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Es war nicht Par, den er gerettet hatte.

Es war Wren.

28

Wren war genauso überrascht, Morgan zu sehen, wie er, als er sie erkannte. Er war so groß und hager und scharfgesichtig, wie sie ihn in Erinnerung hatte – und gleichzeitig war er anders. Er kam ihr irgendwie älter und abgezehrter vor. Und da war etwas in dem Blick, mit dem er sie bedachte. Sie blinzelte zu ihm hinauf. Was machte er hier? Sie versuchte sich aufzurichten, aber ihre Kräfte versagten, und sie wäre zurückgefallen, wenn der Hochländer nicht zugepackt und sie aufgefangen hätte. Er kniete sich neben sie, zog ein Jagdmesser aus seinem Gürtel und zerschnitt ihre Fesseln und den Knebel.

»Morgan«, hauchte sie, über alle Maßen erleichtert, und umarmte ihn. »Ich bin so froh, Euch zu sehen.«

Ihm gelang ein schnelles, zuversichtliches Lächeln, und ein wenig Schalkhaftigkeit kehrte auf sein abgehärmtes Gesicht zurück. »Ihr seht schlimm aus, Wren. Was ist geschehen?«

Sie lächelte erschöpft zurück und war sich wohl bewußt, wie sie aussehen mußte. Ihr Gesicht war sicherlich blau und geschwollen. »Ich habe mich in meinem Urteil erheblich geirrt, fürchte ich. Macht Euch keine Sorgen, jetzt geht es mir gut.«

Er hob sie dennoch hoch und trug sie aus den Überresten des Wagens in das Licht der Dämmerung, wo er sie sanft absetzte. Sie rieb sich ihre Handgelenke und Knöchel, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu setzen, kniete sich dann hin, um ihre Hände mit dem Tau des noch immer feuchten Grases zu benetzen und betupfte vorsichtig ihr verletztes Gesicht.

Sie sah zu ihm hoch. »Ich dachte, es gäbe überhaupt keine Hoffnung mehr für mich. Wie habt Ihr mich gefunden?«

Er schüttelte den Kopf. »Zufall. Ich habe nicht einmal nach Euch gesucht. Ich habe Par gesucht. Ich dachte, die Schattenwesen hätten ihn in dem Wagen befördert. Ich hatte absolut keine Ahnung davon, daß Ihr es wart.«

Enttäuschung war in seinen Augen zu erkennen gewesen, als er sie erkannt hatte. Jetzt verstand sie es. Er war überzeugt gewesen, daß er Par gerettet hatte.

»Es tut mir leid, daß ich nicht Par bin«, erklärte sie. »Aber ich danke Euch trotzdem.«

Er zuckte die Achseln, verzog bei der Bewegung das Gesicht, und sie sah die Mischung von rotem und grünem Blut auf seiner Kleidung. »Was tut Ihr hier, Wren?«

Sie erhob sich und sah ihn an. »Das ist eine lange Geschichte. Wieviel Zeit haben wir?«

Er schaute über die Schulter. »Nicht viel. Die Südwache ist nur wenige Meilen von hier entfernt. Die Schattenwesen werden den Kampf gehört haben. Wir sollten so bald wie möglich verschwinden.«

»Dann werde ich mich kurz fassen.« Sie fühlte sich jetzt kräftiger und wurde durchströmt von neuerlicher Entschlossenheit. Sie war wieder frei, und sie hatte vor, das Bestmögliche daraus zu machen. »Die Elfen sind in die Vier Länder zurückgekehrt, Morgan. Ich habe sie auf einer Insel in der Blauen Spalte gefunden, wo sie fast hundert Jahre lang gelebt haben, und ich habe sie zrückgebracht. Das war Allanons Aufgabe für mich, und ich habe sie schließlich doch übernommen. Ihre Königin, Ellenroh Elessedil, war meine Großmutter. Sie starb unterwegs, und jetzt bin ich Königin.« Sie sah das Erstaunen in seinen Augen und ergriff seinen Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Hört einfach zu. Die Elfen werden von einer Föderationsarmee belagert, die ihnen um ein Zehnfaches überlegen ist. Sie haben sich unmittelbar südlich des Tales von Rhenn auf eine Verzögerungstaktik verlegt. Ich muß sofort zu ihnen zurückkehren. Wollt Ihr mit mir kommen?«

Der Hochländer sah sie an. »Wren Elessedil«, sagte er leise und probierte den Namen aus. Dann schüttelte er den Kopf, und seine Stimme festigte sich. »Nein, ich kann nicht, Wren. Ich muß Par finden. Er befindet sich vielleicht als Gefangener der Schattenwesen in der Südwache. Andere suchen dort draußen ebenfalls nach ihm. Ich habe versprochen, auf sie zu warten.«

Seine Stimme klang, als dulde er keine Widerrede, aber er fügte dennoch widerwillig hinzu: »Aber wenn Ihr mich wirklich braucht...«

