»Wenn ihre Kragen ab sind«, befahl der Anführer, »macht die anderen, die wir vorbereitet haben, an ihnen fest.«
Tupita sah den Anführer an. Zwei Kragen waren vorbereitet. Die Männer hatten also von Anfang an geplant, sie mitzunehmen. Das war natürlich leicht zu verstehen. Sie war sehr schön.
»Dann«, fuhr der Anführer fort, »steckt sie in die Sklavenhaube und stellt sie nebeneinander.«
17
Der Marktplatz von Markt von Semris
»Komm mit.« befahl er.
Ich schrie leise auf und stolperte vorwärts, barfuss auf der schmutzigen Straße, der Stahl des Kragens schnitt hart in mein Genick ein.
»Beeil dich.« befahl er.
»Ja, Herr!« antwortete ich.
»Wir müssen zu zehnten Ahn auf dem Platz sein.«
»Ja, Herr.«
Ich war an einer Leine. Die Leine war eine dünne Kette. Die zehnte Ahn war der goreanische Mittag. Der Platz würde zu dieser Zeit überfüllt sein. Natürlich ist er zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedlich gefüllt. Am Morgen bieten die Bauern ihre Erzeugnisse an, dann werden viele Einkäufe erledigt. Später entfernen die Stände und Läden rund um den Platz ihre Rollläden und Blenden und öffnen. Danach kommen Männer, um Gerüchte und Neuigkeiten auszutauschen. Manche besuchen die Tempel, opfern Münzen, kaufen Weihrauch und verbrennen es, bitten die Priesterkönige um eine gute Ernte oder um Erfolg bei einem Geschäft, um Glück für sich und Unglück für ihre Feinde. Goreanische Bitten an die Priesterkönige scheinen insgesamt sehr konkret und sehr praktisch zu sein.
Die meisten Goreaner stehen einem Leben nach dem Tode sehr skeptisch gegenüber oder begnügen sich jedenfalls damit, abzuwarten und dann selbst zu sehen. Die einzige Kaste, die, soweit ich weiß, offiziell an ein Leben nach dem Tode glaubt, ist die der Wissenden, und die glauben, so scheint es, nur für sich selbst daran, weil es ihrer Meinung nach von solchen Dingen abhängt wie der Durchführung geheimer Riten, dem Erwerb von (hauptsächlich mathematischem) Wissen und der Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel. Die Wissenden sind gewöhnlich weiß gekleidet und rasieren ihre Köpfe. Sie enthalten sich angeblich und vielleicht sogar tatsächlich völlig des Alkohols und der Frauen. Sie zählen zu den fünf Hohen Kasten, die anderen sind die Ärzte, die Schriftgelehrten, die Hausbauer und die Krieger. In einigen Städten sind die Wissenden ziemlich mächtig, in anderen leben sie eher am Rande der Gesellschaft.
Ich war noch nie in einem dieser Tempel. Sklaven sind, wie andere Tiere auch, dort nicht zugelassen. Es heißt, sie würden einen solchen Platz entweihen. Sie müssen in speziellen, kleinen, von Mauern umgebenen Bereichen außerhalb der Tempel, normalerweise dahinter oder an der Seite, warten, wo ihre Gegenwart von freien Personen nicht als anstößig empfunden wird. In einige Tempel hatte ich von der Straße aus durch große geöffnete Tore oder geöffnete Kolonnaden hineingesehen, sie sind überdacht, aber aus irgendeinem Grund nicht von Mauern umgeben. Manche sind prunkvoll verziert, andere erscheinen sehr streng. Ich glaube, das hängt von der Stadt ab oder vom Geschmack der Gemeinschaft der Wissenden, die für den Tempel sorgen. Der Anführer der Wissenden in Ar beansprucht die Führerschaft über alle Wissenden aller Städte, aber dies wird scheinbar nicht überall anerkannt.
Ich nehme an, dass es in den Tempeln keine Stühle oder Bänke gibt, außer für die Wissenden in der Nähe des Altars. Goreaner führen ihre Riten und Gebete im Stehen aus. Sie neigen dazu, die Priesterkönige nicht so sehr als Herren denn als Verbündete zu betrachten, die sich durch Geschenke geschmeichelt fühlen und umworben werden müssen. Auf dem Hochaltar jedes Tempels gibt es angeblich einen großen goldenen Kreis als Symbol der Priesterkönige, als Symbol der Ewigkeit, einer Sache ohne Anfang oder Ende. Das »Zeichen der Priesterkönige« besteht folgerichtig aus einer geschlossenen, kreisförmigen Bewegung. Die Lehren der Wissenden, ihre Empfehlungen und Ermahnungen schienen am ehesten von den niederen Kasten angenommen zu werden.
