Aber es war immerhin ein Fortschritt. Keine normale alte Frau, die im Wald Pilze sammelte, würde, selbst wenn sie tatsächlich Seife benutzte, nach parfümierter Seife duften.
Adelia erhob sich und sagte: »Wenn du ihren Duft noch einmal an jemand anderem riechst, sagst du mir dann Bescheid?«
Bertha nickte. Ihre Augen blickten starr auf das Kreuz an Adelias Hals, als gäbe es ihr Hoffnung, obwohl sie nicht wusste, was es bedeutete.
Und welche Hoffnung bleibt dem armen Ding denn noch?
Mit einem Seufzer löste Adelia die Kette um ihren Hals, schob sie zusammen mit dem Kreuz in Berthas verdreckte kleine Hand und schloss deren Finger darum. »Behalt das, bis ich dir ein eigenes kaufen kann«, sagte sie.
Es fiel ihr schwer, das zu tun, aber nicht wegen des Symbolgehalts des Kreuzes – Adelia hatte zu viele Religionen kennengelernt, um ihren ganzen Glauben auf eine einzige zu beschränken –, sondern weil sie es von Margaret bekommen hatte, ihrer alten Kinderfrau und einer wahren Christin, die auf der Reise nach England gestorben war.
Aber ich habe Liebe erfahren. Ich habe mein Kind, meinen Beruf, meine Freunde.
Bertha, die nichts dergleichen besaß, umklammerte das Kreuz, quietschte vor Freude auf und verschwand damit im Stroh.
Als sie durch die Nacht zurückgingen, fragte Jacques: »Glaubt Ihr wirklich, dass dieses kleine Schweinchen für Euch die Trüffel wittern kann, Mistress?«
»Nicht sehr wahrscheinlich«, räumte Adelia ein, »aber Berthas Nase ist vielleicht die beste Spur, die wir haben. Sollte sie den Duft der Alten noch einmal riechen, dann bei jemandem, der fremdländische Seife kauft und uns sagen kann, bei welchem Händler, und der kann uns dann eine Liste seiner Kunden geben.«
»Schlau.« Der Bote klang bewundernd.
Nach einer Weile sagte er: »Glaubt Ihr, die Königin steckt dahinter?«
»Jemand will, dass wir das glauben.«
Kapitel fünf
Auf der Anhöhe über einem weiten Tal blieben ein Hund und vier Reiter aus Godstow stehen und betrachteten den Turm und die Nebengebäude auf dem gegenüberliegenden Berg. Nach kurzem Schweigen fragte Adelia unklugerweise: »Wie um alles in der Welt kann man da eindringen?«
»Zu meiner Zeit genügten meist ein paar Blumen und ein galantes Lächeln«, sagte der Bischof.
Sie hörte die beiden Männer neben sich losprusten.
»Ich meinte das Labyrinth«, sagte sie.
»Ich auch«, sagte Rowley augenzwinkernd.
Weiteres Prusten.
Oje, sexuelle Anzüglichkeiten. Aber nachvollziehbar war es. Von hier aus sah der Wormhold Tower und das, was ihn umgab, ziemlich, na ja, derb aus. Ein sehr hoher schlanker Turm, der mit einer engsitzenden Kuppel abschloss – er hatte sogar rings um die Spitze einen kleinen Laufgang, der die phallische Ähnlichkeit noch betonte –, ragte aus einem ringförmigen Labyrinth auf, in dem Männer offenbar weibliches Schamhaar sahen. Die gesamte Silhouette hätte von einem ungezogenen pubertierenden Riesen oben auf den Berg gemalt worden sein können. Eine zotige Schmiererei vor dem Horizont.
Der Bischof hatte sie im leichten Galopp hierhergeführt, stets in der Furcht, das Wetter könnte sie aufhalten, doch jetzt, wo sie den Turm vor Augen hatten, war er erleichtert und nahm sich offensichtlich die Zeit für ein paar plumpe Männerwitze.
Über den Treidelpfad, der von Godstow aus am Fluss entlang nach Norden bis auf eine Meile an den Turm heranführte, waren sie gut vorangekommen. So gut, dass Adelia neue Zuversicht schöpfte und die Angst verlor, das Wetter könnte die Rückkehr zu ihrem Kind verzögern.
Die Kahnführer, denen sie unterwegs begegneten, warnten sie, dass es bald wieder schneien würde, wofür es allerdings nicht die geringsten Hinweise gab. Es war ein wolkenloser Tag, und obwohl der Schnee der letzten Nacht unter der Sonne nicht geschmolzen war, bot die Landschaft einen berückenden Anblick, wie weiße Laken, die unter einem frischgeputzten blauen Himmel zum Trocknen ausgelegt waren.
