Ich sah nach links. Der Mann, der mein Gesicht in den Haferbrei gedrückt hatte, blickte in meine Richtung. Schnell beugte ich mein Gesicht zurück in den Trog und drückte es in den Brei. Die Fütterungszeit war fast vorbei. Ich achtete nicht sehr auf den Haferbrei, er war geschmacklos und flau. Ich aß ihn, weil mir das befohlen worden war. Außerdem war ich hungrig, und er war unbestreitbar nahrhaft. Er wie andere Bestandteile unsere Diät, die Früchte, das Gemüse und die runden Pellets, die wir bekamen, schienen unsere Körper schlanker und gesünder zu machen. Der Haferbrei reichte für uns, nahm ich an. Er war eindeutig eine Art Tierfutter. Ich wagte einen Blick nach links und sah erschrocken, dass der Mann in meine Richtung ging. Schnell drückte ich mein Gesicht zurück in den Trog und widmete mich dem Brei. Ich fühlte, dass er jetzt hinter mir stand und bemühte mich, schnell und viel zu essen. Dann hörte ich endlich den Gong erklingen, der das Ende der Fütterungszeit anzeigte. Sofort zog ich meinen Kopf aus dem Trog, lehnte mich kniend zurück auf meine Fersen, machte einen geraden Rücken und sah geradeaus. Wenn der Gong zu hören ist, müssen die Mädchen sofort aufhören zu essen und diese Stellung einnehmen. Augenblicklicher Gehorsam ist für uns selbstverständlich.
Ich hörte, wie der Mann weiterging. Ja, er hatte hinter mir gestanden. Ich atmete auf. Ich aß jetzt ziemlich gut. Sie hatten in dieser Hinsicht keinen Ärger mehr mit mir. Vor einer Woche hatte ich mich geweigert zu essen. Nicht weil ich hungern oder gar sterben wollte, wie einige der Erdenmädchen meiner Gruppe in ihrem eigenen Fall hysterisch verkündet hatten, und auch nicht, weil ich Schwierigkeiten machen wollte. Es war unter anderem ein Experiment. Ich wollte sehen, was sie tun würden. Außerdem, denke ich, wollte ich die Grenzen bestimmen, wollte wissen, was ich machen konnte und was nicht. Ich wollte die Natur und das Ausmaß der Disziplin, der ich unterworfen war, kennen lernen. Ich wollte etwas über die Begrenzung meiner Welt erfahren. Ich wollte wissen, wo die Zäune waren, den Standort der Mauern erspüren. Ich fand es heraus.
Sieben von uns machten mit. Unsere Anführerin war eine kleine, mollige Blondine, die an der Westküste der Vereinigten Staaten als politische Kolumnistin für eine kleine Vorortzeitung gearbeitet hatte. Sie hatte einen College-Abschluss in Politikwissenschaft.
Wir wurden sofort festgenommen, alle sieben. Drei von uns, unsere Anführerin und ihre zwei Freundinnen, wurden gleich öffentlich in Käfige am Fütterungsplatz gesperrt. Der Rest wurde dort an einer Wand an niedrige »Sitzstangen« gefesselt, das waren Plattformen mit »T«-Balken, jede mit einem Ring an der Rückseite. Solche Einrichtungen gibt es in diesen Häusern oft, sie werden gewöhnlich als Pranger und zur Disziplinierung benutzt. Unsere Fußgelenke wurden in Lederfesseln hinter den senkrechten Pfosten gesteckt. Unsere Arme wurden über die horizontalen Pfosten gelegt und vor uns mit Riemen und Lederfesseln festgemacht. Die Köpfe mussten wir zurücklegen, sie wurden in dieser schmerzhaften Position mit unserem Haar an dem Ring hinter dem Pfosten festgebunden. Dann wurden dünnen Schläuche mit einem Druckkolben gebracht. Diese wurden zu unserer Bestürzung und Schrecken durch die Kehle in unseren Magen geschoben. Die Schläuche führten durch schwere Lederbälle, die man uns in den Mund gesteckt hatte. Dadurch konnten wir weder den Mund schließen noch auf die Schläuche beißen. Dann wurde Nahrung in unsere Mägen gepumpt und die Schläuche schließlich wieder herausgezogen. Wir konnten das Essen nicht wieder loswerden, selbst wenn wir gewollt hätten. Unsere Hände waren gefesselt.
Wir sahen einander an. Manche der Mädchen hatten Tränen der hilflosen Enttäuschung in den Augen. Ohne Erlaubnis der Männer konnten sie nicht einmal den Hungertod wählen. Ich fühlte aber weniger hilflose Wut und Niedergeschlagenheit als Bestätigung, Bewunderung und Respekt. Ich freute mich darüber, so schrecklich das klingen mag, wie stark diese Männer waren und wie völlig hilflos ich ihnen ausgeliefert war. Keine von uns provozierte eine zweite Demonstration ihrer Macht. Wir liefen danach immer möglichst schnell zum Trog.
