Ich sah sie an.
»Später, Doreen«, sagte Ina lächelnd, »wirst du darum betteln und dich dafür zerreißen.«
Ich hörte die Männer drinnen schreien. Sie schienen wütend zu sein. Dann sah ich, wie Tupita und Sita durch den Perlenvorhang kamen. Sie trugen einige Dinge.
»Streck deine Hände vor.« befahl Tupita.
Das Tuch senkte sich ein wenig. Tupita befestigte eine Ledermanschette an meinem rechten Handgelenk. Sie hatte kein Schloss. Sie wurde mit einer Schnalle geschlossen und hatte einen Karabinerhaken. Sita befestigte eine ähnliche Manschette an meinem linken Handgelenk. Beide hatten lange Lederstricke. Tupita befestigte ihre Leine am Karabinerhaken der rechten Manschette und Sita die andere Leine links. Durch die Karabinerhaken auf den Manschetten konnten beide natürlich miteinander verbunden werden.
Ich sah die Beine eines Mannes. Ich sah hoch und legte dann schnell meinen Kopf zwischen meine Handflächen vor ihm auf den Boden. Tupita und Sita begaben sich auch sofort in diese Stellung der ängstlichen Ehrerbietung vor ihrem Herrn.
»Aufstehen«, befahl der Mann, »alle drei.«
Wir standen dann vor Hendow, unserem Herrn. Hinter ihm stand Mirus. Mirus hatte einen Segeltuchsack hinter seinen Gürtel stecken. Aynur und Tula, zwei von Hendows Mädchen, standen hinter Mirus. Jede von ihnen trug eine tiefe Kupferschüssel. Aynurs Schüssel war leer. Tulas war bis oben hin mit ovalen Ostraka, Losmarken, gefüllt.
»Halte das Tuch enger um dich.« sagte Tupita.
Ich brachte keine weitere Mahnung, um das zu tun. Hendow betrachtete mich besitzergreifend. Ich gehörte ihm. Heute Nacht, so plante er, würde er Geld mit mir verdienen.
»Du hast hübsche Füße und Waden, Doreen.« lobte er.
»Ich danke dir, Herr.« antwortete ich.
Das Tuch, das ich so verzweifelt festhielt, endete etwas unterhalb meiner Knie. Es war aus weißer Seide. Mein Herr stand nahe bei mir. Ich zitterte. Tupita und Sita standen neben mir und hielten die Lederstricke meiner Manschetten. Ina war auch da. Mein Herr griff zum Saum meines Tuches, zog es etwas hinunter und entblößte meine Schultern. Er nahm ein Band aus seiner Börse. Es war ungefähr einen Fuß lang und anderthalb Zoll breit. Er wickelte es um meinen Kragen, steckte es darunter fest und verdeckte ihn dadurch. Das Band war wie das Tuch aus weißer Seide. Ich hörte die Männer drinnen schreien.
»Hab’ keine Angst.« sagte er.
»Nein, Herr.« antwortete ich.
Er nickte Mirus zu. Mirus ging, gefolgt von Aynur und Tula, durch den Perlenvorhang. Einen Augenblick später hörte ich, wie er die aufgebrachte Menge beruhigte. Jetzt kamen fünf der Musiker den Korridor herunter. Sie warteten am Vorhang.
»So etwas habt ihr noch nicht gesehen«, rief Mirus in die Menge, »wer will das Glück des ersten Ostrakon versuchen? Jedes nur ein Tarsk! Wer ist der Erste? Du? Ja! Und du bist der Zweite! Der Dritte! Ja! Und du! Und du!«
Ich hörte ihm beim Verkauf der Ostraka zu.
»Manche Männer«, bemerkte Hendow, »glauben, die ersten Ostraka bringen am meisten Glück.«
»Du«, rief Mirus, »ja! Und du, ja! Ja!«
Die Aufregung der ersten Verkäufe hatte ein wenig nachgelassen.
»Jetzt«, sagte Hendow, »kommen wir zu den vorsichtigeren Käufern, die frühe Ostraka kaufen würden, aber eine kleine Beruhigung des Verkaufs zu schätzen wissen. Außerdem haben wir es jetzt vermutlich mit den Kerlen zu tun, die eine Chance auf irgendwas kaufen würden, solange es eine Chance ist und mit den Kerlen, für die Jungfräulichkeit an sich, egal von wem, von Interesse ist. Sie würden auch eine Chance auf die Jungfräulichkeit eines Tharlarions ergreifen.«
»Ja, Herr.« flüsterte ich.
»Wir haben die Sklavin nicht gesehen«, sagte ein Mann, »ist sie gut?«
»Beschreib’ sie uns.« forderte ein anderer.
»Sie wurde auf den Flugblättern beschrieben.« sagte Mirus.
»Ist sie gut?« rief der erste Mann wieder.
»Beschreib’ sie uns.« rief auch der zweite Mann noch einmal.
»Ihre Haar- und Augenfarbe, Aussehen, Größe und Gewicht sind so, wie sie im Flugblatt erwähnt sind.« sagte Mirus. »Andere wichtige Maße sind dort, wenn du dich erinnerst, auch angegeben.«
Ich wurde rot und sah zu Boden.
»Ist sie gut?« wiederholte der erste Mann mit Nachdruck.
