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Nach einer Weile kam der Katzer wieder, ein armlanges, in weiße Tücher eingeschlagenes Bündel auf beiden Armen tragend. Mit einem fast verschwörerischen Lächeln legte er es vor ihr ab und machte eine einladende Geste, es zu öffnen.

Tally gehorchte. Unter dem weißen Leinen kam ein prachtvolles, beidseitig geschliffenes Schwert zum Vorschein.

Es war eine prachtvolle Arbeit – die Klinge war so lang wie ihr Arm und mit filigranen Verzierungen versehen, wohingegen ihr Griff beinahe einfach wirkte, aber eine sehr sonderbare Form hatte. Bewundernd nahm sie die Klinge auf, wog sie einen Moment prüfend in der Hand und stellte fest, daß sie ihr Gewicht kaum fühlte. Sie war perfekt ausgewogen. Wenn die Güte ihres Stahles hielt, was sein Aussehen versprach, mußte es eine phantastische Klinge sein; zehnmal besser als das Schwert, das sie Weller in Aufbewahrung gegeben hatte.

»Gefällt es dir?« fragte der Katzer.

Tally nickte heftig. »Es ist wunderschön«, sagte sie.

»Was kostet es?«

»Zehn Goldheller«, antwortete der Katzer, »und das ist geschenkt.«

Einen Moment lang war Tally ernsthaft in Versuchung, das Schwert zu kaufen. Sie hatte mehr als die Summe, die der Händler forderte, und die Klinge war diesen lächerlichen Betrag allemal wert. Aber dann dachte sie daran, was Weller sagen würde, wenn sie ihn mit einem neu gekauften Schwert im Gürtel begrüßte, und legte die Klinge mit einem bedauernden Kopfschütteln wieder zurück. Sie erweckte schon viel zu viel Aufsehen allein damit, überhaupt hier zu stehen.

»Es tut mir leid«, sagte sie. »Aber das ist mir zu teuer.«

»Sie ist es aber wert, Mädchen«, sagte eine Stimme hinter ihr.

Tally fuhr zusammen, sah auf und erkannte den Schrecken im Gesicht des Katzers, ehe sie sich zu der Sprecherin herumdrehte. Wie durch Zufall ließ sie das Schwert während der Bewegung nicht los.

Hinter ihr standen zwei dunkelhaarige, in Mäntel aus erdbraunem Leder gekleidete Frauen, die eine, die gesprochen hatte, alt genug, ihre Mutter sein zu können, die andere ein junges Ding, das sie mit einer Mischung aus Hochmut und Ungeduld ansah.

»Du kannst mir glauben«, fuhr die Frau mit einem gutmütigen Lächeln fort. »Eine Waffe wie diese sieht man nicht alle Tage. Sie ist mindestens das zehnfache dessen wert, was dieser Halsabschneider dafür verlangt.«

Sie lächelte, nahm Tally das Schwert aus der Hand und machte einen spielerischen Ausfall gegen den Katzer, den dieser mit einem erschrockenen Fauchen und einem hastigen Satz nach hinten beantwortete. Tally sah, wie geschmeidig und schnell ihre Bewegungen waren. Es war nicht das erste Mal, daß sie ein Schwert in der Hand hatte. Aus reiner Gewohnheit überlegte sie, ob sie die dunkelhaarige Frau besiegen könnte; aber sie kam zu keinem eindeutigen Ergebnis.

»Wahrscheinlich hat er sie irgendwo gestohlen und weiß selbst nicht, was er da hat«, fuhr die Frau fort. »Ein Schwert aus Lakamar bringt auf dem Markt allemal seine fünfundzwanzig Goldheller. Zehn ist geschenkt. Wenn du es nicht kaufst, dann nehme ich es.« Sie lachte, legte das Schwert fast behutsam wieder zurück und sah Tally aufmerksam an. »Wie ist dein Name, Kind?« fragte sie.

»Nora, Herrin«, antwortete Tally. Weller und sie hatten sich auf diesen Namen geeinigt, sollten sie aufgehalten werden. »Ihr könnt die Klinge haben, wenn Ihr wollt. Ich verstehe nichts davon, und mein Bruder hat schon ein Schwert.«

»Du bist nicht von hier, wie?« fuhr die Dunkelhaarige fort. »Woher kommst du? Einen Dialekt wie deinen habe ich noch nie gehört?« Sie lächelte bei diesen Worten, aber Tally begann ein ganzes Läutwerk von Alarmglocken zu dröhnen. Die Frau hatte sich perfekt unter Kontrolle, aber in den Augen ihrer jüngeren Begleiterin stand ein unverholenes Mißtrauen.

