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Dann hörten sie ein Geräusch aus dem aufgewühlten Wasser und Stiefel, die an Stein schabten.

»Morgan?« rief jemand leise. »Seid Ihr das?«

Es war Damson. Morgan antwortete, und kurz darauf umarmte sie ihn und dann Matty und erzählte ihnen, daß sie schon seit Stunden gesucht hätte, die Tunnel von einem Ende zum anderen abgeschritten sei, um ihre Spur zu finden.

»Allein?« fragte Morgan ungläubig. Er war so erleichtert, sie zu sehen, daß ihm fast schwindlig wurde. »Habt Ihr etwas zu essen oder zu trinken?«

Sie reichte ihnen beiden einen Bierschlauch und Brot und Käse aus ihrem Gepäck. »Der Maulwurf hat mir geholfen«, sagte sie flüsternd. »Als Ihr die Decke des Lagerhauses habt einstürzen lassen, brach auch ein Teil der Tunnel ein. Vielleicht habt Ihr es nicht einmal bemerkt. Auf jeden Fall waren wir von Euch abgeschnitten, und Ihr habt schließlich den falschen Weg eingeschlagen.« Sie schüttelte ihr feuriges Haar zurück und seufzte. »Wir mußten zuerst Padishar und die anderen hinausbringen. Da war noch keine Zeit, nach Euch zu sehen. Als sie in Sicherheit waren, sind der Maulwurf und ich zurückgegangen, um Euch zu suchen.«

In der Dunkelheit auf einer Seite blinzelten und glänzten die hellen Augen des Maulwurfs. Morgan war verblüfft. »Aber wie habt Ihr uns gefunden? Wir hatten uns vollständig verirrt, Damson. Wie konntet Ihr...?«

»Ihr habt eine Spur hinterlassen«, sagte sie und legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm.

»Eine Spur? Aber das Regenwasser hat alles fortgewaschen!«

Sie lächelte, obwohl sie sich deutlich bemühte, es nicht zu tun. »Nicht auf dem Boden, Morgan – in der Luft.« Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Maulwurf?« rief sie. »Erzähle es ihm.«

Das pelzige Gesicht des Maulwurfs kam ins Licht. Er blinzelte fast schläfrig, und seine Nase drehte sich, als er in Richtung des Hochländers in die Luft schnüffelte. »Euer Geruch ist sehr stark«, sagte er. »Überall in den Tunneln. Die liebliche Damson hat recht. Ihr wart leicht aufzuspüren.«

Morgan sah ihn an. Er konnte Matty Rohs unterdrücktes Lachen hören und wurde rot.

Sie rasteten gerade lange genug, um etwas zu essen, und brachen dann mit dem Maulwurf als Führer erneut auf. Sie begegneten weder Föderationssoldaten noch Schattenwesen und kamen gut voran. Während er ging, wanderten Morgans Gedanken auf einer bedächtigen, bewußten Reise der Selbstbewertung in die Vergangenheit und wieder zurück. Er betrachtete sich und sah, wie er sich verändert hatte. Als er fertig war, stellte er fest, daß er nicht unzufrieden war. Er hatte wichtige Lektionen gelernt.

Als sie nördlich der Bergflanke hervorkamen, war der Himmel erneut klar und erfüllt vom Licht des Mondes und der Sterne. Die Luft war vom Regen reingewaschen und roch nach dem Wald, und die aus dem Westen heranwehende Brise war kühl und weich wie Daunen. Sie standen zusammen auf vom Unwetter noch feuchtern Gras und schauten über die Ebenen und die Hügel zu den Drachenzähnen und über den dahinterliegenden Horizont hinaus.

Morgan sah Matty Roh an und bemerkte, daß sie ihn ebenfalls betrachtete, sie lächelte leicht, und ihre Gedanken schienen persönlich und geheim und seltsam zwingend. Sie war einfach und hübsch, zurückhaltend und direkt, und ein Dutzend weitere Widersprüche trafen auf sie zu, vielerlei Gegensätze von Stimmungen und Verhaltensweisen, die er nicht verstand, aber verstehen wollte. Er sah sie in Fragmenten der Erinnerung – als der Junge, für den er sie im Whistledown gehalten hatte, als das Mädchen mit den verunstalteten Füßen und der in Scherben liegenden Vergangenheit am Firerim Reach, als die tödlich schnelle Schwertkämpferin, die sich in Tyrsis gegen die Föderation und die Schattenwesen behauptet hatte, und als die rätselhafte Verlorene, die in einem Atemzug Dämon und Elfe sein konnte.

Er konnte nicht anders, er lächelte sie ebenfalls an und versuchte an einem Geheimnis teilzuhaben, das nur sie kannte.

