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Kälte brach in seiner Magengrube aus. Der Wunschgesang wieder. Vor ihm gab es kein Entkommen. Er konnte fühlen, wie sich seine Magie in Erwartung der Möglichkeit bewegte, daß sie vielleicht erneut gebraucht werden würde, daß sie vielleicht erneut freigelassen werden würde...

Damson sah die Veränderung in seinem Gesicht und zog ihn schnell hoch. »Nein, du wirst die Magie nicht gebrauchen. Nicht wenn du es nicht mußt, und du mußt es nicht. Wir können einen anderen Weg einschlagen – östlich unter den Bergen hindurch und dann nach Norden über den Rabb. Eine etwas längere Reise vielleicht, aber genauso sicher.«

Er nickte, und Erleichterung durchdrang ihn. Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen. Er hatte Angst, die Magie zu benutzen. Er traute ihr nicht mehr. »In Ordnung«, stimmte er zu und zwang sich zu einem Lächeln. »So werden wir es machen.«

»Dann komm.« Sie zog an seiner Hand. »Laß uns den Weg zurückgehen, auf dem wir gekommen sind. Wir können einige Stunden schlafen und dann erneut aufbrechen.« Sie lächelte strahlend. »Denke immer daran, Par. An Paranor!«

Sie gingen den kleinen Pfad entlang zurück, gelangten aus den Felsen auf den Hauptweg und begann dann, gen Süden zu ziehen. Sie eilten voran und bebten noch immer vor Aufregung wegen dem, was sie entdeckt hatten. Sie wollten diese Neuigkeit bald anderen übermitteln. Aber nachdem der erste Ansturm der Euphorie verklungen war, stiegen in Par andere Gedanken hoch. Vielleicht war es verfrüht, die Rückkehr Paranors zu preisen. Der Schatten Allanons hatte niemals erklärt, welcher Zweck erfüllt sein würde, wenn seine Aufgaben ausgeführt wären. Paranor war zurückgekehrt, aber welchen Unterschied machte das aus? Waren auch die Druiden zurückgekehrt? Und wenn, würden sie wirklich bei dem Kampf gegen die Schattenwesen helfen?

Oder würden sie sich, wie Felsen-Dall zu bedenken gegeben hatte, als die wahren Feinde der Rassen erweisen?

Während sie dem dunklen Gürtel der unter ihnen gelegenen Wälder zueilten, verdüsterte sich Pars Stimmung beständig. Walker hatte Allanons Motive mit Vorsicht betrachtet. Er war der erste gewesen, der vor den Druiden gewarnt hatte. Was war wohl geschehen, daß er seine Meinung geändert hatte? Warum hatte er zugestimmt, Paranor zurückzubringen? Par wünschte mit ihm sprechen zu können, und sei es nur einen Moment lang. Er hätte gern mit fast jedem der ursprünglichen Gesellschaft, die mit ihm zum Hadeshorn gekommen war, gesprochen. Er hatte es satt, sich in dieser Angelegenheit allein und verlassen zu fühlen. Er war es leid, Fragen ohne Antworten zu haben.

Zwei Stunden später erreichten sie den Fuß der Drachenzähne und tauchten wieder in den Schutz der Bäume ein. Der Widerschein der Wachfeuer der Föderation war schon lange hinter ihnen hinter den Felsen verblaßt, und die Begeisterung darüber, daß sie Paranor entdeckt hatten, hatte sich in hartnäckigen Zweifel verwandelt. Par behielt seine Gedanken für sich, aber die Blicke, die Damson ihm immer wieder zuwarf, zeigten, daß sie sein Schweigen richtig deutete. Es schien Par, daß sie sich inzwischen so nah waren und sich so genau kannten, daß zwischen ihnen keine Worte nötig waren. Damson konnte seine Gedanken lesen. Sie wußte, was er dachte. Er konnte es in ihren Augen sehen.

Als sie den Wald betraten, übernahm sie wieder die Führung, ging gen Osten am Fuß der Berge entlang voraus, führte sie über schwierigeren Untergrund an einen Platz, wo die Bäume weiter auseinanderstanden und grasbewachsene Lichtungen und kleine Flüsse freigaben und wo man ein Lager errichten konnte. Die Nacht war von leisen, zarten Geräuschen erfüllt, kleinen Lauten der Zufriedenheit, die durch keinen Eindringling gestört wurden. Der Wind hatte aufgehört, und die Luft vor ihnen machte ihren Atem sichtbar, während sie weitergingen. Der Mond war unter den Horizont verschwunden, und nur das Sternenlicht zeigte ihnen noch den Weg.

