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»Also, welchem glauben wir?« fragte Matty. Sie trat einige Schritte beiseite, als wäre ihr etwas eingefallen, wandte sich dann plötzlich um und kam wieder zurück. »Welches ist das richtige?«

Damson schüttelte erneut den Kopf. »Ich weiß es nicht.« Mattys kobaltblaue Augen richteten sich auf den Horizont, über dem sich die Wolken aufbauten. »Dann werden wir beidem nachgehen müssen.«

Damson nickte. »Das denke ich auch. Ich weiß keine andere Möglichkeit.«

Morgan stieß enttäuscht den Atem aus. »In Ordnung. Wir werden zuerst nach Süden gehen. Das Leuchten ist das stärkere von beiden.«

»Und die Südwache außer acht lassen?« Matty schüttelte den Kopf. »Das dürfen wir nicht. Jemand muß hierbleiben, falls Par Ohmsford dort drinnen ist. Denke darüber nach, Hochländer. Was ist, wenn er dort drinnen ist und sie versuchen, ihn woanders hinzubringen? Was ist, wenn eine Gelegenheit kommt, ihn zu befreien, und niemand hier ist, um etwas zu unternehmen? Wir könnten ihn verlieren und müßten ganz von vorn anfangen. Ich glaube nicht, daß wir das riskieren sollten.«

»Sie hat recht«, stimmte Damson zu.

»Gut, du bleibst, und Damson und ich werden nach Süden gehen«, erklärte Morgan. Er war verärgert darüber, daß er nicht zuerst daran gedacht hatte.

Aber Matty schüttelte erneut den Kopf. »Du mußt derjenige sein, der bleibt. Dein Schwert ist die einzige Waffe gegen die Schattenwesen, die wir haben. Wenn eine Befreiung nötig wird, wenn irgendeine Art von Konfrontation bevorsteht, ist dein Schwert ein Talisman gegen ihre Magie. Ich weiß, was ich kann, Morgan Leah, aber ich weiß auch, wann mir jemand überlegen ist. Das alles gefällt mir nicht besser als dir, aber es hilft nichts. Damson und ich werden nach Süden gehen.«

Ein langes Schweigen entstand, während sie einander ansahen. Morgan kämpfte gegen einen fast unwiderstehlichen Zwang an, einfach zu verwerfen, was er als den Wahnsinn an ihrem Vorschlag erkannte, während Matty ihn mit ihren kobaltblauen Augen ruhig und entschlossen ansah, wobei sich das Gewicht ihrer Argumente in deren blauem Licht widerspiegelte.

Schließlich schaute Morgan fort, sein Verstand gewann die Oberhand über das Gefühl, und widerwillig ordnete er sich der Notwendigkeit unter und klammerte sich an die Hoffnung. »In Ordnung«, sagte er leise. Die Worte klangen bitter und hart. »In Ordnung. Es gefällt mir nicht, aber es ist in Ordnung.« Er schaute wieder zurück. »Aber wenn ihr Par findet und es zu einem Kampf kommt, dann holt ihr mich.«

Matty nickte. »Wenn wir können.«

Morgan zuckte bei dieser Einschränkung zusammen, schüttelte ärgerlich den Kopf und sah Damson herausfordernd an. Aber Damson nickte nur zustimmend. Morgan atmete langsam aus. »Wenn ihr könnt«, wiederholte er niedergeschlagen.

Sie diskutierten noch eine Weile länger und überlegten, was sie tun würden, wenn die Zeit und die Umstände es erlaubten. Morgan betrachtete kritisch die Landschaft und deutete dann westwärts zu einer Stelle gegenüber dem See, an der eine Klippe über das umliegende Land hinausragte. Von dort aus würde er alles sehen können, was zur Südwache zog oder von dort kam. Wenn in der Zwischenzeit nichts geschähe, würden sie ihn bei ihrer Rückkehr dort finden.

Er ging mit ihnen zu dem Skiff zurück und nahm für sich ausreichend Vorräte für eine Woche heraus. Dann umarmte er sie zögernd, zuerst Damson, dann Matty. Das Mädchen hielt ihn fest an sich gepreßt, fast so, als wolle sie ihm nachdrücklich klarmachen, daß sie nicht gern ging. Sie sagte nichts, aber sie preßte ihre Hände auf seinen Rücken, und ihre Lippen streiften seine Wange. Sie sah ihn fest an, als sie sich von ihm gelöst hatte, und er hatte das Gefühl, als ließe sie mit diesem Blick etwas von sich bei ihm zurück. Er wollte ihr als Antwort versichernd zulächeln, aber sie hatte sich bereits abgewandt.

