Ich war zu dieser Zeit jedoch noch zu schüchtern, um mich vor Mirus auszuziehen. Das zu tun wäre peinlich und demütigend. Ich war noch keine schamlose Schlampe. Ich hatte noch nie eine Taverne betreten.
Ich begriff, dass meine Einstellung etwas irrational war. Mirus hatte mich schließlich schon nackt gesehen. Eigentlich hatte er mich sogar noch nie angezogen gesehen. Er war übrigens derjenige, der mir in diesem Haus Sklavenhaube und Knebel entfernt hatte. Ihm hatte mein Gesicht gefallen. Er hatte die Stricke von der Decke entfernt, die mich rundherum gefesselt hatte, hatte die Decke zurückgeschlagen und zusammengefaltet, als ob ich ein Geschenk wäre.
»Großartig«, hatte er gesagt, was mich erfreut hatte, »bist du von weißer Seide?«
»Ja, Herr.« hatte ich geantwortet und war vor ihm zurückgewichen.
Er hatte mich dann in den Keller gebracht, hatte die Handfesseln entfernt, mich auf Hände und Knie gestellt und, sie hinter mir verschließend, mich in meine Hundehütte gestoßen. Warum war mir dann der Gedanke daran, dass ich mich vielleicht in seiner Gegenwart ausziehen müsste, peinlich und demütigte mich? Ich war mir nicht sicher. Ich glaube, es war deswegen so, weil ich mich noch nicht endgültig mit meinem Sklaventum abgefunden hatte. Ich war noch keine schamlose Sklavin. Ich war zu dieser Zeit noch nie in eine Taverne gebracht worden. Vielleicht bildete ich mir damals noch ein, dass meine volle Schönheit nur meinem Herrn vorbehalten und nicht für andere bestimmt sei. Natürlich war mir auch zu dieser Zeit immer bewusst, dass Hendow Eigentümer einer Taverne war und dass schon deshalb meine Schönheit nicht nur für ihn bestimmt war, sondern, wenn ihm das passte oder ihm gefiel, auch für seine Gäste.
»Sie sieht reizvoll aus in dem Gewand, nicht?« fragte Hendow.
Ich glaubte, dass er stolz auf mich war.
»Ja.« antwortete Mirus.
Ich fühlte wieder, wie sich Freude in meinem Körper ausbreitete. Ich sah verlegen lächelnd zu Boden. Ich war mir sicher, dass mein Herr mich mochte. Ich glaubte nicht, dass er mir befehlen würde, mein Gewand vor Mirus auszuziehen. Ich dachte daran, dass er für mich auf dem Markt den höchsten Preis aller Mädchen bezahlt hatte. Ich war wertvoll. Ich würde eine hochgestellte Sklavin sein!
»Weißt du, Doreen«, fragte mein Herr, »was das für eine Tunika ist?«
»Nein, Herr.«
»Es ist eine Küchen-Tunika.« sagte er.
Ich sah ihn erschrocken an.
»Bring sie in die Küche.« sagte er zu Mirus. »Bring ihr bei, Töpfe und Pfannen zu scheuern.«
»Ja, Hendow.« antwortete Mirus.
Dann drehte er sich um.
»Komm, Sklavin.« befahl er.
Schnell fiel ich vor Hendow auf die Knie, der im großen Sessel auf dem Podium saß, beugte meinen Kopf zum Teppich, meine Handflächen lagen neben meinem Kopf auch auf dem Teppich, in der Stellung der Sklavenhuldigung. Dann sprang ich auf, drehte mich um und eilte hinter Mirus her, der schon am Ende des Teppichs neben dem Ausgang war.
»Mirus.« rief Hendow.
Mirus sah zurück zum Podium.
»Sorge dafür, dass ihr Tanzunterricht weitergeht.«
»Das wird geschehen, Hendow.«
»Und verdopple die Stundenzahl.«
»Ja, Hendow.«
Mirus drehte sich dann nach links. Ich fiel am Ende des Teppichs wieder auf meine Knie und huldigte meinem Herrn als Sklavin. Dann sprang ich wieder auf und eilte hinter Mirus her. Er würde mich in die Küche bringen, wo ich arbeiten sollte.
11
Die Lotterie – Der Alkoven – Die Hundehütte
Ich wartete verängstigt auf der Schwelle, das Tuch um mich haltend. Ich lehnte mich an die Wand, meine Augen schlossen sich einen Augenblick. Hinter der Schwelle hörte ich die Unterhaltung von Männern, die mit gekreuzten Beinen an niedrigen Tischen saßen.
