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Par war ihm bis zu dieser Ebene westlich der Südwache gefolgt, und sie hatten ein letztes Mal miteinander gekämpft, Bruder gegen Bruder. Par war zu ihm gekommen, weil das Spiegeltuch Magie der Schattenwesen war, von der Coll sich nicht selbst befreien konnte. Par hatte versucht, das Schwert von Shannara zu benutzen, um Coll das zu geben, was er für das Zerreißen seiner Fesseln brauchte – ein Erkennen dessen, wer und was er geworden war, Verständnis dafür, wie er verwandelt worden war. Die Wahrheit, das Spezialgebiet des Schwertes, würde ihm helfen, daraus zu entkommen. Par war sich sicher gewesen, daß es wirklich das Schwert von Shannara war, das er besaß, weil sich die Magie offenbart hatte, als Coll ihn oberhalb von Tyrsis angegriffen hatte. In der Hitze ihres Gefechts hatte sie sich in sie beide hineingewunden, hatte Par wissen lassen, daß Coll lebte, und hatte Coll einen erschreckenden Einblick in das gegeben, was er geworden war. Laß die Magie des Schwertes meinen Bruder durchdringen, hatte Par geglaubt, und Coll wird frei sein.

Tränen traten in seine Augen, als er sich der Intensität auf Pars Gesicht erinnerte, als sie im Kampf verflochten in der Gewalt dieses Sturmes gestanden hatten. Erneut sah er die Lippen seines Bruders, wie sie sich bewegten und ihm zuflüsterten: Coll. Hör mir zu. Coll. Höre die Wahrheit.

Und die Wahrheit war gekommen, war aus dem Schwert von Shannara in befreiender weißer Hitze heraufgelodert, hatte sich in Coll hinabgewunden und die Magie der Schattenwesen zerschmettert, so daß er das Spiegeltuch hatte abnehmen und für immer fortwerfen können. Die Wahrheit war gekommen, und Coll war tatsächlich befreit worden.

Aber diese Wahrheit war niemals Pars Wahrheit gewesen – und niemals diejenige, die Par geben sollte. Es war Colls Wahrheit gewesen – und ihm allein war bestimmt, sie zu übernehmen.

Im Osten brach die Sonne durch das abziehende Unwetter hindurch, und das Grau der Dämmerung wich goldenem Tageslicht. Coll betrachtete es und fühlte sich, als sei alle Traurigkeit, die er jemals kennengelernt hatte, in diesen einzigen Moment der Zeit hineingepreßt worden.

Par hatte nicht die Magie des Schwertes von Shannara heraufbeschworen. Coll hatte es getan. Nicht ein Mal, sondern beide Male, und jedesmal ohne zu erkennen, was er tat oder daß sie seinem Befehl unterstand. Coll, nicht Par, war der Ohmsford, für den das Schwert bestimmt war. Aber die Wahrheit war hier, wie bei so vielen Dingen, genauso schwer erfaßbar wie Rauch, und es brauchte Zeit, sie zu erkennen. Allanon hatte Coll keine Aufgabe übertragen, als sie sich am Hadeshorn versammelt hatten – und dennoch besaß er die Macht, die Magie des Schwertes von Shannara heraufzubeschwören. Es war einsichtig, daß es so sein sollte, wenn man darüber nachdachte. Er war Pars Bruder und, wie Par, ein Erbe der Elfenmagie. Sie teilten dasselbe Elfenblut und Geburtsrecht. Aber Par war die Aufgabe übertragen worden, und auf Par war folglich alles konzentriert gewesen. Par war gesandt worden, das Schwert wiederzuerlangen, geschützt durch seine eigene Magie und seine unbeugsame Entschlossenheit. Er war sich seines Zweckes selbst dann sicher gewesen, wenn die anderen der kleinen Gruppe gezweifelt hatten. Par war gesandt worden, und Allanon mußte gewußt haben, daß er nicht scheitern würde. Aber warum war ihnen nicht gesagt worden, daß das Schwert für Coll bestimmt sein würde? Warum war von ihm nichts verlangt worden?

Er verschränkte die Hände vor sich. Er erinnerte sich daran, wie es sich angefühlt hatte, als er die Magie des Schwertes zum Leben erweckt hatte, ein unerklärliches, kühles weißes Feuer. Sogar noch während er in der Knechtschaft des Spiegeltuchs gefangen gewesen war, hatte er gespürt, wie sie aufkam, wie ein Strom, der alles davor Gewesene überspülte. Wahrheiten zerbrachen die Barrieren der Magie der Schattenwesen, zuerst kleinere, Erinnerungen an die Kinderzeit und Jugend, dann größere, gravierendere und beharrlichere, Schläge, die seine Entschlossenheit lahmten, die ihn nach und nach gegen das stärkten, was folgen sollte. Die Wahrheiten waren schmerzlich, aber sie waren auch heilsam, und als die letzte Wahrheit aufgedeckt war – die Wahrheit dessen, wer und was er geworden war –, konnte er sie akzeptieren und der Scharade ein Ende bereiten, in die er eingebunden gewesen war.

