»Was ist es?« hörte Par Coll neben sich flüstern.
Und dann sahen sie Walker Boh. Er kämpfte auf der anderen Seite der Höhle mit Felsen-Dall. Die beiden dunkel gekleideten Gestalten bekämpften einander aus einem verzweifelten Vorhaben heraus. Felsen-Dalls behandschuhte Hand glühte im Schattenwesenfeuer rot, und Walkers war in Druidenweiße gehüllt. Der Fels unter ihnen dampfte vor Hitze, und die Luft um sie herum pulsierte. Felsen-Dalls Augen waren Blutpunkte, und sein breites, grobknochiges Gesicht war vor Zorn angespannt.
An der Seite versuchte Ondit verzweifelt, Walker zu erreichen, während Schattenwesen ihn umzingelten, um ihn zu vernichten.
Morgan eilte ihnen zu Hilfe, ohne innezuhalten, heulte seinen Schlachtruf heraus und hob die dunkle Klinge seines Talismans, der eine Feuerspur hinterließ. Die dunkelhaarige Frau ging mit ihm. Coll stürzte statt dessen auf das gefangene Licht zu. Er wollte dort zuschlagen, war dann aber gezwungen, sich seitwärts zu wenden, um einen Angriff von Schattenwesen abzuwehren, die sich von dem Steg herab auf ihn warfen. Er ließ Damson fallen, und Par, der von hinten heraneilte, fing sie auf. Die Schattenwesen schlössen sich um Coll und zwangen ihn, zurückzuweichen. Das Schwert von Shannara bedeutete keine Bedrohung für sie, und Coll hatte keine andere Magie. Par schrie ihm zu, er solle aus dem Weg gehen, aber statt dessen stürmte Coll in den dunklen Tunnel hinein. Par setzte Damson eilig ab und folgte ihm. Coll stolperte und ging zu Boden, erhob sich gleich wieder und brach dann endgültig zusammen. Die Schattenwesen waren jetzt über ihm. Par heulte vor Wut auf und schlug mit der Magie des Wunschgesangs auf sie ein und warf sie zur Seite. Feuer griff auch ihn von oben und von allen Seiten an, aber unter der Rüstung seiner Magie tat er es achselzuckend ab.
Coll war auf Händen und Knien, als Par ihn erreichte. Blutig und ausgelaugt hob er das Gesicht, um Par anzusehen, und schob ihm dann das Schwert von Shannara zu.
»Geh voran!« sagte er und brach zusammen.
Par riß das Schwert hoch und stürmte vorwärts, den beißenden Geruch von Asche und Feuer in der Nase. Er sollte vorangehen, aber was mußte er tun? Er war sich bewußt, daß Morgan jetzt allein standhielt, da das dunkelhaarige Mädchen ebenfalls gefallen war. Er konnte Walker oder Felsen-Dall nicht mehr entdecken. Er spürte seine Kräfte nachlassen, der andauernde Gebrauch der Magie hatte sie erschöpft. Er würde schnell sein müssen, was auch immer er tun konnte. Er stolperte vorwärts, näherte sich dem Licht und fragte sich erneut, was es war und was er damit tun sollte. Sollte er es befreien? Hatte Walker nicht gesagt, daß sie dafür in die Südwache gekommen waren? Wenn es ein Gefangener der Schattenwesen war, dann sollte es befreit werden. Aber war es das wirklich? Er war sich nicht sicher. Er war selbst kaum frei, und seine eigene Verwirrung zerrte noch immer mit Ketten ihrer eigenen Art an ihm.
Er schaute auf das Schwert von Shannara hinab und wurde sich plötzlich der Tatsache bewußt, daß er es trug, daß er es von Coll angenommen hatte. Warum hatte er das getan? Das Schwert war nicht für ihn gedacht. Es war für Coll gedacht. Er war nicht einmal fähig, es zu gebrauchen.
Und dann stand Felsen-Dall plötzlich vor ihm. Der Wolfskopf schimmerte im Licht, und seine dunklen Gewänder fielen zerrissen auseinander. Seine Kapuze war zurückgerissen worden, und sein rotbärtiges, rauhes Gesicht war blutverschmiert. Er stand zwischen Par und dem Licht und ragte dunkel vor ihm auf. Seine behandschuhte Hand glühte in karmesinrotem Feuer. Als er lächelte, wurde es eine entsetzliche Grimasse.
»Bist du herabgekommen, um herauszufinden, was wir hier verborgen halten?« fragte er.
»Geht mir aus dem Weg«, befahl Par.
