Aber so passiert es nicht zwangsläufig. Manchmal genießt ein Herr die Schönheit seiner Sklavin auch nur, lässt sie sich dann wieder anziehen und schickt sie zurück an ihre Arbeit. Unnötig zu sagen, dass so etwas für die Sklavin erregend und frustrierend sein kann. Es ist schwer, sich vor einem Mann auszuziehen und gezwungen zu werden, nackt vor ihm zu posieren und dabei den heftigen, aufwühlenden eigenen Begierden zu widerstehen.
»Interessant.« sagte Hendow.
»Herr?«
»Du bist ziemlich schön.«
»Ich danke dir, Herr.«
»Aber es gibt sicher viele genauso schöne Frauen.«
»Herr?« fragte ich erstaunt.
»Was ist dann anders an dir?«
»Ich verstehe nicht, Herr.«
»Bist du eine Erdenfrau?«
»In gewissem Sinn schon«, antwortete ich, »nämlich dass ich eine Frau von der Erde bin. In anderer Hinsicht bin ich keine Erdenfrau. Ich bin jetzt nur ein goreanisches Sklavenmädchen.«
»Was hast du auf Gor gelernt?«
»Ich habe gelernt, Männer ›Herr‹ zu nennen.«
»Ist das gut so?«
»Herr?«
»Warum nennst du Männer ›Herr‹?«
»Ich verstehe«, entgegnete ich, »verzeih mir, Herr. Ich hätte mich eindeutiger ausdrücken müssen.«
Er betrachtete mich.
»Ich habe auf Gor gelernt, dass Männer meine Herren sind.« fuhr ich fort.
Das war wahr.
»Dann ist es angemessen, sie ›Herr‹ zu nennen.«
»Ja, Herr.«
»Ich habe deine Ohren durchstechen lassen.«
»Wie es dir gefällt, Herr.«
»Du bist jetzt nur noch ein Mädchen mit durchstochenen Ohren.«
»Ja, Herr.« sagte ich erstaunt.
»Weißt du, was das bedeutet?«
»Ich bin nicht sicher.«
»Du kannst jetzt nicht mehr hoffen, jemals aus dem Kragen herauszukommen.«
»Ja, Herr.«
Ich hatte angenommen, dass er mir aus dem Grund die Ohren durchstechen ließ, um mich für seine Kunden und für Männer im Allgemeinen aufregender zu machen. Außerdem hatte ich vermutet, dass es mein Sklaventum bekräftigen und vertiefen würde. Aber das störte mich nicht. Ich war eine Sklavin!
»Weißt du, warum ich deine Ohren durchstechen ließ?«
»Nein, Herr.«
»Es gibt verschiedene Gründe dafür, so etwas mit einem weiblichen Sklaven zu machen.«
»Herr?«
»Es macht sie zu einer besseren Sklavin.« erklärte er. »Es macht sie aufreizender und verführerischer. Es macht sie auch erregbarer.«
»Ja, Herr.« sagte ich und wurde rot von Kopf bis Fuß.
»Außerdem gibt es auch einen geschäftlichen Hintergrund. Es erhöht ihren Preis.«
»Natürlich, Herr.«
»Es gibt noch viele andere Gründe«, sagte er, »außer diesen.«
»Ich verstehe, Herr.«
»Außerdem«, fuhr er fort, »hielt ich es in deinem Fall für besonders passend.«
»Herr?«
»Du bist ein Mädchen mit durchstochenen Ohren«, sprach er weiter, »und warst es schon, sogar bevor deine Ohren durchstochen wurden.«
»Ja, Herr.« antwortete ich erstaunt.
»Ich verachte dich.« sagte er.
Ich senkte meinen Kopf. Ich zweifelte nicht daran, dass er mich verachtete. Aber ich glaubte, dass seine Gefühle mir gegenüber komplizierter waren. Ich war sicher, dass sie nicht nur einfach aus der Verachtung einer versklavten Hure bestanden.
»Und deshalb«, sprach er weiter, »habe ich dir die Ohren durchstechen lassen.«
»Ja, Herr.«
»Du gehörst in einen Kragen.« fuhr er fort. »Jetzt ist zu sehen, dass du darin bleiben wirst.«
»Ja, Herr.«
»Bist du deshalb nicht unglücklich und schämst dich?«
»Nein, Herr.«
»Was für eine dreiste, schamlose Sklavin.«
»Ja, Herr.«
»Du bist gern Sklavin.« stellte er fest.
»Ich bin eine Sklavin.« entgegnete ich. »Darum muss ich akzeptieren, was in meinem geheimen Herzen ist, es offen gestehen und mein Glück und meine Erfüllung darin finden.«
»Du Schlampe«, sagte er, »du bist gern eine Sklavin.«
»Ja, Herr.«
Ich dachte, ich sagte ihm besser nicht, dass ich es liebte.
»Wir denken daran, ein neues Erstes Mädchen zu ernennen.« sagte er.
