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Er zieht mich dir vor. Ich bin seine Frau, nur nicht dem Namen nach, ich bin die wahre Königin seines Herzens.

Die Gedanken des Bischofs überschlugen sich. »Verflucht. Ob Eleanor das gesehen hat oder nicht, spielt keine Rolle. Andere werden vermuten, dass sie davon gewusst hat und Rosamund deswegen töten ließ … Das ist Grund genug für einen Mord. Das ist eine höhnische Anmaßung.«

»Es ist ein bisschen Stein mit einem Muster drauf, das eine törichte Frau dort anbringen ließ«, widersprach Adelia. »Macht das wirklich so viel aus?«

Anscheinend ja. Einer Königin war ihr Stolz wichtig. Das wussten ihre Feinde ebenso wie die Feinde des Königs.

»Ich würde das Weib umbringen, wenn es nicht schon tot wäre«, sagte der Mann Gottes. »Ich lasse den Turm mit ihr drin niederbrennen. Das ist eine Aufforderung zum Krieg.«

Adelia war verwundert. »Ihr wart doch bereits einmal hier. Ich dachte, Ihr hättet es schon gesehen.«

Er schüttelte den Kopf. »Wir haben uns im Garten getroffen, wo sie frische Luft schnappte. Wir dankten Gott für ihre Genesung, und dann hat Dakers mich zurück durch den Irrgarten geführt. Wo steckt diese Dakers eigentlich?«

Er drängte sich an Jacques und Walt vorbei, die blinzelnd in der Tür standen, stürmte die Treppe hinauf und rief laut nach der Haushälterin. Er riss eine Tür nach der nächsten auf, und wenn der Raum dahinter leer war, rannte er weiter nach oben.

Sie eilten ihm nach, und das Poltern ihrer Stiefel und das Klicken von Hundekrallen auf Stein hallten durch den ganzen Turm.

Jetzt kamen sie an Rosamunds Gemächern vorbei. Dakers, wenn es wirklich Dakers gewesen war, hatte es geschafft, sie in all ihrer Pracht zu bewahren. Für Adelia, die versuchte, mit den anderen Schritt zu halten, war das, was sie flüchtig zu sehen bekam, eine wahre Augenweide: persische Teppiche, venezianische Kelchgläser, mit Damast bezogene Diwane, golden schimmernde Ikonen und Triptychen, Gobelins, Statuetten – der Reichtum eines Reiches, welcher der Mätresse eines Herrschers zu Füßen gelegt worden war.

Hier gab es Fenster, keine Schießscharten wie in den unteren Räumen. Die Läden waren geschlossen, doch im Licht der Kerze sah Adelia im Vorbeigehen, wie sie sich selbst in schönen und teuren Sprossenfenstern spiegelte.

Und durch die offenen Türen drang Parfümgeruch, erlesen und so stark, dass auch eine Nase, die durch Kälte und das stinkende Fell eines Hundes abgestumpft war, sich daran ergötzen konnte.

Adelia schnupperte. Rosen. Er hatte für sie sogar Rosen eingesperrt.

Über ihr wurde krachend eine weitere Tür aufgestoßen. Der Bischof stieß einen Schrei aus.

»Was ist denn, was ist denn?« Sie erreichte ihn auf dem obersten Treppenabsatz, hier ging es nicht mehr weiter. Rowley stand vor einer offenen Tür, ließ jedoch die Hand mit der brennenden Kerze herabhängen, so dass Wachs auf den Boden tropfte.

»Was ist denn?«

»Ihr habt Euch geirrt«, sagte Rowley.

Die Kälte war hier oben noch schneidender.

»Worin?«

»Sie lebt. Rosamund. Trotz allem.«

Die Erleichterung wäre groß gewesen, wenn das Ganze nicht so seltsam gewesen wäre. Das Zimmer, vor dem er stand, lag im Dunkeln.

Außerdem machte er keine Anstalten, einzutreten.

»Sie sitzt da drin«, sagte er und bekreuzigte sich.

Adelia ging hinein, der Hund folgte ihr.

Hier war kein Parfüm zu riechen, die Kälte löschte den Duft aus. Sämtliche Fensterläden und Fenster – in dem kreisrunden Raum gab es acht – standen weit offen, um Luft hereinzulassen, die eisig war. Adelia spürte förmlich, wie ihr Gesicht davon runzelig wurde.

Wächter lief voraus. Sie hörte ihn im Zimmer herumschnüffeln, aber er gab nicht zu erkennen, dass er jemanden gewittert hatte. Sie ging noch ein paar Schritte weiter hinein.