Als sie im Dunst verschwunden waren, der sich über den Fluß gelegt hatte, wandte er sich westwärts seinem auserwählten Wachposten zu und zog in die zunehmende Dunkelheit hinein. Die Wolken bedeckten den Himmel von Horizont zu Horizont, und die Luft wurde allmählich kühler. Wind war aufgekommen, brach über die Ebenen herein und trieb ihm Staub und Sand in die Augen. Weit im Westen war der Regen als dunkler Vorhang zu erkennen, der sich auf ihn zubewegte. Er zog die Kapuze seines Umhangs hoch und senkte seinen Blick zu Boden.

Er hatte gerade seinen Bestimmungsort erreicht, als der Regen wie ein Sturzbach hereinbrach. Er rauschte über die Ebenen und bedeckte sie im Handumdrehen. Morgan verbarg sich tief im Schutz einer Tanne und ließ sich am Fuß des Stammes nieder. Dort war es trocken und geschützt, und das Unwetter zog vorbei, ohne ihn zu behelligen. Der Regen hielt mehrere Stunden lang an, wurde dann zu einem Nieseln und hörte schließlich ganz auf. Die Gewitterwolken zogen östlich vorbei, der Himmel klarte auf, und der Sonnenuntergang glühte im fahler werdenden Licht wie ein rotes und purpurfarbenes Feuer.

Morgan verließ den Schutz der Tanne und fand eine Gruppe großblättriger Ahornbäume, die es ihm erlauben würden, im Verborgenen zu bleiben, während er gleichzeitig einen klaren Ausblick auf die Südwache und den Mermidon im Osten, eine weite Fläche des Regenbogensees im Süden und einen Einschnitt durch die Hügel unterhalb des Runne haben würde. Es war eine ideale Position, um alles auf fast einem Dutzend Meilen zu beobachten, was sich dem Keep der Schattenwesen näherte. Gut genug, entschied er und machte es sich bequem, um die Nacht abzuwarten.

Er aß ein wenig und trank etwas Wasser. Er fragte sich, ob Damson und Matty den Regenbogensee wohl vor dem Unwetter zu überqueren begonnen hatten oder ob sie abgewartet hatten. Er fragte sich, ob sie irgendwo am Fluß lagerten und zu ihm zurückschauten.

Das Licht wurde zu Grau, und die Sterne erschienen allmählich. Morgan schaute auf die Südwache hinab und wünschte sich, hineinsehen zu können. Er versuchte, nicht zu intensiv daran zu denken, was dort vielleicht vor sich ging. Zuviel Vorstellungskraft konnte gefährlich sein. Er betrachtete die Ebenen im Osten, die sich karg und bar allen Lebens als Einöde brauner Erde und grauen, toten Holzes wie ein Fleck vom Turm der Schattenwesen aus ausbreitete. Die Ränder, so bemerkte er, verdunkelten sich bereits, wo sie von dem Gift infiziert waren. Bäume verrotteten, und Gräser verdorrten. Die Klippe, auf der er saß, war eine Insel, die bereits in Gefahr geriet.

Er band das Schwert von Leah von seinem Rücken und barg es in seinen Armen. Einen Talisman gegen die Schattenwesen hatte Matty Roh es genannt. Aber es war auch eine Macht, die die Seele stahl, und man konnte nur wenig tun, um sich davor zu schützen. Jedesmal, wenn er die Magie gebrauchte, wurde der Wille erneut auf die Probe gestellt, sowohl sein eigener als auch der des Schwertes, und beide kämpften um die Herrschaft und die Kontrolle über das Schwert. Vor dreihundert Jahren hatte Allanon Rone Leahs verzweifelten, ängstlichen Ruf beantwortet, indem er der alten Waffe einen kleinen Teil der Druidenmagie übertragen hatte, und das Vermächtnis dieses Geschenks oder Fluchs – treffe die Wahl – war ein bittersüßer Geschmack, nach dem einen immer wieder verlangte, wenn man es erst einmal gekostet hatte.

Ähnliches geschah Par mit dem Wunschgesang. Bei aller Magie, die jemals war oder jemals sein würde, war es ähnlich – Sirenengesänge der Macht, die alles in ihrer zwingenden Art überschritten und ein unerbittliches Bedürfnis äußerten, gesungen zu werden.

Er lächelte düster. Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst. War das nicht die alte Warnung für jene, die um etwas baten, was sie nicht hatten?

Das Lächeln verblaßte. Vielleicht würde er es herausfinden, wenn die Zeit gekommen war, die Magie des Schwertes erneut anzurufen – was er sicherlich früher oder später tun mußte. Vielleicht würde sich Quickenings heilsame Berührung, die Magie, die seinen Talisman wiederhergestellt hatte, am Ende als genauso tödlich erweisen wie die der Schattenwesen.