»Ich habe Gerüchte darüber gehört.«
»Was hältst du von Tupita?«
»Ich spreche für sie.«
Er lächelte. Ich nahm an, dass er wusste, wie gemein Tupita zu mir gewesen war, wie sehr wir verfeindet waren. Andererseits hatte ich Tupita versprochen, für sie zu sprechen. Und dann hatte sie letzte Nacht die Bauchkette und die Fesseln nicht so straff angezogen wie in den Nächten davor.
»Hat sie dir für deine Unterstützung den Posten des Zweiten Mädchens angeboten?«
»Des Dritten Mädchens.«
»Wer wäre das Zweite Mädchen?«
»Sita.«
Er lächelte.
»Zweifellos glaubt Tupita, dass Sita ihre Verbündete ist.« bemerkte er.
»Ja, Herr.«
»Was meinst du zu Sita als Erstes Mädchen?«
»Sie würde diesen Posten nicht ablehnen.«
»Würdest du für sie sprechen?«
»Ja«. antwortete ich, »ich spreche für Sita.«
Ich hielt meinen Kopf gesenkt. Ich wollte eigentlich nicht an diesen Intrigen beteiligt sein.
»Was hat sie dir versprochen?«
»Den Posten des Zweiten Mädchens.«
»Dann ist klar«, stellte er fest, »dass du Sita mehr als Tupita unterstützen würdest.«
»Nein, Herr.«
»Also unterstützt du Tupita.«
»Ich spreche für beide.«
»Es kann nur ein Erstes Mädchen geben.«
»Ja, Herr.«
»Wen bevorzugst du?«
»Von den beiden: Tupita.«
»Warum?«
»Sita ist Tupita gegenüber illoyal,« sagte ich, »sie verrät sie. Sie tut so, als wäre sie ihre Freundin, ist es aber nicht.«
»Denkst du, dass Tupita, wenn sich ihre Positionen ändern, sich anders benimmt?«
»Ich weiß nicht, Herr.«
»Und es ist nicht deshalb, weil Tupita dir eine Pastete gebracht hat?«
Ich sah ihn erschrocken an.
»Ich habe sie dafür auspeitschen lassen.« fuhr er fort. »Sie muss sehr gierig auf den Posten des Ersten Mädchens sein, um das Risiko einzugehen, eine Pastete zu stehlen. Aber sie hat sicher nicht erwartet, dass es entdeckt werden würde.«
»Herr?«
»Der Küchenchef hat bemerkt, dass eine Pastete fehlte.« erklärte er. »Nur das Erste Mädchen Tupita hatte außer dem Personal und den Küchensklavinnen hatte Zutritt zur Küche. An ihren Fingern war Zucker. Am nächsten Morgen wurden Krümel in deiner Hundehütte gefunden.«
»Ich verstehe.«
»Sie bekam nur fünf Schläge.«
»Der Herr ist großzügig.«
Es hätten auch tausend Schläge sein oder sie hätte einfach erschlagen werden können. Sie war schließlich nur eine Sklavin.
»Was hältst du von Aynur?«
»Ich glaube, sie wäre ein gutes Erstes Mädchen.«
»Kannst du dir irgendeine bessere vorstellen?«
»Nein, Herr.«
»Anscheinend bauen sowohl Tupita als auch Sita auf deine Unterstützung.«
»Ich denke, man kann auch für mehrere Mädchen sprechen.«
»Aber sicher denkt nicht jede wie du.«
»Oh?«
Das überraschte mich.
»Beide denken offensichtlich, dass du Einfluss auf mich hast.« sagte Hendow. »Glaubst du das auch?«
»Nein, Herr.« antwortete ich hastig.
Ich hatte Hendow außer jetzt und in der Taverne kaum jemals gesehen. Er war mit mir niemals intim geworden. Darüber hatte ich mich schon gewundert und ich hatte mich gefragt, ob ich für ihn nicht attraktiv genug sei. Er benutzte öfter andere Mädchen. Sie schienen sich davor zu fürchten, in seine Kammer gerufen zu werden, weil er so hässlich und grob war. Ich nahm auch an, dass er nicht gerade zart zu ihnen war und sie trotz ihres Widerwillens und ihres Abscheus zwang, ihm kompromisslos und vollkommen zu dienen. Im Sklavenbereich schienen die meisten mich richtig darum zu beneiden, dass Hendow mir keine Aufmerksamkeit schenkte.
Interessanter- und paradoxerweise sah ich ihn nicht mit demselben Widerwillen wie viele meiner Sklavinnenschwestern. Ich fürchtete ihn natürlich als meinen Herrn, achtete ihn aber auch sehr wegen seiner Stärke, seines Scharfsinns und der Intelligenz, die ich in ihm spürte. Manchmal bedauerte ich ihn auch. Ich glaubte, dass er ein sehr schweres Leben gehabt haben müsse. Er schien einmal von seinem besten Freund verraten und in Lebensgefahr gebracht worden zu sein. Borko hatte ihn gerächt. Würde ich in seine Kammer gerufen, würde ich versuchen, ihm so gut wie möglich zu dienen. Wenn ich auch nicht gerade begierig darauf war, hatte ich doch auch keine Angst davor. Manchmal war ich sogar richtig neugierig auf ihn gewesen und hatte mich gefragt, wie es wohl wäre, ihm zu dienen.