Der Lichtschein der Kerze erhellte ein Bett vor der Nordmauer. Edle weiße Spitze hing von einem vergoldeten Ring an der Zimmerdecke herab, teilte sich über Kissen und fiel auf beiden Seiten einer Decke mit goldenen Quasten bis zum Boden. Es war ein hohes und prächtiges Bett mit einer kleinen Treppe aus Elfenbein, die so platziert war, dass seiner Besitzerin hineingeholfen werden konnte.

Es war leer.

Seine Besitzerin saß an einem Schreibtisch auf der anderen Seite mit Blick auf ein Fenster, eine Schreibfeder in der Hand.

Adelia, deren Kerze jetzt leicht zitterte, sah die blitzenden Facetten einer juwelenbesetzten Krone und aschblondes Haar, das sich über den Rücken der Schreiberin lockte.

Geh näher ran. Du musst. Es kann dir nichts tun. Es kann nicht.

Sie zwang sich vorwärts. Als sie das Bett passierte, trat sie auf eine Falte des Spitzenstoffs, der auf dem Boden lag, und das Eis darin knirschte unter ihrem Stiefel.

»Lady Rosamund?« Es kam ihr richtig vor, das zu sagen, obwohl sie wusste, was sie wusste.

Sie zog einen Handschuh aus, um die erstaunlich dicke Schulter der Gestalt zu berühren, und fühlte eine steinerne Kälte in dem, was einmal Fleisch gewesen war. Sie sah eine kalkweiße Hand, mit Hautwülsten am Handgelenk wie bei einem Säugling. Daumen und Zeigefinger hielten eine Gänsefeder, als hätten sie gerade erst die Unterschrift unter das Dokument gesetzt, auf dem sie ruhten.

Mit einem Seufzer beugte Adelia sich vor, um in das Gesicht zu blicken. Offene, blaue Augen blickten leicht nach unten, als wollten sie das Geschriebene noch einmal durchlesen.

Aber die Schöne Rosamund war ausgesprochen tot.

Und ausgesprochen dick.

Kapitel sechs

Dakers«, sagte Adelia. »Das war Dakers.«

Nur die Haushälterin konnte sich geweigert haben, ihre tote Herrin ins Grab zu verabschieden.

Rowley erholte sich allmählich. »So kriegen wir sie nie in einen Sarg. Um Gottes willen, tut was. Ich rudere nicht mit ihr nach Godstow zurück, wenn sie dabei aufrecht sitzt und mich anglotzt.«

»Zeigt etwas Respekt, zum Donnerwetter.« Adelia schloss das letzte Fenster und fuhr ihn an. »Ihr werdet nicht rudern, und sie wird nicht sitzen.«

Jeder versuchte auf seine Weise, die Wirkung dieses Anblicks zu verarbeiten, der ihm den Mut geraubt und sie verstört hatte.

Jacques starrte von der offenen Tür ins Zimmer herein, doch Walt war nach einem kurzen Blick hastig nach unten geflohen. Wächter kratzte sich gelangweilt.

Adelia war tote Körper gewohnt und hatte sich nie vor einem gefürchtet – bis jetzt. Folglich war sie wütend geworden. Der Grund war die Haltung der Leiche … Rosamund war nicht in dieser Position gestorben. Wenn die Teufelshaube sie umgebracht hatte, dann war das Ende zu qualvoll gewesen. Nein, Dakers hatte den noch warmen Leichnam auf den Stuhl gezerrt, ihn arrangiert und dann entweder abgewartet, bis die Totenstarre eintrat, oder sie hatte ihn, falls diese schon vergangen war, in der Position gehalten, bis die Kälte, die durch die offenen Fenster drang, Kopf, Rumpf und Glieder in der Haltung erstarren ließ, wie sie jetzt waren, so, als würde Rosamund schreiben.

Adelia wusste das so sicher, als wäre sie selbst dabei gewesen, doch sie konnte den Eindruck nicht abschütteln, dass die Tote aufgestanden und zum Tisch geschritten war, um sich hinzusetzen und zur Feder zu greifen.

Rowleys Gereiztheit sollte nur das Entsetzen überspielen, das ihn aus der Fassung gebracht hatte, und Adelia, der es ähnlich erging, reagierte verärgert. »Ihr habt mir nicht erzählt, dass sie dick ist.«

»Spielt das eine Rolle?«

Nein, natürlich nicht, aber es war eine Art nachträglicher Schock. Das Bild, das Adelia sich von der Schönen Rosamund gemacht hatte, das Bild, das auf ihrem Ruf beruhte, auf dem, was Bertha erzählt hatte, auf dem endlosen Marsch durch den fürchterlichen Irrgarten, auf dem Anblick der noch fürchterlicheren Menschenfalle, war das einer schönen Frau gewesen, die menschlichem Leid so gleichgültig gegenüberstand wie eine Göttin des Olymps – anmutig, verwöhnt, abgehoben, kalt wie ein Reptil, aber schlank. Eindeutig schlank.