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Der Nachmittag verging. Coll rastete jetzt häufiger. Er war benommen von der Schwüle und unkonzentriert. Schlaf würde helfen, aber er hatte beschlossen, bis zum Einbruch der Nacht weiterzugehen. Er sah Par jetzt hin und wieder im Schimmern der vom Gras aufsteigenden Hitze erscheinen, hörte ihn sprechen und sah, wie er sich bewegte. Erinnerungen kamen und gingen, Bilder stiegen auf und verschwanden, wenn er sich zu nah heranzuwagen versuchte. Er brauchte einen besseren Plan, sagte er sich. Es reichte nicht, einfach zur Südwache zurückzukehren. Er würde Par niemals allein befreien können. Er brauchte Hilfe. Was, so fragte er sich, war mit Morgan Leah und den anderen geschehen? Was war aus Walker Boh und Wren geworden? Wo war Damson? Suchte sie auch nach Par? Padishar Creel würde helfen, falls Coll ihn fand. Aber Padishar konnte überall sein.

Er lief in die frühe Dämmerung hinein und sah den Silberfluß als helles Band vor sich auftauchen, das sich landeinwärts wand. Er ging am Rande einer Schlammfläche entlang, die durch die Vergiftung einer seichten, schmalen Bucht entstanden war. Das lauwarme Wasser war grün und trüb, die Vegetation krankhaft grau, und der Gestank von Verwesung hing schwer in der Luft. Durch den Mund atmend, erzwang er sich seinen Weg daran vorbei und strengte sich an, schnell weiterzukommen.

Als er aus einem Pinienhain heraustrat, sah er einen Wagen und blieb stehen.

Fünf Männer, die um ein Herdfeuer herum saßen, schauten auf. Mit harten, rauhen Gesichtern sahen sie ihn regungslos an. Fleisch briet auf einem Spieß, und Suppe kochte in einem Kessel. Die Gerüche zogen verlockend zu Coll herüber. Eine Herde Maultiere stand angepflockt und graste. Zusammengerolltes Bettzeug lag verstreut auf dem Boden, bereit, zum Schlafen ausgerollt zu werden. Die Männer waren gerade dabei, einen Bierschlauch herumzureichen.

Einer von ihnen bedeutete Coll, er solle sich zu ihnen gesellen. Coll zögerte. Die anderen winkten ihn herüber, sagten ihm, er solle kommen, er solle etwas essen und trinken, und was, bei allen guten Geistern, denn mit ihm geschehen sei?

Coll ging hinüber. Er war sich wohl bewußt, wie seltsam er aussehen mußte, aber er war verzweifelt hungrig. Er setzte sich zwischen sie, bekam einen Teller, eine Schüssel und einen Becher Bier gereicht. Er hatte kaum seinen ersten Biß genommen, als ihn der erste Schlag hinters Ohr traf und sie alle über ihm waren. Er kämpfte darum aufzustehen, sich zu befreien und zu fliehen, aber zu viele Hände hielten ihn zurück. Er wurde fast bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen und getreten. Das Schwert von Shannara wurde ihm abgenommen. Ketten wurden um seine Hand- und Fußgelenke geschlossen, und er wurde hinten in den Wagen geworfen. Er bat sie, das nicht zu tun. Er bat sie, ihn freizulassen, sagte ihnen, daß er nach seinem Bruder suche, daß er ihn finden müsse, daß sie ihn gehen lassen müßten. Sie lachten ihn aus, verhöhnten ihn und sagten ihm, er solle ruhig sein, sonst würden sie ihn knebeln. Er wurde aufgerichtet und bekam einen Becher Suppe und eine Decke.

Seine Waffe, so wurde ihm gesagt, würde einen guten Preis erzielen. Aber einen sogar noch besseren Preis würden sie erzielen, wenn sie ihn der Föderation als Arbeiter für die Sklavenminen in Dechtera verkauften.

25

Par Ohmsford träumte.

Er lief durch einen Wald, der dunkel vor Schatten und bar allen Lebens war. Es war Nacht, der Himmel, der durch den belaubten Baldachin der Zweige schimmerte, hatte ein tiefes, der Sterne und des Mondes beraubtes Blau. Par konnte es deutlich sehen, während er lief, obwohl er keine Lichtquelle ausmachen konnte. Die Stämme der Bäume bewegten sich vor ihm, schwankten wie Grashalme im Wind, zwangen ihn, beiseite zu springen und im Zickzack zu gehen, um ihnen auszuweichen. Zweige reichten herab und strichen über sein Gesicht und seine Arme und versuchten ihn zurückzuhalten. Stimmen flüsterten, riefen ihm wieder und wieder etwas Unverständliches zu.

