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Die Stunden vergingen. Sie erreichten den Pykon, flogen das gewundene Flußbett des Mermidon hinauf und eilten gen Süden. Noch immer kein Zeichen von den Kriechern. Wren suchte das Land ab. Sie befürchtete, daß die Monster die Bäume erreicht hatten, wo man sie nicht mehr verfolgen könnte. Aber Sekunden später flammte ein Schimmern von Metall aus der Ferne herüber, und Erring Rift führte Grayl in weitem Bogen vom Mermidon fort und näher an die Berge im Westen heran. Sie hielten sich an die Felsen, als sie sich den Kriechern näherten, die der Föderationsarmee östlich des Flusses folgten. Wren beobachtete, wie die Insektenwesen unermüdlich durch die Hitze und den Staub zogen. Monster, die unmenschlichen Herren und Bedürfnissen dienten, die niemals zu rechtfertigen waren. Sie dachte an die Wesen, die sie auf Morrowindl hinter sich gelassen hatte, und erkannte, daß sie sie gar nicht wirklich zurückgelassen hatte. Die dunklen Wesen, die die Elfenmagie dort geschaffen hatte, waren hier einfach in neuer Form wiedererschaffen worden. Die Geschichte wiederholt sich erneut, dachte sie. Welche Lektionen sollte sie also lernen?

Sie flogen zweimal vorüber, und dann ließ Wren Erring Rift auf einer Klippe inmitten einer Reihe bewaldeter Vorberge landen, die sich an das Rock-Spur-Gebirge anlehnten. Von dort konnten sie das Voranschreiten der Kriecher beobachten, während sich diese über das Grasland vorwärts arbeiteten, indem sie ihre vielen Beine in stetigem Rhythmus hoben und senkten.

Wren ließ sich kommentarlos nieder. Tib Arne saß neben ihr, die Knie hochgezogen, die Arme um die Beine geschlungen, das Gesicht angespannt, während er zu den Kriechern hinausschaute. Kriecher. Sie formte das Wort, ohne es auszusprechen. Wie konnten sie aufgehalten werden? Sie grub die Hacken ihrer Stiefel in den Boden, während sie nachdachte. Hinter ihr überprüfte Erring Rift Grayls Geschirr. Wind blies sanft durch die Bäume und umschmeichelte tröstlich und kühl ihre Haut. Sie dachte an den Wisteron, jenen entfernten Verwandten der Kriecher, der schließlich nahe der Stelle, an der er sein Lager errichtet hatte, im Schlamm versunken war.

Rift berührte ihre Schulter und reichte ihr einen Wasserschlauch herab. Sie nahm ihn, trank daraus und bot ihn Tib an, doch der lehnte ab. Sie erhob sich, trat mit Rift zum Rand der Erhebung und beobachtete erneut die Kriecher. Was gab es dort draußen, was diese Wesen verletzen konnte? Aßen und schliefen sie wie andere Wesen? Brauchten sie Wasser? Brauchten sie Luft zum Atmen?

Sie wischte sich den Schweiß vom Gesicht.

»Wir sollten zurückfliegen«, sagte Rift ruhig.

Sie nickte, rührte sich aber nicht. Unter ihnen mühten sich die Kriecher weiter voran. Das Sonnenlicht glitzerte auf ihren Rüstungen, und Staub stieg unter ihren schweren Schritten auf.

Der Wisteron, dachte sie. In der Erde versunken.

Sie blinzelte. Da war etwas für sie, erkannte sie. Etwas Nützliches...

Auf einmal hörte sie ein vertrautes, leises Pfeifen und begann sich umzuwenden. Tib Arne tauchte neben ihr auf, blond und blauäugig, lächelnd und aufgeregt. Er kam lachend heran und deutete auf die Ebenen hinaus. »Seht.«

Sie schaute in den Dunst hinaus und sah nichts.

Neben ihr stieß Erring Rift ein scharfes Geräusch aus und taumelte vorwärts. Hinter ihnen erklang ein schwerer Schlag und dann ein Schrei, der ihr das Blut gefrieren ließ.

Sie wandte sich um, als etwas gegen ihren Kopf schlug, und dann wurde alles schwarz. Weit im Osten hatten die Drachenzähne im späten Nachmittagslicht bereits ihre Schatten zu werfen begonnen. Tiger Ty ritt Spirit auf einem milden, stetigen Wind, der sie nordwärts über die höchste Spitze hinweg zu den verdorrten und versengten Ebenen brachte. Der Tag des Flugreiters war fruchtlos verlaufen – genauso wie jeder der anderen Tage, seit er sich auf die Suche nach den Geächteten begeben hatte. Von der Morgen- bis zur Abenddämmerung suchte er das Land nach einem Hinweis auf die versprochene Armee ab und fand nichts. Überall waren Föderationspatrouillen, einige von beträchtlicher Größe wie diejenige, die den Paß am Südende der Berge versperrte. Er hatte Spirit eine Zeitlang zurückgelassen, um sich auf den Straßen mit einigen Leuten zu unterhalten und nach Neuigkeiten fragen zu können. Er hatte dabei von einem Gefängnisausbruch in einer Stadt namens Tyrsis erfahren, jener Stadt, in der der Anführer der Geächteten, Padishar Creel, bis zu seiner Hinrichtung gefangengehalten worden war. Es war seinen Gefolgsleuten jedoch gelungen, ihn zu befreien. Das war eine ziemlich große Leistung gewesen, und jedermann sprach darüber. Aber niemand schien zu wissen, wo er sich jetzt befand oder wo irgendein anderer der Geächteten zu finden war.