Sie gingen nicht mehr weit, nicht weiter als eine Meile, bevor sich Damson auf einer Lichtung neben einer kleinen Quelle niederließ. Für einige Stunden würde das ihr Ruheplatz sein, meinte sie. Sie müßten vor Tagesanbruch erneut aufbrechen. Sie wickelten sich in Decken, die der Maulwurf ihnen aus einem seiner unterirdischen Lager mitgegeben hatte, legten sich nah aneinander in die Dunkelheit und schauten in die Bäume hinauf. Par barg das Schwert von Shannara in einer Armbeuge, so daß es der Länge nach an seinem Körper anlag, und fragte sich erneut, welchem Zweck sein Talisman wohl diente und wie er dies jemals herausfinden sollte.

Und fragte sich immer noch, ganz tief im Innern, ob es wirklich das war, wofür er es hielt.

»Ich denke, es ist in Ordnung«, flüsterte Damson unmittelbar bevor er einschlief. »Ich glaube nicht, daß du dir Sorgen machen mußt.«

Er verstand nicht genau, was sie sagte, und obwohl er versucht war, es zu tun, fragte er sie nicht.

Er erwachte, als es noch dunkel war. Der Sonnenaufgang warf einen schwachen Silberschimmer kaum sichtbar durch die Baumwipfel. Die Stille hatte ihn geweckt, die plötzliche Abwesenheit aller Geräusche – die Vögel und Insekten waren ruhig geworden, die Tiere waren wie zu Eis erstarrt und die Welt unmittelbar um ihn herum schien leer und tot zu sein. Er setzte sich abrupt auf, als erwache er aus einem bösen Traum. Aber es war die Stille, die seinen Schlummer unterbrochen hatte, und der Gedanke, daß kein Traum jemals so erschreckend sein konnte, überwältigte ihn.

Schatten umhüllten die Lichtung und tiefe, zerfließende Teiche von Feuchtigkeit. Dunkelheit hing in der Luft wie Rauch, und ein schwacher Hauch von Nebel war durch die Bäume zu sehen. Pars Hände lagen auf dem Schwert von Shannara, und er hielt das Heft vor sich umklammert, als wollte er seine Angst abwehren. Er schaute sich hastig um, sah nichts, schaute sich weiterhin um und sprang dann wachsam auf. Damson war jetzt auch wach. Sie erhob sich mit verschlafenem Blick aus ihrer Decke und unterdrückte ein Gähnen.

Still wie der Tod, dachte Par. Er sah sich ängstlich um.

Was stimmte nicht? Warum war es so still?

Dann bewegte sich in den tiefsten Schatten der Lichtung etwas, da war ein für das bloße Auge kaum wahrnehmbares Verschieben der Dunkelheit, die Art Bewegung, die entsteht, wenn Wolken über die Vorderseite des Mondes ziehen. Nur daß keine Wolken und kein Mond da waren, nichts als der Nachthimmel und die verblassenden Sterne.

Damson setzte sich neben ihm auf. »Par?« flüsterte sie fragend.

Er wandte seinen Blick nicht von der Bewegung ab. Sie begann Gestalt anzunehmen, die Schatten verschmolzen allmählich zu Umrissen von dem, was Momente zuvor nichts als Nacht gewesen war.

Eine Gestalt erschien, verkrümmt und geduckt, ganz schwarz und gesichtslos unter dem Umhang und der Kapuze, die sie einhüllten.

Par erstarrte. Es war etwas Vertrautes an diesem Eindringling, etwas, das er fast benennen konnte. Es war die Art, wie er sich bewegte oder sich hielt oder atmete. Aber wie konnte das sein?

Die Gestalt kam näher. Sie ging nicht wie ein Mensch oder ein Tier gehen würde, sondern bewegte sich wie etwas, was weder eins von beiden und doch auch gleichzeitig beides war. Sie bahnte sich geduckt ihren Weg aus der tiefen Dunkelheit heraus und kam auf sie zu. Das Geräusch ihres Atems wurde plötzlich hörbar. Kch, kch, ein kratzendes Husten, ein Zischen. In schwarzem Umhang und mit Kapuze stand sie in dem seidigen Schutz der Nacht verborgen da, bis sie ganz plötzlich den Kopf hob und das Licht den schwachen Schimmer ihrer roten Augen auffing.

Par spürte, wie sich Damsons Finger um seinen Arm schlössen.

Es war ein Schattenwesen.

Eine qualvolle Einsicht überkam den Talbewohner, als er seinen Feind erkannte. Er mußte nach allem erneut kämpfen. Er mußte den Wunschgesang erneut anrufen. Es war kein Ende abzusehen, dachte er betrübt. Wo auch immer er hinging, sie fanden ihn. Jedes Mal, wenn er geglaubt hatte, er habe die Magie das letzte Mal gebraucht, wurde er gezwungen, sie noch einmal einzusetzen. Und noch einmal danach. Immer wieder.