Ich hatte Angst davor, in das Lokal gebracht zu werden. Ich hatte Angst davor, das Leben als Sklavin zu beginnen. Ich hoffte, dass ich zufrieden stellend gefunden würde. Ich hoffte, dass ich nicht zu viel geschlagen werden würde.
Ich öffnete meine Augen und stand dort, gegen die Mauer gelehnt, vor der Schwelle, die in das Lokal führte. Jemand kam zu mir. Ich kniete nieder.
»Bist du in Ordnung?« fragte Mirus.
»Ja, Herr«, antwortete ich, »danke, Herr.«
»Es sieht aus, als hätten wir heute ein gutes Haus.« sagte er, durch den Vorhang blickend.
Ich blieb still.
»Es ist fast die neunzehnte Ahn.« sagte er.
»Ja, Herr.«
»Wir beginnen nicht genau zur neunzehnten Ahn«, sagte er, »Wir lassen sie ein bisschen unruhig werden.«
»Ja, Herr.« flüsterte ich, hielt das Tuch um mich und sah zu ihm auf.
Ich war eine Sklavin in Gegenwart eines freien Mannes. Er ging dann. Ich stand nicht auf. Ich wusste nicht einmal, ob ich stehen könnte. Dort draußen waren Männer, goreanische Männer. Ich musste heute Nacht vor ihnen tanzen und wusste nicht einmal, ob ich überhaupt auf die Füße kommen würde.
Ich hörte, wie sich Sklavenglöckchen aus dem äußeren Zimmer näherten. Ich wollte mich erheben, doch der Perlenvorhang wurde schnell beiseite geschleudert.
»Ach«, sagte Sita, »da gehörst du auch hin, Erdenschlampe, auf deine Knie.«
»Ja, Herrin.« sagte ich zu ihr.
Ich musste alle Sklavinnen in Hendows Haus mit »Herrin« ansprechen. Diese Anweisung würde solange in Kraft bleiben, bis sie je nach meinem Benehmen und meinen Fortschritten in einigen Wochen vielleicht widerrufen würde. So etwas wird manchmal mit neuen Mädchen gemacht. Es hilft, die Disziplin unter uns aufrechtzuerhalten. Wenn die Anweisung irgendwann widerrufen worden war, durfte ich dann alle Mädchen, mit Ausnahme des »Ersten Mädchens«, mit ihrem Namen anreden. Ich würde dann eine von ihnen sein. Tupita war das Erste Mädchen. Wir alle mussten sie »Herrin« nennen. Ich freute mich, dass es nicht Tupita gewesen war, die durch den Vorhang gekommen war und mich auf meinen Knien erwischt hatte, denn dann, da war ich sicher, hätte ich vor ihr knien müssen. Sita mochte mich auch nicht. Sie war eine Verbündete von Tupita und zeigte die anderen Mädchen oft an.
»Heute Abend wirst du lernen, was es heißt, Sklavin zu sein, du Erdenschlampe.« zischte Sita.
»Ja, Herrin.« sagte ich.
Sita ging dann unter Glöckchengebimmel den Korridor hinunter in Richtung Küche. Ich sah ihr wütend hinterher, auf meinen Knien. Sie war auch nur eine Sklavin! Ich hoffte, dass heute Abend ein Mann nicht mit ihr zufrieden wäre und sie ordentlich verprügeln würde. Letzte Nacht hatte ein Kunde Tupita an einen Auspeitschungsring gefesselt und sein Missfallen über ihr Verhalten gezeigt. Sie hatte danach darum gebettelt, ihn in einem Alkoven erfreuen zu dürfen. Er hatte sie erst heute Morgen verlassen. Mirus hatte sie später, irgendwann gegen Mittag, losgekettet.
Ich kroch zum Vorhang und spähte auf meinen Knien hindurch. Jetzt waren noch mehr Männer in der Taverne. Es musste bald die neunzehnte Ahn sein! Ich wich wieder verängstigt und krank hinter die Wand zurück, weg vom Vorhang. Dort draußen, zwischen den Tischen, hatte ich den Tanzboden gesehen. Dort würde ich hingebracht werden. Der Platz für die Musiker war links, wie ich gesehen hatte.
Die Art von Tanz, die ich auf der Erde, aus welchen Gründen auch immer, gelernt hatte, bezeichnete ich am liebsten als »ethnischen Tanz«. Ich hatte ihn gewählt, vielleicht wegen einer Art angeborener unbeherrschbarer Sinnlichkeit oder extremen, tiefsitzenden femininen Veranlagungen oder Begierden oder vielleicht einfach aus einem Gefühl heraus, dass er zu mir und meiner wahren Natur passte. Insgeheim war ich natürlich davon begeistert, hatte es aber kaum gewagt, daran als an »Bauchtanz« oder, wie die Franzosen sagen, an »danse du ventre« zu denken. Sicher sind beide Namen in gewisser Hinsicht einschränkende, falsche Bezeichnungen, da bei diesem Tanz, wie bei anderen Tänzen auch, die Tänzerin ihren ganzen Körper und ihre ganze Schönheit einsetzt.