Sie unterbrach ihn, indem sie seine Hand drückte. »Ich kann allein marschieren. Aber es gibt etwas, was ich Euch zuerst noch sagen muß, und Ihr müßt mir versprechen, es den anderen weiterzusagen, wenn Ihr sie wiederseht.« Sie festigte ihren Griff. »Wo sind sie übrigens? Was ist aus ihnen geworden? Was ist mit Allanons Aufgaben geschehen? Haben die anderen die ihren ebenfalls erfüllt?« Sie sprach zu schnell und zwang sich, langsamer zu werden, ruhig zu bleiben, nicht nach Osten und in den heller werdenden Himmel zu schauen. »Hier, setzt Euch. Laßt mich Eure Wunde ansehen.«

Sie nahm seinen Arm und führte ihn zu einem moosbedeckten Baumstamm, wo sie ihm das Hemd auszog, es in Streifen riß und die Schwertwunde so gut sie konnte reinigte und verband.

»Par und Coll haben das Schwert von Shannara gefunden, aber dann sind sie verschwunden«, erzählte er ihr, während sie seine Wunde versorgte. »Es ist eine zu lange Geschichte, um sie jetzt zu erzählen. Ich bin Par gefolgt, der seinerseits vielleicht Coll folgt. Ich weiß nicht, wer das Schwert hat. Was Walker betrifft, so war ich bei ihm, als er nach Norden ging, um die Magie wiederzuerlangen, die Paranor und die Druiden wiederherstellen würde. Er war erfolgreich, und wir sind zusammen zurückgekommen, aber seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.« Er schüttelte den Kopf. »Paranor ist zurückgekehrt. Das Schwert ist gefunden worden. Die Aufgaben sind alle erfüllt worden, aber ich weiß nicht, welchen Unterschied das macht.«

Sie beendete ihre Arbeit und trat wieder vor ihn hin. »Ich auch nicht. Aber irgendwie macht es einen Unterschied. Wir müssen nur herausfinden, was es ist.« Sie schluckte gegen die Trockenheit in ihrer Kehle an, und ihre haselnußbraunen Augen fixierten ihn. »Nun hört zu. Folgendes müßt Ihr den anderen erzählen.« Sie atmete tief ein. »Die Schattenwesen sind Elfen. Sie sind Elfen, die die alte Magie wiederentdeckt haben und leichtfertig damit umgegangen sind. Sie sind zurückgeblieben, als das restliche Elfenvolk den Vier Ländern und der Föderation entfloh. Die Magie hat sie verwandelt, wie sie alles verwandelt. Sie hat sie zu Schattenwesen gemacht. Sie sind eine andere Art Schädelträger alter dunkler Geister, für die die Magie eine Begierde ist, der sie nicht widerstehen können. Ich weiß nicht, wie sie vernichtet werden können, aber es muß getan werden. Allanon hatte recht – sie sind ein Übel, das uns alle bedroht. Die Antworten, die wir brauchen, sind aus den Aufgaben, die wir erfüllt haben, zu finden. Einer von uns wird die Wahrheit entdecken. Dieses Ziel müssen wir erreichen. Erzählt ihnen, was ich Euch gesagt habe, Morgan. Versprecht es.«

Morgan erhob sich. »Ich werde es ihnen sagen.«

Der Schrei eines Reihers durchbrach die morgendliche Stille, und Wren fuhr herum. »Wartet hier«, sagte sie.

Sie hinkte zu den toten Schattenwesen hinüber und begann ihre Kleidung zu durchstöbern. Einer von ihnen, das wußte sie, hatte die Elfensteine, die Tib Arne ihr gestohlen hatte. Ihr Zorn auf ihn flammte erneut auf. Sie durchsuchte zwei der Schattenwesen und fand nichts. Sie durchwühlte die Asche desjenigen, den Morgan verbrannt hatte, und fand auch dort nichts. Dann ging sie zu dem Fahrer und seinem Begleiter hinüber und durchsuchte sorgfältig ihre Kleidung.

In der Umhangtasche des einen fand sie den Beutel und die Steine. Sie atmete erleichtert auf, steckte den Beutel in ihre Tunika und humpelte zu Morgan zurück.

Auf halbem Wege sah sie das Pferd der Schattenwesen am Rande der Bäume grasen. Sie blieb stehen, dachte einen Moment lang nach, legte dann die Finger an den Mund und stieß einen seltsamen, tiefen Pfiff aus. Das Pferd hob den Kopf und wandte seine Ohren dem Geräusch zu. Sie pfiff erneut und änderte leicht die Tonhöhe. Das Pferd sah sie an und scharrte dann auf dem Boden. Sie ging langsam zu dem Tier herüber, sprach sanft auf es ein und streckte die Hand aus. Das Tier schnupperte an ihr, und sie streichelte seinen Hals und seine Flanken. Sie prüften sich eine kleine Weile lang, und dann schwang sie sich plötzlich auf seinen Rücken und sprach noch immer beruhigend auf es ein, während sie die Zügel in die Hände nahm.