Die anderen drei Mädchen, die in die Käfige gesperrt waren, wurden nicht gefüttert. Bald bettelten die zwei Freundinnen der Anführerin um Essen. Es schien, als wollten sie gar nicht wirklich sterben. Außerdem war klar, dass die Männer ihnen das einfach erlauben würden, wenn sie es wollten. Erst nach zwei Tagen wurden die beiden Mitleid erregenden und flehenden Mädchen zur Fütterungszeit aus ihren Käfigen gelassen, um gefüttert zu werden.
Die blonde Anführerin bettelte dann auch um Futter. Sie ließen sie weitere drei Tage hungern. Dann steckten sie sie in einen winzigen Käfig, in dem sie sich kaum bewegen konnte, und fütterten sie alle zwei Stunden mit schwerer, üppiger Nahrung, sie benutzten dazu die Schläuche und den Ball und den grausamen Druckkolben, um sie mit fettiger Nahrung und Sahne, die sie aber wegen der Schläuche nicht schmecken konnte, abzufüllen. Bald wurde sie Mitleid erregend fett. Sie wurde dann aus unserer Gruppe entfernt. Manche Männer, wurde uns gesagt, lieben solche Frauen und sie würde für den »Tahari-Handel« vorbereitet. Das schien die einheimischen Mädchen unter uns zu erfreuen. Die Erdenmädchen, wie ich, verstanden die Anspielung nicht.
Der Gong ertönte noch einmal und wir erhoben uns und wandten uns zur Tür. Als ich zur Tür kam, wurde ich von einer Peitsche aufgehalten. Die Reihe stockte einen Augenblick, ich ging schnell zur Seite und kniete mich mit geraden Rücken und geöffneten Knien nieder. Die Reihe bewegte sich weiter. Ich war mit der Peitsche ausgesondert worden. Das Vorhängeschloss hinter meinem Rücken machte ein leises Geräusch, als es gegen das wie ein »U« geformte Teil meines Gürtels schlug, das zwischen meinen Beinen befestigt war. Ich korrigierte sorgfältig meine Stellung.
Ich kniete vor einem Mann. Die Peitzsche wurde mir entgegengestreckt, ich küsste sie ehrerbietig und zog dann meinen Kopf zurück.
»Dein Unterricht läuft gut, Doreen.« sagte der Mann.
Das war jetzt mein Name, nur »Doreen«, weiter nichts. Ich sah zu ihm auf.
»Sogar sehr gut.« fuhr er fort.
Ich konnte ihn verstehen. Sicher ließ mein Verständnis dieser Sprache noch immer viel zu wünschen übrig. Es gab immer noch viele, sogar gebräuchliche Wörter, die ich nicht kannte und manchmal konnte ich sogar einfachen Sätzen nicht folgen. Ich glaube aber, es ließ sich nicht leugnen, dass meine Fortschritte beachtlich waren. In dieser Hinsicht war ich die Schnellste meiner Schwestern von der Erde. Aber alle von uns machten sich gut. Das lag nicht nur an der Häufigkeit und der Intensität unserer Unterrichtsstunden und unserem Hineinfinden in eine Umgebung, wo diese Sprache nun einmal gesprochen wurde, nein, es lag auch an unserer Motivation. Wir wollten diese Sprache erlernen. Wir waren begierig darauf, sie zu erlernen. Wir wussten, dass nicht nur die Art und Qualität unseres Lebens auf dieser Welt, sondern vielleicht unser Überleben von unseren Erfolg abhing, diese Sprache zu verstehen und zu sprechen. Außerdem hatten wir oft private Instrukteurinnen. Diese Mädchen, obwohl sie wie wir einen Kragen trugen und zweifellos ebenso gebrandet waren, trugen kurze Tuniken, die sie unermesslich weit über uns erhoben. Wie wir sie beneideten! Sie trugen außerdem lange, weiche, geflochtene Lederreitpeitschen. Die benutzten sie an uns, wenn sie mit unseren Antworten oder unseren Fortschritten nicht zufrieden waren. Ich war auch gepeitscht worden, aber nicht oft. Meine Instrukteurin hieß Tina, diesen Namen hatte sie auf dieser Welt erhalten. Ich weiß nicht, wie sie eigentlich hieß. Sie stammte aus Pittsburgh. Ich glaube, sie war eine gute Instrukteurin, sie hat mir viel geholfen. Einen Teil meines Erfolgs, da bin ich sicher, habe ich ihr zu verdanken. Sie war als eine der besten Instrukteurinnen bekannt und mir zugeteilt worden. Sie war anspruchsvoll. Mehr als einmal hatte ich ihre Peitsche gefühlt.