Oder zumindest sagten sie es nicht.

Die Tatsache, daß Tiger Ty ein Elf war und fast nichts über die Vier Länder wußte, war bei dieser Angelegenheit nicht gerade hilfreich. Durch sein Nichtwissen eingeschränkt, mußte er blind suchen. Er hatte schließlich herausgefunden, daß sich die Geächteten wahrscheinlich in den Bergen, die er jetzt überflog, niedergelassen hatten, aber die Gipfel lagen weit auseinander, und es gab so viele mögliche Verstecke, daß er fünfzig Jahre hätte suchen können, ohne jemanden zu entdecken.

Allmählich begann er zu glauben, daß es hoffnungslos war. Aber er hatte Wren sein Versprechen gegeben, daß er die Geächteten finden würde, und er war nicht weniger entschlossen, als sie es gewesen war, als sie nach Morrowindl geflogen war, um die Elfen zu suchen.

Er schaute auf das karge, verbrannte Felsgestein hinab, und sein ledriges Gesicht furchte sich düster. Es sah alles gleich aus. Es gab nichts zu sehen. Als sich die Berge weiter nach Norden erstreckten, lenkte er Spirit nach links und flog dieselbe Strecke noch einmal ab. Er hatte diese gleiche Schleife jetzt schon zweimal gezogen, wobei er jedesmal einen etwas abgeänderten Kurs einschlug, so daß er einen neuen Streifen des weiten Landes überprüfen konnte, obwohl er sich auch bewußt war, daß es noch immer Hunderte von Stellen gab, die er nicht einsehen konnte.

Sein Körper verkrampfte sich vor Enttäuschung und Müdigkeit. Wenn es dort draußen eine Geächtetenarmee gab, warum war sie dann so verdammt schwer zu finden?

Er dachte einen Moment an Wren und die Landelfen, und er fragte sich, ob sich die Föderationsarmee ausreichend erholt hatte, um sie weiterhin zu verfolgen. Er lächelte, als er sich an den Nachtangriff erinnerte. Das Mädchen war in Ordnung. Sie war ganz Entschlossenheit und Härte. Kaum erwachsen und schon eine Anführerin. Die Landelfen, dachte er, würden genau so weit gehen, wie sie ihr erlaubten, sie zu führen. Wenn sie ihr nicht zuhörten, wären sie einfältig jenseits...

Ein Lichtblitz aus den Felsen unter ihm unterbrach seine Gedanken. Er schaute intensiv nach unten. Der Blitz flammte schnell und gewiß erneut auf. Ein Signal, ganz sicher. Aber von wem? Tiger Ty stieß Spirit an und flog einen Bogen, damit er besser überprüfen konnte, worauf sie zuflogen. Der Blitz flammte ein drittes und viertes Mal auf und hielt dann inne, als sei derjenige, der ihn ausgelöst hatte, zufrieden, daß er gesehen worden war. Die Quelle des Signals war eine Klippe hoch oben im nördlichen Zentralmassiv, und als er sich näherte, konnte er eine Gruppe von vier Männern inmitten der Klippe stehen und warten sehen. Sie waren draußen im Freien und versuchten nicht, sich zu verbergen. Es schien nicht so, als seien noch andere in der Nähe oder als seien Plätze vorhanden, an denen sich andere hätten verbergen können. Ein gutes Zeichen, dachte der Flugreiter. Aber er würde dennoch vorsichtig sein.

Er ließ Spirit auf der Klippe landen, war aber auf jede Täuschung vorbereitet. Der riesige Rock kam ein gutes Stück von den vier Männern entfernt am Rand zum Stehen. Tiger Ty setzte sich einen Moment lang dort hin, wo er war, und betrachtete das Gelände. Die Männer warteten geduldig. Tiger Ty sah sich um, löste dann die Haltegurte und kletterte von Spirit herab. Er ermahnte ihn zur Vorsicht und schlenderte über eine Fläche trockenen Riedgrases und zerbrochenen Gesteins gemächlich auf die Gruppe zu. Zwei der vier Männer kamen ihm entgegen, einer groß und hager und wie aus Stein gemeißelt, der andere schwarzbärtig und wild. Der größere hinkte.