Er hatte die Geschichte des Schwertes von Shannara tausendmal erzählt – wie der Talisman in den Händen Shea Ohmsfords vor fünfhundert Jahren zum Leben erwacht war, wie er sich selbst den Talbewohnern offenbart und dann den Dämonenlord entlarvt hatte. Er hatte diese Geschichte so oft erzählt, daß er sie im Schlaf hersagen konnte.

Aber selbst das hatte ihn nicht auf das vorbereitet, was er als Nachwirkung auf den Gebrauch der Magie jetzt empfand. Daß er der Wahrheit ausgesetzt gewesen war, hatte ihn aller Illusionen und Ideen beraubt, die ihn sein ganzes Leben lang beschützt hatten. Er war der Schutzbarrieren beraubt worden, die er für sich selbst gegen die schlimmsten seiner Fehler und Verfehlungen errichtet hatte. Er war nackt und ungeschützt zurückgeblieben. Er hatte sich dabei so einfältig und beschämt gefühlt.

Und er war voller Angst um Par.

Weil das Schwert von Shannara bei seiner Befreiung auch Wahrheiten über Par offenbart hatte. Eine davon war, daß Par das Schwert nicht benutzen konnte. Eine andere war, daß er das nicht erkannte. Eine dritte war, daß der Wunschgesang die Ursache für die Probleme seines Bruders war.

Geheimnisse, die er alle enthüllt gesehen hatte. Aber Par hatte das nicht. Aus noch immer unbekannten Gründen ließ der Wunschgesang es nicht zu, daß Par die Magie des Schwertes anrief, ließ er es nicht zu, daß er die Magie in sich aufnahm, und ließ er es nicht zu, daß er Wahrheiten über sich selbst erfuhr. Der Wunschgesang war eine Mauer, die die Schwertmagie abwies und verbarg, was diese offenbaren konnte. Sie hielt seinen Bruder gefangen. Coll wußte nicht, warum das so war – nur daß es so war. Der Wunschgesang tat Par etwas an, und Coll war sich nicht sicher, was es war. Er hatte seinen Widerstand gegen die Macht des Schwertes gespürt, als er mit seinem Bruder um den Besitz der Klinge gekämpft hatte. Er hatte gespürt, wie es die Magie verdrängt hatte, sie in Coll verschlossen hatte, um sicherzustellen, daß die Wahrheiten, die offenbar wurden, seine waren und nicht die seines Bruders.

Er fragte sich, warum das so war. Warum sollte das so sein? Warum hatte Allanon ihnen nichts darüber gesagt, oder darüber, wer das Schwert benutzen könnte, oder darüber, wie sie das Schwert einsetzen sollten? Was war der Zweck des Schwertes? Sie waren ausgesandt worden, es zurückzuerlangen, und hatten das getan. Was sollten sie jetzt damit anfangen?

Was wollte er jetzt damit anfangen?

Sonnenlicht strich über sein Gesicht, und er schloß die Augen und lehnte sich hinein. Die Wärme war tröstlich, und er ließ sich von ihr umhüllen wie von einer Decke. Er war müde und verwirrt, aber er war auch in Sicherheit, und das war mehr, als man über Par sagen konnte.

Er wich aus dem Licht zurück und öffnete seine Augen wieder. Der König vom Silberfluß hatte versucht, sie beide in seinen Schutz aufzunehmen, aber der Versuch war gescheitert. Par war in Panik geraten und hatte den Wunschgesang gebraucht, und seine Magie hatte der ihres Befreiers entgegengewirkt. Coll war in das Licht hinauf und sicher davongetragen worden, aber Par war wieder in die Dunkelheit und die wartenden Hände der Schattenwesen zurückgefallen.

Felsen-Dall hatte ihn jetzt.

Coll biß die Zähne zusammen. Er hatte nach Par gerufen, als er ihn fallen sah, hatte dann gespürt, wie er von dem Licht, das ihn davongetragen hatte, umhüllt und getröstet wurde. Der König vom Silberfluß hatte ihm Worte der Beruhigung, des Trostes und der Versprechungen zugeflüstert. Die Stimme des alten Mannes hatte sanft in seinen Ohren geklungen. Er würde sicher sein, flüsterte sie. Er würde schlafen und vorübergehend vergessen, aber wenn er erwachte, würde er sich wieder erinnern. Er würde das Schwert von Shannara als sein Eigentum behalten, denn er sollte es führen. Er würde es auf die Suche nach seinem Bruder mitnehmen, und er würde es benutzen, um ihn zu befreien.