Ich hatte mich nie viel um den Ausdruck »ethnischer Tanz« gekümmert, da er mir zu allgemein erschien und viele Tanzarten umfasste, die wenig miteinander gemein haben, und nicht immer sexuell stimulierend wirken können. Aber sicher ist für ein kritisches Auge jeder Tanz und jedes Ballettstück sexuell stimulierend. Jene, die Sex hassen und fürchten haben das, glaube ich, besser begriffen als antriebslose und sexuell inaktive Personen.
Auf Gor wird die Art Tanz, die ich aufführen sollte, einfach »Sklaventanz« genannt. Dies vermutlich deshalb, weil es eine Tanzform ist, die, so wird gewöhnlich angenommen, größtenteils nur zu Sklavinnen passt und nur von ihnen aufgeführt wird. Der Gedanke streifte mich, dass die reizvolle Frau, die auf der Erde meine Lehrerin gewesen war, einmal zu mir gesagt hatte »Wir sind alle Sklavinnen«. Ich glaube, das ist wahr. Sicher, nicht alle Frauen sind Sklavinnen vor dem Gesetz. Viele Frauen sind frei, ob das nun ihren Interessen entspricht oder nicht. Diese Tänze, »Sklaventänze«, sind dann auf Gor nichts für sie.
Wenn eine »freie Frau« in der Öffentlichkeit solch einen Tanz aufführte, würde sie sich wahrscheinlich am nächsten Morgen in den Ketten eines Herrn wieder finden. Ihre Freiheit könnte sich dann als ziemlich flüchtig erweisen. Es wäre anzunehmen, dass sie bald durch den neuen und passenderen Status einer Sklavin ersetzt würde, der ihr mit all der Klarheit und Beständigkeit des goreanischen Gesetzes bestimmt und direkt durch den Kragen an ihrem Hals und das Brandzeichen an ihrem Schenkel dokumentiert würde.
»Sklaventanz« ist auf Gor übrigens eine sehr variantenreiche Tanzform. Er umfasst viel mehr als der einfache »ethnische Tanz«, schließt zum Beispiel Tänze wie Jagdtänze, Entführungstänze, Unterwerfungstänze, Kettentänze, Peitschentänze und so weiter ein. Vielleicht würde das, was auf Gor als Sklaventanz aufgeführt wird, auf der Erde als »ethnischer Tanz« zählen, aber in Sklaventänzen steckt sehr viel mehr, zum Beispiel Geschichtentänze, die bei den erotischen Tänzen der Erde selten sind. Andererseits gibt es bei erotischen Tänze auf der Erde Tanzformen, die auf Gor selten zu sehen sind, zum Beispiel einige Formen der Karnevalstänze. Vielleicht sehen Goreaner solche Tänze nicht als »richtige Tänze« an. Ich glaube, sie würde hier eher als kulturell eigenwillige Form des kommerziellen Witzes gelten. Auf keinen Fall würde solch ein Tanz starke Männer erfreuen, wie das Sklavinnen auf Gor, die die Peitsche zu fürchten haben, gelehrt bekommen.
Ich hörte Glöckchen den Korridor entlang kommen. Ich kniete immer noch. Sita kam in Sicht, auf dem Weg zurück ins Lokal. Sie hielt an, sah zu mir hinunter, wie ich verängstigt dort kniete. Sie war nackt, bis auf ihren Kragen und einige farbige, billige Holzperlen, Sklavenperlen, und ihren Glöckchen am linken Knöchel. Sie betrachtete mich, die zu ihren Füßen kniete, verächtlich. Ich sah wütend zu ihr auf. Warum betrachtete sie mich so verächtlich? Ich war bekleidet. Ich hatte ein Tuch um mich. Sie trug nur einen Kragen, ein paar Perlen und Sklavenglöckchen!
»Du bist nackt« sagte ich wütend zu ihr.
Schnell kauerte sie vor mir nieder und riss wütend mit zwei Händen, hier in der Halle, neben dem Vorhang, das Tuch von mir weg und nach unten, über meine Waden.
»So, jetzt bist du es auch!« zischte sie.
Um meinen Hals waren einige Schnüre unterschiedlicher Länge mit großen, farbigen Holzperlen, Sklavenperlen, geschlungen. In gewisser Weise verbargen sie meinen Körper, doch außer meinem Kragen waren sie alles, was ich trug. Dann hörten wir beide mit Schrecken, dass die neunzehnte Ahn schlug. Sita lächelte mich an. Hastig zog ich das Tuch herauf, wickelte es so fest ich konnte um mich und hielt es mit zwei Fäusten an meinem Hals fest. Ich sah sie erschrocken an.