Viele Männer sitzen übrigens gern bei den Gerichtsverhandlungen und lauschen dort den Disputen und Rechtshändeln. Manche arbeiten in den Jurys mit. Andere genießen nur das Wechselspiel und die Logik, applaudieren oft einem scharfsinnigen Argument eines der Advokaten.
Später am Nachmittag gehen viele Männer in die Bäder. In vielen goreanischen Städten sind die Bäder wichtige soziale Zentren. Manche sind privat und nur für einen begrenzten Personenkreis, aber die meisten sind öffentlich und ihre Einrichtungen sind gegen eine Gebühr für alle freien Personen zugänglich. Natürlich baden die Geschlechter getrennt. Das schließt aber die Anwesenheit weiblicher Bademeister im Männerbad oder von Seidensklaven im Frauenbad nicht aus.
Am späten Nachmittag, nach dem Bad, gehen die Männer gern nach Hause und freuen sich auf ihr Abendmahl. Manchmal folgen »Kunden« reichen Männer in ihr Haus. Sie treffen sie am Morgen außerhalb des Hauses und begleiten sie manchmal den ganzen Tag über. Goreaner lieben es, Essen und Parties zu geben. Sie sind ein geselliges Volk. Wenn man keine eigenen Sklaven besitzt oder zu wenige, kann man für solche Gelegenheiten welche mieten. Die Vereinbarungen dazu werden normalerweise tagsüber getroffen, günstigerweise in der unmittelbaren Umgebung des Hauses. Wenn Feiertage anstehen, trifft man solche Vereinbarungen klugerweise einige Tage im Voraus. Manchmal gibt es an den Abenden oder gegen Ende der Woche Unterhaltungsangebote wie Schauspiele oder Konzerte. Dinge wie Rennwettbewerbe oder Spiele finden, wenn die Stadt sie sich leisten kann, regelmäßig am gleichen Tag im Jahr nachmittags, unter natürlichem Licht statt.
»Beeile dich!« befahl der Mann.
Ich stolperte, von der Kette gezogen, vorwärts. Ich konnte, obwohl meine Hände frei waren, die Leine nicht entfernen. Sie war mit einem Schnappschloss an meinem Kragen befestigt.
»Beeile dich!« wiederholte er und lief schneller vor mir her.
»Ja, Herr!« keuchte ich.
Ich war in ein Ta-Teera oder Sklavenfetzen gekleidet, ein kleines Stück Tuch, das an verschiedenen Stellen eingerissen war und mich mehr enthüllte als bedeckte. Wir waren auf den Straßen von Markt von Semris. Ich war hier einmal verkauft worden. Wir waren aus Samnium gekommen, das südöstlich von Brundisium liegt. Ich war dort in den Besitz meines derzeitigen Herrn gekommen. Ich hatte ihn nur fünfzig Kupfer-Tarsk gekostet, das ist ein halber Silber-Tarsk. Die Männer, die mich verkauften, hatten nicht lange feilschen wollen. Ich hatte sie nichts gekostet. Sie mussten für mich nicht viel herausschlagen. Außerdem schien es, als wollten sie ihre Mädchen schnell loswerden, und wir waren einige, die in Tarnkörben schnell nach Samnium gebracht worden waren. Ich erfuhr nicht, an wen Tupita verkauft wurde, sie war aber zweifellos als einfachere Sklavin weggegangen, als sie vorher gewesen war.
Auf meinen Rücken war eine zusammengerollte Strohmatte gebunden. Um meinen Hals hing ein Kupferkessel. Er war mir an einem durch ein kleines Loch im Kessel gezogenen Lederriemen umgehängt worden. Mein Herr hatte sich eine Doppelflöte auf den Rücken geworfen. Er war Gordon, ein umherziehender Musiker.
»Ist sie gut?« fragte ein Bursche, der wie wir die staubige Straße entlangeilte.
»Komm her und sieh selbst.« antwortete mein Herr.
Wir mussten dem Platz schon nahe sein, es schienen viel mehr Leute auf der Straße unterwegs zu sein. Außerdem war die Straße jetzt gepflastert und Häuser standen an beiden Seiten. Die Straße war etwa zehn Fuß breit. Sie hatte für regnerisches Wetter Trittsteine an den Ecken. Diese Steine waren so angeordnet, dass die Räder eines Wagens die Straße überqueren konnten. Auf dem Platz waren wahrscheinlich Barrieren gegen den Verkehr errichtet. Dort waren nur Fußgänger erlaubt, Sklaventräger transportierten gegen eine Gebühr die Waren. Der Rinnstein der Straße war eine lange, enge Rinne in der Mitte. Eine freie Frau, die mich mit Abscheu ansah, wechselte die Seite, damit ihre prunkvolle Robe mich nicht berührte, wenn ich an ihr vorbeiging.