Damson kniete vor dem Maulwurf. »Willst du dieses Mal nicht mit uns kommen?« fragte sie ihn. Der Maulwurf schüttelte den Kopf. »Es wird mit jedem Mal, wenn du zurückgehst, gefährlicher für dich.«

Der Maulwurf dachte nach. »Ich habe keine Angst um mich, liebliche Damson. Ich habe nur Angst um dich.«

»Die Monster, die Schattenwesen sind in der Stadt«, erinnerte sie ihn sanft.

Er antwortete mit einem kurzen Achselzucken und einem ernsten Blick. »Die Monster sind überall.«

Damson seufzte, legte ihre Arme um den kleinen Burschen und drückte ihn. »Auf Wiedersehen, Maulwurf. Danke für alles. Danke auch für Padishar. Ich schulde dir so viel.«

Der Maulwurf blinzelte. Seine hellen Augen glänzten.

Sie ließ ihn los und stand auf. »Ich werde zurückkommen, wenn ich kann«, sagte sie. »Ich verspreche es.«

»Wenn du den Talbewohner gefunden hast?« Der Maulwurf wirkte plötzlich verlegen.

»Ja, wenn ich Par Ohmsford gefunden habe. Dann werden wir beide zurückkommen.«

Der Maulwurf strich sich über das Gesicht. »Ich werde auf dich warten, liebliche Damson. Ich werde immer auf dich warten.«

Dann wandte er sich um und verschwand wieder in den Felsen. Er schmolz dahin wie einer der Nachtschatten. Morgan stand mit Matty Roh da, sah ihm nach und konnte nicht ganz glauben, daß er wirklich fort war. Die Nacht war still und kühl, bar aller Geräusche und angefüllt mit Erinnerungen, die durcheinandergerieten wie zu schnell gesprochene Worte, und es schien, als sei alles ein Traum, der mit dem Blinzeln beim Erwachen vergehen könnte.

Damson wandte sich ihm zu. »Ich werde Par suchen«, verkündete sie ruhig. »Chandos hat Padishar und die anderen zum Firerim Reach zurückgebracht, wo sie einen oder zwei Tage rasten werden, bevor sie nach Norden ziehen, um die Trolle zu treffen. Ich habe für ihn getan, was ich konnte, Morgan. Er braucht mich nicht mehr. Aber Par Ohmsford braucht mich, und ich beabsichtige, mein Versprechen zu halten, das ich ihm gegeben habe.«

Morgan nickte. »Ich verstehe. Ich komme mit Euch.«

Matty Rohs Stimme klang plötzlich unerklärlich herausfordernd: »Dann werde ich auch mitkommen«, erklärte sie. Sie suchte erst in dem einen, dann in dem anderen Gesicht nach einem Einwand, fand keinen und fragte dann in friedlicherem Tonfalclass="underline" »Wer ist Par Ohmsford?«

Morgan lachte fast. Er hatte vergessen, daß Matty nur zum Teil wußte, was vor sich ging. Es gab vermutlich keinen Grund, daß sie nicht alles erfahren sollte. Sie hatte sich das Recht dazu erworben, als sie zur Befreiung von Padishar mit nach Tyrsis gekommen war.

»Erzählt es ihr unterwegs«, wandte Damson plötzlich ein und schaute unruhig über ihre Schulter. »Wir haben keinen Schutz, wenn wir hier herumstehen. Vergeßt nicht, daß sie uns noch immer jagen.«

Innerhalb weniger Momente waren sie auf dem Weg nach Osten, wanderten von der Klippe fort auf den Mermidon zu. Eine Stunde Marsch, und sie würden im Schutz der Bäume sein und einige Stunden schlafen können. Es war das Beste, was sie für diese Nacht erhoffen konnten.

Während sie gingen, erzählte Morgan erneut die Geschichte von Par Ohmsford und den Träumen von Allanon. Die drei Gestalten verschwanden langsam in der Ferne, die Mitternacht kam und ging, und der neue Tag begann.

23

Sie verbrachten den Rest der Nacht in einem Hain weißer Eichen, die den Mermidon wenige Meilen unterhalb des Kennonpasses säumten. Es war kühl und schattig, wo sie schliefen, geschützt vor der späten Sommerhitze, die sich früh auf dem offenen Grasland sammelte, und sie wachten erst weit nach Sonnenaufgang auf. Sie wuschen sich und aßen etwas von den Vorräten, die Damson mit sich trug, lauschten auf den stetigen Fluß des Stroms und den überschäumenden Vogelgesang. Morgan rieb sich den Schlaf aus den Augen und versuchte sich alles in Erinnerung zu rufen, was am vorangegangenen Tag geschehen war, aber es verschwamm in seinem Geist bereits wie eine Erinnerung, die vor langer Zeit gespeichert worden war. Daß Padishar Creel wieder in Sicherheit war, wie lange her dieses Ereignis auch sein mochte, war das einzig Wichtige, sagte er sich mißmutig und ließ die Angelegenheit in die Tiefen des Gestern entgleiten.