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»Habe ich dir nicht gesagt, daß wir uns wiedersehen, Schätzchen?« fragte sie. Ihr Lächeln wurde noch freundlicher, aber ihre Augen blieben kalt dabei. »Ich halte mein Wort immer, weißt du.«

Tally schwieg. Was hätte sie schon sagen können! Sie hatte das Bedürfnis, vor lauter Enttäuschung und Zorn einfach loszuheulen, aber dazu war sie zu stolz. Dabei war sie nicht einmal erschrocken. Irgendwie hatte sie damit gerechnet. Trotz allem war es zu glatt gegangen, bisher.

»Wie hast du mich gefunden?« fragte sie schließlich.

»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete Jandhi.

»Aber ich erzähle sie dir. Später. Jetzt komm her. Und ganz langsam.«

Tally gehorchte. Sie spürte, daß Jandhi sie nicht töten wollte – nicht jetzt – aber sie war ebenso sicher, daß sie es tun würde, wenn sie sie dazu zwang.

»Den Laser«, verlangte Jandhi.

Ganz langsam senkte Tally die Hand zum Gürtel, zog die Waffe hervor und reichte sie Jandhi. Aber die Drachentochter machte keinerlei Anstalten, danach zu greifen, sondern schüttelte nur den Kopf. »Wirf ihn zu Boden«, sagte sie. »Ich habe gehört, daß es gefährlich ist, dir zu nahe zu kommen.«

Sie lachte leise, wartete, bis Tally die Waffe zu Boden gelegt und auf ein Zeichen von ihr hin mit dem Fuß davongeschossen hatte, dann wich sie mit ein paar schnellen Schritten bis zur rückwärtigen Wand zurück und löste einen kleinen, rechteckigen Gegenstand vom Gürtel. Tally sah, wie sie ihn zum Mund führte und hineinsprach.

»Und jetzt?« fragte sie. »Was hast du jetzt vor, Jandhi? Willst du mich umbringen?«

»Nein«, antwortete Jandhi ungerührt. »Wenigstens jetzt noch nicht. Aber du wirst mich begleiten, und dein schuppiger Freund draußen auch. Wir werden dafür sorgen, daß du nicht noch mehr Schaden anrichtest, als du bereits getan hast.« Sie machte eine Handbewegung, deren Bedeutung Tally nicht kannte. »Wären wir nicht Feinde, würde ich dir meine Hochachtung ausdrücken, Kindchen. So viel Ärger wie du hat uns noch niemand bereitet.«

»Uns?« fragte Tally. »Wer ist das?«

Jandhi lachte. »Nicht doch«, sagte sie. »Du wirst Gelegenheit genug bekommen, Fragen zu stellen. Und wer weiß, vielleicht beanworte ich sie sogar. Aber nicht jetzt. Ich mag keine melodramatischen Szenen, weißt du?«

»Laß wenigstens Karan gehen«, sagte Tally. »Und Weller. Sie haben nichts mit unserem Streit zu tun.«

»Wie edel«, sagte Jandhi spöttisch. »Aber leider ein wenig zu spät.« Für einen Moment sah sie Karan an, der noch immer im Wasser stand, wandte ihre Aufmerksamkeit aber wieder Tally zu, ehe diese den Augenblick ausnutzen und sich auf sie stürzen konnte.

»Nein«, sagte sie noch einmal. »Daraus wird nichts, fürchte ich. Die beiden stecken zu tief drinnen in der Sache.«

»Dann willst du sie auch umbringen?«

»Umbringen?« Jandhi runzelte die Stirn, als hätte sie etwas vollkommen Unsinniges gefragt. »Wer spricht vom Töten, Talianna? Nein, nein – sie werden mich begleiten, und für eine Weile bei uns bleiben, das ist alles. Wenn sie zurück kommen, werden sie loyale Untertanen sein, mein Wort darauf.« Ihr Blick wurde hart. »Und jetzt Schluß. In wenigen Minuten wird Nil mit ein paar Männern hier sein, und dann hat...« Sie brach ab, als vor der Tür Schritte laut wurden, runzelte flüchtig die Stirn und drehte sich kurz herum, ohne Tally jedoch länger als eine halbe Sekunde aus den Augen zu lassen. Ein hochgewachsener Schatten war unter dem Eingang erschienen, gefolgt von einem zweiten und dritten, die sich langsam auf sie zubewegten.

»Nil!« sagte sie überrascht. »Ihr seid schneller, als...« Der Schatten trat ins Licht der Fackeln hinein und wurde zu einer schlanken, schwarzhaarigen Frau mit einem Gesicht aus Narben.

»Als was?« fragte Angella belustigt.

