fest.
Ich nickte. Es stimmte, sie, oder die Bestien, hatten das getan.
»Wenn wir ihn hier lassen und er erholt sich wieder«, sagte er, »vermute ich, dass er sein Ziel weiter verfolgt, er scheint ja ein sehr entschlossener Mann zu sein.«
»Ja, Herr.« stimmte ich zu.
Das erschien in der Tat ziemlich wahrscheinlich.
»Du hast ihren Hals vom Geländer gelöst«, fuhr der Bärtige, an Tupita gewandt, fort, »anscheinend wolltest du sie befreien. Also gut, dann befreie sie jetzt vollständig.«
»Bitte nicht.« sagte Tupita.
»Keine Angst«, entgegnete er, »sie wird nicht lange frei sein.«
»Bitte.« schluchzte Tupita.
»Los!« befahl der bärtige Mann.
Tupita kam weinend zu mir an das Geländer. Schluchzend und unter Schwierigkeiten befreite sie meine Knöchel. Dann schien es, als ob sie meine Handgelenke nur widerwillig befreien wollte.
»Callisthenes kommt her.« bemerkte der Mann, der seinen Arm hielt.
Er spähte über die Wiese.
»Er will nachsehen, welchen Grund die Verzögerung hat.« erklärte der Bärtige dem kleinen Mann. »Wir hatten ihn mit Alcinous und Portus im Sklavenwagen gelassen.«
Der sich nähernde Mann zögerte, was wegen des Anblicks der Bestie verständlich schien. Als er aber sah, dass seine Freunde neben ihr standen und ihn heranwinkten, kam er näher, wenn auch mit einiger Vorsicht.
»Was ist passiert?« fragte er. »Was ist das?«
»Beachte es nicht«, antwortete der bärtige Mann leichthin, »es ist freundlich gesinnt.«
»Hier hat es einen Kampf gegeben.« erklärte der andere Mann.
»Alcinous und Portus kommen auch her.« sagte der Neuankömmling. »Es wird bald dunkel sein.«
Er betrachtete Borkos Körper im Gras. Das Stachelhalsband war ihm von der zweiten Bestie abgerissen worden.
»Hier scheint es Sleens zu geben.« sagte er.
»Das ist ein gezähmter Sleen.« erklärte der kleine Mann.
»Unser Freund hier hat ihn getötet.« bemerkte der verwundete Mann ironisch und deutete auf die Bestie, die Borko erschlagen hatte.
»Für diese hier hat es sich doch gelohnt zu warten, oder?« fragte der Bärtige und deutete auf uns.
Die Augen des Neuankömmlings glänzten.
»Ausgezeichnete Sklavinnen.« bemerkte er.
»Und sie sind bestimmt mindestens fünf Silber-Tarsks pro Stück wert.« warf der kleine Mann ein.
»Mindestens.« stimmte der Neuankömmling zu.
»Solide, harte Silber-Tarsks.« sagte der Kleine.
»Sicher.« bekräftigte der Neuankömmling.
Der kleine Mann sah den Bärtigen an.
»Mit diesen zwei hatten wir einigen Ärger«, erklärte der und deutete auf Hendow und den ausgestreckt daliegenden Mirus, »aber jetzt ist von ihnen nichts mehr zu befürchten.«
Der Neuankömmling sah sich besorgt um.
»Ist am Wagen alles in Ordnung?« fragte der Bärtige.
»Ja.« antwortete der Neuankömmling. »Vor ein paar Ahn kam ein Reisender die Straße entlang, aber der ist schon wieder weg.«
»Geh zum Wagen zurück«, befahl der Bärtige, »und sage Alcinous und Portus, dass wir gleich dort sein werden.«
Der Mann drehte sich um und ging über die Wiese zurück. Ich nahm an, dass der Wagen im Gehölz ein Stück weg von der Straße versteckt war. Der Arm des Verwundeten hatte aufgehört zu bluten oder jedenfalls fast. Mit einer Hand und den Zähnen zerriss er seine Tunika und band die Stoffstreifen um seinen Arm. Es kam etwas Blut durch den Stoff, aber nur sehr wenig, nur ein kleiner Fleck und dann nichts mehr.
Er sah auf mich herunter. Ich war immer noch auf meinen Knien. Tupita hatte aufgehört, meine Handfesseln zu lösen, als der Mann gekommen war. Meine Hände waren noch hinter meinem Rücken gefesselt. Er war es gewesen, der mich schon vorher, während der Verhandlungen, betrachtet hatte. Wieder genauso erschrocken spreizte ich meine Knie weiter. Meine Beziehungen zu ihm waren nur zu klar. Er grinste und ich senkte wieder den Kopf. Ich dachte daran, wie die Augen des anderen Mannes, der vom Wagen, uns alle abgeschätzt hatten.
»Bist du noch nicht fertig damit, ihre Fesseln zu lösen?« fragte der Bärtige.
»Verzeih mir, Herr.« entschuldigte sich Tupita und beugte sich schnell wieder über meine Fesseln.
Es war schwer für sie, die Knoten zu lösen, weil ein Mann sie geknüpft hatte.
»Dumme, langsame Sklavin.« schimpfte der Bärtiger und stellte sich hinter mich.
Er stieß Tupita beiseite und legte sein Schwert ins Gras. Dann löste er die Knoten. Weil er das Seil nicht einfach durchschnitt, vermutete ich, dass ich damit später wieder gefesselt werden sollte. Er nahm sein Schwert wieder auf. Dann trat er zurück und bedeutete mir, aufzustehen. Ich tat es, unsicher, weil ich so fest gefesselt gewesen war.
Ich stand vor dem Geländer. Tupita war hinter mir, halb unter dem Geländer, wohin sie gestoßen worden war. Sie lag verängstigt halb auf der Seite. Sie war sehr schön, die Brüste entblößt, ihr Hals in Ionicus’ Kragen, um ihre Hüften und Schenkel die Reste ihrer Arbeitstunika, die Tunika, von der sie ein Stück für mich geopfert hatte. Tela war unglaublich begehrenswert in ihrem Stück roter Seide, dass sie auf Befehl von Aulus trug, und Mina und Cara waren kaum weniger schön, noch immer links von mir mit ihrem Hals ans Geländer gefesselt.
»Tritt vor, meine halbnackte Schöne.« sagte der Bärtige schmeichlerisch mit einer Handbewegung.
Ich trat ein Stück vor.
»Dort«, sagte er und zeigte grinsend auf Mirus, »ist der Mann, der dich verfolgt hat, der auf dein Blut aus war.«
Ich blickte auf Mirus.
»Was für eine glückliche Sklavin du doch bist, ihn jetzt in deiner Gewalt zu haben.« sprach er weiter.
Ich sah ihn an. Ich verstand ihn nicht richtig. Sie wollten mich doch sicher nicht gehen lassen. Er hatte zu Tupita gesagt, ich würde nicht lange frei sein. Außerdem würden sie sicher keine Rücksicht auf mich nehmen. Sie hatten fünf Tarsks für mich bezahlt, Silber-Tarsks.
»Wenn du dich erholst, wirst du sie wieder verfolgen, oder?« fragte er, neben ihm niederkauernd, Mirus.
Mirus erwiderte seinen Blick schwach, aber wütend und stolz.
»Ja«, antwortete er, »das würde ich.«