»Sie hat ein reizvolles Gesicht und eine gute Figur.« sagte Mirus.
»Aber ist sie auch gut?« lachte der Mann.
»Das kannst du umgehend und direkt feststellen, wenn du gewinnst.« rief Mirus.
Es gab Gelächter.
»Jetzt einmal ernsthaft«, fuhr Mirus fort, »denke daran, dass sie nur eine jungfräuliche Sklavin ist. In diesen Sinn wird sie vielleicht für einige Wochen nicht besonders gut sein. Es ist nur ihre Jungfräulichkeit, die heute Nacht versteigert wird.«
»Ja, ja.« stimmten einige Männer zu.
»Das ist wahr.« rief auch der erste Mann.
»Aber sie ist schön und ungewöhnlich begehrenswert«, erklärte Mirus, »es ist sicher ein Genuss, sie zu öffnen.«
Ich zog das Tuch enger um mich.
»Sie ist ein Schatz«, sagte Mirus, »und wir erwarten, dass sie mit der Zeit außergewöhnlich gut wird.«
»Sie ist eine Erdenschlampe«, rief ein Mann, »das stand in den Flugblättern. Die sind alle frigid.«
»Aber du weißt so gut wie ich«, konterte Mirus, »dass sie es nicht bleiben.«
»Stimmt.« lachte der Mann.
Es gab allgemeines Gelächter. Ich zog das Tuch enger um meinen Hals.
»Wir kennen dich, Mirus«, sagte ein Mann, »was hältst du von ihr?«
»Sie wurde von Hendow, meinem Arbeitgeber, eurem Gastgeber, dem Besitzer dieser Taverne gekauft.« antwortete Mirus. »Ich glaube, ihr kennt seinen Geschmack und seine Sachkenntnis bei der Auswahl von Frauen gut.«
Das schien Eindruck auf die Menge zu machen.
»Und was ist mit dir, Mirus?« drängte der Mann weiter. »Was hältst du von ihr?«
»Ich würde ein oder mehrere Ostraka kaufen«, antwortete Mirus, »aber wenn ich, ein Angestellter der Taverne, dann gewinnen sollte, würde nicht jeder von euch eine geheime Absprache oder ein doppeltes Spiel vermuten?«
»Das stimmt.« sagte jemand.
Es gab Gelächter. Also, sagte ich mir, war es keine Einbildung. Mirus wollte mich. Aus diesem Grund hatte er sich letzte Nacht so schnell von mir weggedreht.
»Außerdem«, sagte Mirus, »kann ich warten.«
Ich schauderte. Ich hatte noch nicht daran gedacht, aber es stimmte. Nach dieser Nacht würde ich nur noch eine von vielen unter Hendows Mädchen sein. Ich würde nicht nur für seine Kunden »geöffnet« sein, sondern würde natürlich auch seinen Männer zur Verfügung stehen. Die Benutzung der Tavernenmädchen ist eine der Vergünstigungen, wenn man in einer Taverne arbeitet. Nach dieser Nacht würde ich Mirus und allen anderen, die mich haben wollten, dienen müssen.
Ich erinnerte mich daran, dass im Haus meiner Ausbildung die »geöffneten« Mädchen den Wachen zur Verfügung stehen mussten.
Ich wusste, dass der Küchenchef der Taverne auch ein Auge auf mich geworfen hatte. Wir arbeiteten dort normalerweise beim Reinigen von Töpfen und Pfannen auf den Knien, über die niedrigen, dampfenden Bottiche gebeugt, unsere Arme bis zu den Ellenbogen in Seifenlauge getaucht. Er hatte Ina und mir die Küchentuniken weggenommen und Ina mehrmals genommen.
Ich schluckte hart. Sicher würde ich von Zeit zu Zeit in die Küche geschickt werden. Er wartete vielleicht schon darauf.
»Ich nehme ein Ostrakon.« sagte jemand, ich glaube, es war der, der Mirus nach seiner Meinung über mich gefragt hatte.
»Ich auch.« sagte ein anderer.
»Ich auch.« riefen einige.
»Ja, ihr cleveren Herren.« sagte Mirus.
»Kommt her, Schlampen.« wendete er sich dann an Aynur und Tula, die die Schüsseln trugen.
Binnen kurzem waren diese Verkäufe getätigt.
Hendow gab den Musikern mit dem Kopf ein Zeichen und sie verschwanden einer nach dem anderen durch den Perlenvorhang. Sie waren fünf, ein Czeharspieler, zwei Kalikaspieler, ein Flötist und ein Trommler. Nach ein- oder zwei Augenblicken, während Mirus das Interesse der Kunden weiter anheizte, hörte ich die Instrumente spielen, die Czehar und die Kalikas wurden gestimmt, der Flötist versuchte einige Übergänge, die Finger des Trommlers spielten leicht auf der straffen Haut seines Instruments, der Kaska, stimmten es und versuchten es erneut, dann ertönte ein leichter, dann energischerer, schneller Rhythmus, der seine Gelenke aufwärmte. Die goreanische Musik, jedenfalls ein großer Teil davon, ist sehr melodisch und sinnlich. Vieles davon scheint für die Ausstellung von Sklavinnen vor Männern geeignet zu sein und ich nehme an, dass es genau dafür gemacht wird. Dann waren die Musiker ruhig.