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Sie befanden sich jetzt erneut in der Innenmauer und eilten wieder zu den Kellern hinab, durch die sie gekommen waren. Die Geräusche von außen verklangen jetzt und drangen immer seltener durch die Schichten von Steinblöcken. Sie erreichten die Falltür und kletterten hindurch und stiegen die Stufen zu den darunterliegenden Tunneln hinab. Von dort eilten sie schnell durch die Dunkelheit, fort von den Stadtmauern und zurück zum Zentrum der Stadt. Bald befanden sie sich tief in den Abwässerkanälen, und alles war ruhig.

»Wir sollten... wir sollten uns einfach einen Moment ausruhen«, schlug Par schließlich vor. Er war außer Atem vom Laufen, und zudem brauchte er Zeit zum Nachdenken, Zeit, zu entscheiden, was als nächstes zu tun sei.

»Hier«, sagte der Maulwurf und führte sie zu einer Plattform, die einer über ein Gewirr von Tunneln und Röhren hinwegführenden Leiter als Fundament diente. Über ihnen schien trübes Licht durch ein Gitter. Die Straßen waren ruhig und ohne Leben. »Ich werde zurückgehen und sicherstellen, daß wir nicht verfolgt werden.«

Er verschwand in die Dunkelheit und ließ die Kerze bei ihnen zurück. Der Talbewohner und das Mädchen beobachteten seinen Weggang und machten es sich dann bequem. Sie saßen mit dem Rücken an der Wand Seite an Seite nebeneinander und hatten die Kerze vor sich. Par fühlte sich ausgelaugt. Er schaute in die Dunkelheit jenseits der Kerzenflamme, und Erschöpfung breitete sich in ihm aus. Er konnte Damson atmen hören und die Hitze ihres Körpers spüren.

»Du weißt, was sie ihm antun werden«, sagte sie schließlich. Er antwortete nicht und schaute unbeirrt geradeaus. »Sie werden ihn zu einem der ihren machen. Sie werden ihn benutzen.«

Wenn es ihnen gelingt, ihn lebend zu bekommen, dachte Par. Und vielleicht nicht einmal dann. Felsen-Dall ist unberechenbar.

»Warum hast du mich nicht gezwungen, zu ihm zurückzugehen?« fragte er sie.

Es entstand ein langes Schweigen, bevor sie sprach. »Das würde ich dir niemals antun.«

Er sagte einen Moment lang nichts und ließ ihre Worte in sich nachklingen. »Es tut mir leid wegen Padishar«, sagte er schließlich. »Ich wollte ihn auch nicht zurücklassen.«

»Das weiß ich«, sagte sie leise.

Sie sagte es so entschieden, daß er zu ihr hinübersah, um sicherzugehen, daß er sie richtig verstanden hatte. Ihr Blick begegnete dem seinen. »Ich weiß«, wiederholte sie. Der Schmerz in ihrer Stimme war spürbar. »Es war nicht dein Fehler. Padishar hat dir das Versprechen abgenommen, mich zuerst zu retten. Er hätte es auch mich versprechen lassen, wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre.« Sie schaute wieder fort. »Ich war nur ärgerlich, als ich sah...« Sie schüttelte den Kopf.

»Bist du in Ordnung?«

Sie nickte schweigend, und ihre Augen schlössen sich.

»Wissen sie, wer du bist?«

Sie schaute erneut zu ihm herüber. »Nein. Warum sollten sie?«

Er atmete tief durch. »Der Maulwurf. Das da hinten war eine Falle, Damson. Sie haben auf uns gewartet. Sie hatten irgendeinen Grund für die Vermutung, daß wir dich holen würden. Welchen besseren Grund gibt es als den, daß sie wußten, daß du Padishar Creels Tochter bist? Padishar glaubt, daß der Maulwurf uns verraten hat.«

Wieder wurde Verärgerung in ihren Augen sichtbar. »Par, der Maulwurf hat uns gerettet! Dich ohnehin. Ich hatte nur Pech. Die Föderation hat mich von den Auseinandersetzungen in den Straßen her erkannt, und sie wußten, daß ich dir geholfen hatte, aus der Kornmühle zu entkommen.« Sie zögerte. »Das war auch eine Falle, nicht wahr? Sie wußten...« Sie hielt inne. Offensichtlich war sie unsicher, wo dies hinführen würde.