Die Bibliothek schien unendlich weit weg zu sein. Über der Schwelle hing ein Perlenvorhang. Ich lauschte auf die Männerstimmen. Manchmal, hatte ich gehört, werden Mädchen vor Nächten wie diesen sitzend oder liegend in engen Fesseln angekettet, so dass sie sich kaum bewegen können. Außerdem tragen sie dann tagelang vorher das Sirik. Ich war sehr selten im Sirik gewesen. Nur während der Ausbildung hatte ich ein- oder zweimal eins getragen, so dass ich wusste, wie wenig Bewegungsfreiheit ich darin gehabt hatte und wie ich mich trotzdem bewegen musste, wenn es etwas breiter eingestellt war, um den Herren zu gefallen. Der ganze Sirik bestand aus einem Kragen und drei Ketten. Eine dieser Ketten war lang, am Kragen befestigt und hing hinunter. An ihr waren zwei horizontale Ketten befestigt, eine in Höhe des Bauches, die an Sklavenfesseln, Handgelenksreifen oder -manschetten endete und die andere am unteren Ende der herunterhängenden Kette, die gewöhnlich auf dem Boden schleifte und an Fußfesseln oder Knöchelringen endete. Einige Teile dieser Vorrichtung können natürlich auch separat verwendet werden, zum Beispiel die lange Kette als Halsband, die horizontalen Ketten vielleicht als Sklavenarm- oder Knöchelringe. Außerdem ist bei vielen Siriks die Kettenweite einstellbar. Damit kann die Schrittweite und die Bewegungsfreiheit der Sklavin je nach Laune des Herrn verändert werden. Wie viele Dinge im Leben einer Sklavin wurde auch das von ihm streng geregelt. Bei richtiger Anpassung kann sich die Sklavin mit Grazie und Schönheit bewegen, in manchen Siriks ist es ihr sogar möglich zu tanzen.
Vor der Nacht wird der Sirik eines Mädchens oft so eingestellt, dass sie kaum laufen kann, die untere Befestigung der vertikalen Kette wird zwischen ihre Knöchel verlegt, die dadurch nur drei oder vier Zoll auseinander gehen können und ihre Handgelenke werden dann vor ihrem Körper eng aneinander gefesselt. Mein Herr hatte aber in meinem Fall von solchen Vorsichtsmaßnahmen abgesehen. Er wusste, und ich wusste es, dass sie unnötig waren.
Ich lehnte mich mit geschlossenen Augen gegen die Mauer. Ich hielt das Tuch fest um mich. Ich konnte nirgendwohin. Ich war gebrandet und steckte in einem Kragen. Ich war nackt oder doch nur sehr spärlich bekleidet. Es gab niemanden, der mich retten oder befreien konnte. Ich würde versklavt und Eigentum bleiben, für jeden, der mich besitzen wollte, wie ein Hund oder ein Pferd. Alle Gesetze dieser Welt würden angewendet werden, um mich zu meinem Herrn zurückzubringen. Außerdem, dachte ich erschaudernd, als wenn das alles noch nicht genügen würde, war mein Körper, mein Geruch und mein Name in das dunkle, eifrige Gehirn eines schrecklichen Jagdsleens eingeprägt. Nein, ich würde nicht fortlaufen. Wenn mein Herr zu mir käme, um mich in die Arme zu nehmen und auf den Boden zu legen, würde ich hier sein und zwar auf die einzige Art und Weise, in der ich hier sein konnte: wartend und unterwürfig.
Ich lauschte wieder auf das Gemurmel der Männer draußen, die leisen Geräusche ihrer Pokale und Platten und dachte noch einmal an den Sleen.
»Ich denke, du wirst Borko mögen.« hatte mein Herr gesagt, bevor ich die Bestie gesehen hatte, als ich sie im Tunnel hören konnte, bevor sie den Raum betreten hatte. Ich erinnerte mich an den riesigen Kopf, die zwei Reihen von Reißzähnen, die dunkle Zunge, die weit auseinander stehenden Augen, die zustoßende, gestreifte Schnauze und die Klauen. Ich hatte erfahren, dass Borko darauf abgerichtet war, Männer und Sklavinnen zu jagen. Auf ein Wort meines Herrn hatte er sich gehorsam in seinen Stall zurückgezogen. Und ich war sicher, er konnte genauso schnell wieder zurückgerufen werden, um die Befehle seines Herrn, ohne sie in Frage zu stellen, unerbittlich, arglos, erbarmungslos und eifrig zu befolgen. Ich schauderte. Ich war sicher, diese Bestie sorgte wie nichts anderes für Disziplin unter Hendows Frauen in seiner Taverne.