Jandhi starrte sie an. »Du?« murmelte sie. »Was... was tust du hier?«

»Oh, das gleiche wollt ich dich gerade fragen«, erwiderte Angella ruhig. Langsam trat sie auf Jandhi zu, drückte den Lauf ihrer Waffe herunter, als handele es sich um ein harmloses Kinderspielzeug, und deutete mit der Linken auf Tally. »Du hast da etwas, das mir gehört«, sagte sie ruhig. »Vielen Dank, daß du es aufgehoben hast. Aber nun bin ich ja da. Du kannst gehen, Jandhi.« Jandhi wurde bleich. Angellas Worte klangen fast harmlos, aber sie waren es nicht. Es gab etwas, was ihnen gehörigen Nachdruck verlieh – das gute Dutzend Bewaffneter, das hinter Angella in den Schuppen drängte nämlich.

Aber Jandhis Unsicherheit währte nur einen Moment. Dann blitzte es in ihren Augen zornig auf. Sie schlug Angellas Hand beiseite, wich zwei, drei Schritte vor ihr zurück und hob drohend die Waffe.

»Was fällt dir ein?« fauchte sie. »Das hier geht dich nichts an! Verschwinde auf der Stelle!«

Es war sehr schwer, auf Jandhis vernarbten Zügen irgendeine Regung zu erkennen, aber für einen Moment war Tally fast sicher, einen Ausdruck abgrundtiefen Hasses in ihren Augen zu sehen. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt.

»Verzeiht, edle Herrin«, sagte sie spöttisch. »Aber Ihr täuscht Euch. Das hier geht mich sehr wohl etwas an. Muß ich dich wirklich daran erinnern, daß du hier in meinem Gebiet bist, Jandhi? Ich dachte, wir hätten eine Abmachung.«

Sie seufzte. Tally sah jetzt, daß sie sich nicht mit der gewohnten Geschmeidigkeit bewegte. Die Haltung, in der sie dastand, wirkte ein ganz kleines bißchen verkrampft. Dann fiel ihr wieder ein, wie tief der Stich gewesen war, den sie ihr versetzt hatte. Eigentlich grenzte es an ein Wunder, daß sie überhaupt die Kraft aufbrachte, zu stehen.

»Ich warne dich, Angella«, sagte Jandhi leise. »Ich habe dich und dein Gesindel bisher stillschweigend geduldet, aber du solltest den Bogen nicht überspannen.«

»Sonst?« fragte Angella spöttisch. »Sätze, wie der, den du gerade gesprochen hast, pflegen mit einem >... sonst wird dies oder das passieren< zu enden.«

»Meine Leute werden gleich hier sein«, sagte Jandhi gepreßt. Sie hatte jetzt eindeutig Angst. »Wenn du verschwunden bist, ehe sie auftauchen, vergesse ich den Zwischenfall.«

»Deine Leute, so?« Angella kicherte böse, »Falls du diese Narren von der Stadtgarde meinst«, sagte sie beinahe freundlich, »kannst du lange warten. Was von deiner sogenannten Armee noch lebt, versucht gerade verzweifelt sein Leben zu retten. Ich habe dich gewarnt, Jandhi, hierherzukommen. Es ist gut möglich, daß ich deinen Besuch erwidere.«

»Verzeihung, wenn ich mich einmische«, sagte Tally.

»Hättet ihr etwas dagegen, wenn ich gehe, während ihr euch streitet, wer mich nun umbringen darf?« Sie lächelte, nahm die Hände herunter und trat einen halben Schritt auf den Laser zu, den sie fallengelassen hatte. Jandhi warf ihr einen haßerfüllten Blick zu, während Angella ganz leise lachte – und die Waffe mit einem fast beiläufigen Tritt ins Wasser beförderte.

Tally blickte ihr enttäuscht nach, sah Angella an und hob resignierend die Schultern. »Nichts für ungut. Ich habe es versucht.«

»Das ist dein Fehler, Tally«, sagte Angella kalt. »Du versuchst zu viel.«

»Stimmt«, antwortete Tally. »Ich hätte nicht nur versuchen sollen, dich umzubringen; ich hätte das Schwert besser noch zweimal herumgedreht.«

Für einen ganz kurzen Moment entgleisten Angellas Gesichtszüge. Sie hob die Hand, als wolle sie Tally schlagen, führte die Bewegung aber nicht zu Ende. Statt dessen wandte sie sich mit einem Ruck zu einem ihrer Begleiter um. »Bringt den Waga!« befahl sie. »Und dann ersäuft dieses Vieh vor ihren Augen.«

»Ich warne dich noch einmal«, sagte Jandhi. Ihre Stimme bebte vor Aufregung. »Diese beiden gehören uns.«

Angella reagierte gar nicht, und auch Tally schenkte Jandhi nur einen beinahe mitleidigen Blick. Sie hatte überhaupt keine Angst, was sie selbst ein wenig verwunderte – vielleicht, weil die Situation einfach zu absurd war.

»Es geht hier nicht mehr um deine Rache, Angella«, sagte Jandhi erregt. »Ich weiß nicht, was Tally dir angetan hat, aber du begehst einen schweren Fehler, wenn du sie nicht auslieferst.«