»Es hätte der Maulwurf sein können«, wiederholte Par hartnäckig. »Vielleicht ist er gefangengenommen worden, als er kam, um nach dir zu suchen. Oder irgendwann davor.«

»Und er soll uns dennoch zur Flucht verholfen haben?« fragte sie ungläubig. »Warum? Welchen Sinn hätte das? Die Föderation hätte uns alle gefangengenommen, wenn er uns nicht aus dem Wachturm fortgebracht hätte.«

»Ich weiß. Das habe ich auch gedacht.« Er schüttelte den Kopf. »Aber sie finden uns immer wieder, Damson. Wie kann ihnen das gelingen? Die Schattenwesen scheinen ein Ohr an jeder Mauer zu haben. Das ist heimtückisch. Manchmal scheint es, als könnte man niemandem mehr trauen.«

Sie lächelte bitter. »Das kann man auch nicht mehr, Par. Hast du das denn noch nicht bemerkt? Es gibt nur noch dich und mich. Und können wir einander überhaupt trauen?«

Er sah sie entsetzt an. Traurigkeit trat in ihre Augen, und sie streckte schnell die Arme aus, legte sie um ihn und zog ihn nah an sich heran.

»Es tut mir leid«, sagte sie und er konnte spüren, daß sie weinte.

»Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren«, flüsterte er in ihr Haar. Er spürte, wie sie leicht nickte. »Ich habe das alles so satt. Ich will nur, daß es aufhört.«

Sie hielten einander schweigend umschlungen, und Par ließ sich mit seinen Gefühlen für sie treiben, schloß die Augen und ließ die Müdigkeit in sich einsickern. Er wünschte plötzlich, sie wären wieder im Tal, wieder nach Hause zurückgekehrt zu seiner Familie und seinem alten Leben, er wünschte, daß Coll noch lebte und nichts von diesem allen jemals geschehen wäre. Er wünschte, er könnte dies alles noch einmal tun. Er würde nicht mehr so stark bestrebt sein, Allanon zu suchen. Er würde nicht mehr so überstürzt seine Suche nach dem Schwert von Shannara aufnehmen.

Und er würde nicht wieder den Fehler machen zu glauben, daß seine Magie eine Gabe sei.

Dann dachte er daran, wie sehr der Wunschgesang einst ein Teil von ihm selbst gewesen war und wie fremd er ihm jetzt schien. Er hatte sich wieder aus seiner Kontrolle befreit, als er ihn im Wachturm heraufbeschworen hatte. Trotz seiner Vorbereitungen, trotz seiner Bemühungen. Konnte er jemals wirklich sagen, daß er ihn heraufbeschworen hatte? Oder war er einfach von allein gekommen, als er jene Schattenwesen gespürt hatte? Sicherlich hatte er in jedem Fall das getan, was er sich erwählt hatte, und war wie ein Messer hervorgeschnellt, um seine Gegner zu vernichten. Par spürte, wie er bei der Erinnerung erschauerte. Er hatte sich das selbst wahrhaftig niemals gewünscht. Die Magie hatte die dunklen Wesen vernichtet, ohne einmal nachzudenken und ohne Gewissensbisse. Seine Brauen furchten sich. Nein, nicht die Magie. Er. Er hatte sie vernichtet. Er hatte es vielleicht nicht gewollt, aber er hatte es trotzdem getan. Par gefiel nicht, was das bedeutete. Die Schattenwesen waren, was sie waren, und vielleicht stimmte es, daß sie keinen Atemzug lang zögern würden, ihn zu töten. Aber das änderte nichts daran, wer und was er war. Er konnte noch immer die Augen jenes Soldaten sehen, den Padishar getötet hatte. Er sah wieder und wieder das Leben aus ihnen entweichen. Er hatte das Gefühl, endlos weinen zu müssen. Er haßte die Tatsache, daß es notwendig gewesen und er ein Teil davon gewesen war. Daß er die Gründe dafür verstand, machte es nicht annehmbarer. Und doch, was für ein Heuchler war er, daß er in einem Moment wegen eines einzigen Lebens verzweifelte und im nächsten ein halbes Dutzend beendete?

Er wollte die Antwort auf diese Frage gar nicht erfahren. Was er erkannte war, daß sich die Magie des Wunschgesangs in ihm seltsam verändert hatte und, indem sie sich verwandelte, auch ihn verändert hatte. Das ließ ihn intensiver an Felsen-Dalls Behauptung denken, daß auch er ein Schattenwesen sei. Nach alledem, worin bestand der Unterschied zwischen ihnen?

»Damson?«

Die zaghafte Stimme des Maulwurfs flüsterte aus der Dunkelheit und trennte sie von ihm, als sie aufschaute. Seltsam, dachte er, daß der Maulwurf nur mit ihr spricht.

Der kleine Bursche glitt blinzelnd und zwinkernd ins Licht. »Sie folgen uns nicht. Die Tunnel sind leer.«

Damson schaute zurück zu Par. »Was tun wir jetzt, Elfenjunge?« flüsterte sie und streckte die Hand aus, um seine Haare zurückzustreichen. »Wohin gehen wir?«