»Aus dem Westen, Herrin«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Hört man es so deutlich?«

»Wenn man darauf achtet, ja. Aus dem Westen, sagst du?«

»Ja«, antwortete Tally, und fügte hastig und in bewußt übertrieben geschauspielertem, vorwurfsvollem Ton hinzu: »Aber ich wollte, ich wäre nicht gekommen. Ich war kaum hier, da wurde das Haus meines Bruders niedergebrannt und wir überfallen. Um ein Haar wären wir umgebracht worden. Und dann mußte ich stundenlang in einem finsteren stickigen Loch hocken bleiben, bis die Soldaten dieses Gesindel endlich vertrieben hatte.«

Die Frau schwieg, aber ihr Blick wurde durchdringend. Tally hatte das unbehagliche Gefühl, ein wenig zu viel des Guten getan zu haben. Aber sie war niemals eine gute Schauspielerin gewesen. Sie überlegte, ob sie schnell genug war, das Schwert an sich zu reißen und die beiden Frauen zu töten, wenn es sein mußte.

»Wo ist dein Bruder jetzt?« fragte die Dunkelhaarige schließlich.

Tally deutete über den Platz. »In der Kommandatur. Er sagt, wir brauchen Passierscheine, um in den Norden zu kommen.«

»In den Norden? Was wollt ihr da?« Die Frage war in so scharfem Ton gestellt, daß Tally jetzt sicher war, einen Fehler begangen zu haben.

»Mein... Bruder kennt dort jemanden«, antwortete sie nervös. »Wir brauchen einen Ort zum Schlafen. Und das Haus muß wieder aufgebaut werden, und die Geschäfte sollen weitergehen, sagt mein Bruder.« Die Augen der Frau wurden schmal. »Ihr seid ausgebrannt«, sagte sie. »Ihr habt nichts mehr, nicht einmal mehr einen Ort zum Schlafen, und du willst ein Schwert kaufen?«

»Mein... mein Bruder war so traurig«, stotterte Tally.

»Und da dachte ich, ich könnte ihn aufheitern. Er mag Waffen.«

»Was verschwenden wir unsere Zeit mit dieser Närrin, Jandhi?« fragte die jüngere Frau ärgerlich. »Sie ist dumm, wie alle Westler.«

»Schweig, Nirl«, sagte die ältere Frau scharf. »Das Kind ist völlig verstört, siehst du das nicht?« Sie wandte sich wieder an Tally und lächelte. »Vielleicht hast du sogar recht«, sagte sie. »Wir werden das Schwert mitnehmen. Wenn sich dein Bruder auf Waffen versteht, wird er sich freuen.«

»Aber –«

»Kein aber«, unterbrach sie Jandhi. »Ich bin sicher, unser diebischer Freund wird sich freuen, dir die Klinge als Geschenk zu überlassen, nicht wahr?«

Ihre letzten Worte galten dem Katzer, der dem Gespräch mit ständig wachsender Nervosität gefolgt war. Jetzt nickte er fast überhastet, griff mit zitternden Händen nach dem Schwert und hielt es Tally hin. Aber bevor sie danach greifen konnte, nahm ihm Jandhi die Waffe aus der Hand.

»Ich begleite dich zu deinem Bruder«, sagte sie. »Es treibt sich allerhand Gesindel auf den Straßen herum, vor allem an einem Tag wie heute. Jeder Mann der Garde ist im Einsatz, um die Klorschas zurückzujagen, mußt du wissen.«

Sie lächelte abermals und machte eine einladende Handbewegung. »Komm«, sagte sie, als Tally zögerte.

»Du kannst mir glauben – es ist sicherer für dich, nicht allein zu sein.«

Tally setzte sich widerstrebend in Bewegung. Sie blieb äußerlich ruhig, und sie war fast selbst erstaunt darüber, aber hinter ihrer Stirn tobte ein wahres Chaos. Jandhi gab sich nicht einmal sonderliche Mühe, die Tatsache zu verbergen, daß sie ihr kein Wort glaubte. Sie wußte nicht, wer diese beiden ungleichen Frauen waren, aber sie mußten sehr mächtig sein, den Reaktionen des Katzers nach zu schließen. Und sie hatte keinen großen Hehl daraus gemacht, daß ihr Vorschlag, Tally zu begleiten, nichts anderes als ein Befehl war. Tally wäre nicht überrascht gewesen, wenn Jandhi sie geradewegs dem nächsten Posten der Stadtgarde übergeben hätte.

Aber sie tat es nicht. Statt dessen geleitete sie sie zur Tür der Kommandatur, genau wie sie gesagt hatte, scheuchte den Posten mit einer nachlässigen Geste aus dem Weg und machte erneut eine auffordernde Geste, als Tally abermals zögerte, ihr zu folgen.