Weiter südlich auf dem Fluss, den sie soeben hinter sich gelassen hatten, brachten Mansur, ein Waffenknecht des Bischofs und zwei Männer aus Godstow eine Barkasse herauf, mit der Rosamunds Leiche zum Kloster geschafft werden sollte, sobald Bischof Rowley sie aus dem Turm geholt hatte.
Zunächst jedoch mussten sie durch das Labyrinth hindurch, das die Festung der Toten umgab – ein Gedanke, bei dem sich in Adelias Begleitern anscheinend der alte Adam regte.
»Ich hab’s doch gesagt«, sagte Rowley zu Adelia, zwinkerte dabei aber Walt zu. »Hab ich nicht gesagt, das ist der größte Keuschheitsgürtel der Christenheit?«
Er will dich reizen. Hör nicht hin. »Ich bin beeindruckt von der Größe«, sagte sie und seufzte dann leise. Schon wieder eine Doppeldeutigkeit, die die Männer zum Kichern brachte.
Aber sie war wirklich beeindruckt. Das Labyrinth von San Giorgio in Salerno, dessen Länge und Verschlungenheit die Lebensreise der Seele symbolisieren sollte, wurde von der ganzen Stadt bestaunt. Aber im Vergleich dazu war das Gebilde da drüben ein Koloss. Es umschloss den Turm wie ein breiter Ring, der einen großen Bereich auf dieser Seite des Berghangs bedeckte und sich auf der Rückseite fortsetzte. Die Außenmauer war neun oder zehn Fuß hoch, und aus dieser Entfernung sah es aus, als wäre das Innere des Labyrinths gänzlich mit weißer Wolle gefüllt.
Vor ihrem Aufbruch war Adelia von Godstows Priorin gewarnt worden.
»Schlehdorn«, hatte Schwester Havis angewidert gesagt. »Wisst Ihr, was das heißt? Mauern aus Granit mit Schlehdornhecken davor …«
Was Adelia da hinten sah, waren Steine und Hecken, die sich in erstarrten Wellen schlängelten und wanden.
Kein Gürtel, dachte Adelia. Eine Schlange, eine riesige Würgeschlange.
Walt sagte: »Muss ’ne Scheißarbeit für die Gärtner sein«, und Rowley wäre fast vom Pferd gefallen. Jacques lächelte übers ganze Gesicht, froh, seinen Bischof so gelöst zu sehen.
Schwester Havis hatte Adelia vorgewarnt. Das ursprüngliche Labyrinth, so hatte sie gesagt, war von einem verrückten angelsächsischen Geisterbeschwörer um den Turm herum gebaut worden und war später, als es in die Hände eines ebenso verrückten normannischen Ritters im Gefolge von William dem Eroberer fiel, von diesem vergrößert worden, um zu verhindern, dass seine Feinde hinein- und seine Frauen hinausgelangten.
Die Nachkommen des Normannen waren wiederum von Henry Plantagenet verjagt worden, der den Turm als praktische Unterbringung für seine Geliebte auserwählt hatte, da er ganz in der Nähe des Waldes von Woodstock lag, wo der König eine Jagdhütte besaß.
»Eine architektonische Anstößigkeit«, hatte Schwester Havis empört gesagt. »Ein Objekt männlicher Lüsternheit. Die Einheimischen bewundern es, auch wenn sie sich drüber lustig machen. Die arme Lady Rosamund. Ich fürchte, der König fand es amüsant, sie ausgerechnet dort unterzubringen.«
»Das passt zu ihm.« Adelia kannte Henry Plantagenets Sinn für Humor.
Und Rowleys.
»Natürlich komm ich da rein«, antwortete der Bischof gerade auf eine Frage von Jacques. »Hab ich schon einmal gemacht. Einmal nach rechts, dann nach links, mal vor, mal zurück, und alle freuen sich.«
Adelia hörte sie lachen und verspürte allmählich Mitleid mit Rosamund. Hatte es ihr etwas ausgemacht, an einem Ort zu leben, dessen Anblick jeden Mann regelrecht zu Anzüglichkeiten aufforderte?
Arme Lady. Selbst im Tod erwies man ihr wenig Achtung.
Mit den verschneiten Mauern und Ästen des Labyrinths sah es aus, als würde der Turm aus einer Masse weißen Flaums aufragen. Adelia musste unwillkürlich an einen alten Patienten denken, den ihr Ziehvater behandelt hatte. Als er ihr an dem Greis demonstrieren wollte, wie man einen Leistenbruch kuriert, hatte dieser zu seiner eigenen Scham und Verblüffung eine Erektion bekommen.