»Nicht mehr«, sagte der andere, und Par erkannte plötzlich, daß der behandschuhte Arm überhaupt nicht mehr behandschuht war, daß der Arm nur noch aus Feuer bestand, daß es das war, was schon die ganze Zeit unter dem Handschuh verborgen gewesen war. »Ich habe dir doch so viele Chancen gegeben, Junge.«
Jetzt war kein Heucheln von Freundlichkeit oder Sorge mehr erkennbar. Abscheu schimmerte in Felsen-Dalls Augen, und sein Körper war vor Zorn verkrampft. »Du gehörst mir! Du hast mir immer gehört! Du hättest dich mir übergeben sollen, als du die Chance dazu hattest! So wäre es leichter gewesen!«
Par starrte ihn mit geöffnetem Mund an.
»Du gehörst mir!« fluchte Felsen-Dall wütend. »Du verstehst immer noch nicht, nicht wahr? Du gehörst mir, Par Ohmsford! Deine Magie gehört mir!«
Er sprang vorwärts, und Par hatte kaum Zeit, aufzuschreien und die Magie des Wunschgesangs aufzuwerfen, um ihn langsamer werden zu lassen. Und das war auch alles, was sie vermochte. Der Erste Sucher kam durch den Schild hindurch, als bestünde er aus Papier, und seine Hände krallten sich um Pars Schultern wie Eisenklammern. Par war sich vage bewußt, daß er dachte, es sei dies gewesen, was Felsen-Dall die ganze Zeit über gewollt hatte – die Magie des Wunschgesangs und Pars Körper, in dem er sie führen konnte. All die Erklärungen, er wolle ihm helfen, die Magie zu kontrollieren, waren nur ein Vorwand gewesen, um sie in seinen Besitz zu bringen und sie zu verbergen. Wie alle Schattenwesen brauchte Felsen-Dall die Magie in anderen, und wenige hatten so eine Magie wie Par.
Er wurde von dem Gewicht des anderen zurückgeworfen und auf die Knie gezwungen. Das Schwert von Shannara entglitt seinen kraftlosen Fingern. Er hob die Hände an, um den anderen abzuwehren, rief die Magie zu seiner Verteidigung herauf, aber es war, als sei all seine Kraft aus ihm herausgesaugt worden. Er konnte kaum atmen, während ihn der Schatten des anderen umhüllte. Felsen-Dall begann seinen Körper zu verlassen und in Par einzudringen. Der Talbewohner sah, wie es geschah, und spürte, daß es begann. Er schrie und kämpfte darum, freizukommen, aber er war hilflos.
Nicht das! dachte er entsetzt. Laß es nicht geschehen!
Er wand sich und trat um sich und zerrte an dem anderen, aber Felsen-Dalls Selbst drängte sich in ihn und drang durch seine Haut hindurch. Par fühlte Kälte und Düsterkeit, Abscheu vor sich selbst. Einst hätte er dies verhindern können, spürte er. Früher, als die Magie außer Kontrolle war und von seiner Angst und seinen Zweifeln getrieben wurde, wäre er stark genug gewesen, um den anderen fernzuhalten. Felsen-Dall hatte das gewußt. Die Gedanken des Ersten Suchers suchten seine eigenen zu verdrängen, und er wich vor dem zurück, was sie offenbarten. Jemand muß mir helfen! Er sah eine schnelle Bewegung zu seiner Linken, und Morgan Leah stürzte heulend vor. Aber Felsen-Dall schlug mit seiner behandschuhten Hand zu, und Morgan verschwand in einem Blitz roten Feuers und taumelte wieder in die Dunkelheit zurück. Die Hand kehrte zurück und schloß sich erneut um Par. Der Talbewohner hatte sich in sich selbst zurückgezogen, wo seine Magie am stärksten war, und sammelte sie in einem eisernen Kern. Aber Felsen-Dall schloß sich unerbittlich darum, drängte herein und preßte den Kern zusammen. Par konnte sogar spüren, daß ein Teil von ihm nachgab...
Doch dann wurde der Erste Sucher plötzlich zurückgerissen, und sein Schattenwesenselbst riß sich von Par los. Par keuchte und blinzelte und sah, daß Walker Boh seine gesunde Hand um die Kehle Felsen-Dalls gelegt hatte und daß das Druidenfeuer an ihm entlanglief. Er war versengt und zerkratzt, und sein Gesicht war unter dem schwarzen Bart und den Blutstriemen so weiß wie Kreide, aber Walker Boh war in seiner reinen Entschlossenheit stark und brachte seine Magie gegen den Feind zum Tragen. Felsen-Dall bäumte sich brüllend auf, schlug mit seiner behandschuhten Hand um sich und versprühte die Schattenwesenmagie in alle Richtungen. Etwas in dem, was Walker mit ihm tat, hielt Felsen-Dall von seinem leiblichen Körper fern, hielt sein Schattenwesenselbst gerade außerhalb und jenseits davon. Beide Teile kämpften darum, sich wieder zu vereinigen, aber Walker stand zwischen ihnen und hielt sie voneinander fern.