Schattenwesen. Schattenwesen.

Er hatte Angst.

Die Kleidung, die er trug, war feucht vor Schweiß, und er konnte spüren, wie die Stiefel an seinen Knöchel scheuerten. Hin und wieder kam er an Rinnsalen und Teichen vorüber, und er war gezwungen, sie zu überspringen oder die Richtung zu ändern, denn er wußte instinktiv, daß es Sumpflöcher waren, die ihn hinabziehen würden, wenn er sie beträte. Während er lief, lauschte er auf die Geräusche anderer Lebewesen. Er dachte, daß er doch nicht derart verlassen sein könnte, daß ein Wald auch noch andere Lebewesen beherbergen müßte. Er dachte ebenfalls, daß der Wald schließlich enden müßte, daß er nicht unendlich weiterführen könnte. Aber je weiter er lief, desto tiefer wurde die Stille und desto dunkler wurde der Wald. Kein Geräusch durchbrach das Schweigen. Kein Licht drang durch die Bäume.

Nach einiger Zeit bemerkte er, daß ihm etwas folgte, ein namenloses schwarzes Wesen, das genauso schnell lief wie er und ihn so sicher wie sein eigener Schatten begleitete. Er wollte ihm entkommen, indem er schneller lief, aber er konnte es nicht. Er wollte ihm entkommen, indem er die Richtung änderte, zuerst hierhin und dann dorthin, aber das Wesen änderte die Richtung mit ihm. Er wollte sich flach gegen einen riesigen alten Stamm unbestimmbarer Herkunft pressen, aber das Wesen blieb bei ihm stehen und wartete.

Es war das Wesen, das ihm zuflüsterte.

Schattenwesen. Schattenwesen.

Er lief weiter, denn er wußte nicht, was er tun sollte, und ein Gefühl der Panik durchströmte ihn. Verzweiflung machte alle Hoffnung zunichte. Er war von den Bäumen und der Dunkelheit gefangen und konnte nicht entkommen, und er wußte, daß das Wesen ihn früher oder später erwischen würde. Er konnte das Blut in seinen Ohren pochen und den abgehackten Rhythmus seines Atems hören. Seine Brust hob und senkte sich heftig, und seine Beine schmerzten. Er glaubte nicht, daß er weitergehen könnte, aber er wußte auch, daß er nicht stehenbleiben konnte. Er griff nach seinen Waffen und stellte fest, daß er keine bei sich trug. Er versuchte, durch reine Willenskraft jemanden dazu zu bringen, ihm beizustehen, aber die Namen und Gesichter jener, die er hätte rufen können, wollten nicht kommen.

Dann befand er sich wieder am Ufer eines Flusses, der dunkel und schnell in der Nacht, voller Kraft sein breites, gerades Flußbett hinabschoß. Er wußte, daß es nicht wirklich ein Fluß war, daß es etwas anderes war, aber er wußte nicht, was das sein konnte. Er sah eine Brücke, die ihn überspannte, und eilte auf sie zu. Hinter sich konnte er das Wesen folgen hören. Er sprang auf die Brücke, die sich weit wölbte und aus Holzplanken und Eisennägeln erbaut war. Seine Stiefel machten beim Laufen keine Geräusche. Seine Schritte blieben lautlos. Die Brücke war ihm als Fluchtweg erschienen, als er begonnen hatte, sie zu überqueren, aber jetzt merkte er, daß er das andere Ufer nicht sehen konnte. Er schaute zurück, und der Wald war ebenfalls verschwunden. Der Himmel hatte sich gesenkt, und das Wasser war gestiegen, und plötzlich befand er sich in einer Falle, die sich um ihn schloß.

Das Wesen, das ihn verfolgte, zischte. Es gewann schnell an Boden, und es wuchs, während sich die Falle verengte.

Par wandte sich dann um, denn er wußte, daß er nicht entkommen konnte, daß er in eine Falle geführt worden war, daß alles, was er mit seinem Davonlaufen zu gewinnen erhofft hatte, verloren war. Er wandte sich um und erinnerte sich währenddessen daran, daß er doch nicht wehrlos war, daß er die Macht des Wunschgesangs besaß und daß die Elfenmagie ihn vor allem schützen konnte. Eine Woge der Hoffnung durchflutete ihn, und er rief die Magie zu seinem Schutz herauf. Sie schoß als wilder, euphorischer Ansturm weißen Lichts durch ihn hindurch, wodurch sein Blut in Feuer und sein Körper in Eis verwandelt wurde. Er spürte, wie es ihn ausfüllte, spürte, wie es ihn in die Rüstung seiner Macht hüllte und ihn unverwundbar machte.