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»Wollt Ihr sie denn nicht rächen?« Sie sagte das, weil ihr nichts Besseres einfiel, um die Frau zu beruhigen, doch für einen Moment kehrte ein Anflug von Klarheit in die Augen zurück, die sie anfunkelten.

Der Mund hörte auf zu fauchen. »Wer war es?«

»Das weiß ich noch nicht. Aber eines kann ich Euch sagen, es war nicht die Königin.«

Wieder ein Fauchen. Dakers glaubte ihr nicht. »Sie hat einen Mörder bezahlt.«

»Nein.« Adelia fügte hinzu: »Und Bertha war es auch nicht.«

»Das weiß ich.« Verächtlich.

Plötzlich war eine seltsame Nähe zwischen ihnen. Adelia spürte, wie sie in die Überlegungen der Frau einbezogen wurde, sofern bei ihr überhaupt von Überlegung die Rede sein konnte, sah, wie ihr Wert als Verbündete in Betracht gezogen, verworfen und dann wieder abgewogen wurde. Schließlich war sie ja auch die einzige Verbündete.

»Ich finde Dinge heraus. Das ist meine Arbeit«, sagte Adelia und lockerte ihren Griff ein wenig. Sie kämpfte ihren Abscheu nieder und rang sich zu einem Vorschlag durch. »Kommt mit mir, und wir gehen der Sache gemeinsam auf den Grund.«

Wieder wurde sie abgeschätzt, für unzulänglich befunden, erneut abgeschätzt und dann als möglicherweise nützlich eingestuft.

Dakers nickte.

Adelia tastete in ihrer Tasche nach dem Messer, schnitt den Strick um die Fußknöchel der Haushälterin durch und zog ihr die Schlinge, die sie um den Hals hatte, über den Kopf. Sie stockte, unsicher, ob sie ihr auch die Hände losbinden sollte. »Versprecht Ihr es mir?«

Das eine noch offene Auge blinzelte sie an. »Ihr findet es heraus?«

»Ich werde es versuchen. Deshalb hat mich der Bischof von St. Albans mit hergebracht.« Nicht sehr beruhigend, dachte sie, wenn man bedachte, dass der Bischof von St. Albans diesen Ort jetzt als Gefangener verließ und Armageddon drohte.

Dakers streckte ihr die mageren Handgelenke entgegen.

Schwyz hatte den Wachraum verlassen, um draußen auf dem Hof für Ordnung zu sorgen. Einige der Diener waren mit ihm gegangen. Die wenigen, die noch verweilten, waren nach wie vor damit beschäftigt, ihre Sachen zusammenzusuchen, daher achteten sie nicht auf die beiden Frauen, die sich nach draußen schlichen.

Auf dem Burghof war das Chaos ebenso groß. Adelia zog Dakers die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf und setzte dann ihre eigene auf, damit sie bloß zwei weitere dunkle Gestalten in dem allgemeinen Durcheinander waren.

Ein aufkommender Wind sorgte für eine noch höhere Lautstärke und trieb kleine Wolken von Schneeflocken vor sich her, die nur langsam schmolzen. Das Mondlicht kam und ging wie eine flackernde Kerze.

Unbeachtet, Dakers’ Arm festhaltend und gefolgt von Wächter, bewegte sich Adelia auf der Suche nach Rowley durch das Treiben. Sie entdeckte ihn auf der anderen Hofseite und sah mit Erleichterung, dass Jacques und Walt bei ihm waren, alle drei aneinandergefesselt. In ihrer Nähe debattierte der Abt von Eynsham mit Schwyz darüber, was mit ihnen geschehen sollte, und seine Stimme übertönte den Wind und das Chaos. »… ist mir egal, du Tyrann, ich muss wissen, was sie wissen. Die kommen mit.« Schwyz’ Erwiderung war nicht zu verstehen, doch Eynsham hatte sich durchgesetzt. Die drei Gefangenen wurden grob zu dem Menschengedränge am Tor bugsiert, wo Eleanor gerade Anstalten machte, auf ein Pferd zu steigen.

Verdammt, verdammt. Sie musste mit Rowley sprechen, ehe sie getrennt wurden. Natürlich unbemerkt, was sich mit einer gescheiterten Attentäterin im Schlepptau noch schwieriger gestalten würde … dennoch wagte sie es nicht, Dakers’ Hand loszulassen.

In diesem Moment lachte Dakers, zumindest erklang unter der Kapuze, die ihr Gesicht umhüllte, ein leises, gackerndes Geräusch.

»Was ist?«, fragte Adelia und merkte, dass sie Rowley und die anderen aus den Augen verloren hatte. »Ach, seid still.«

In quälender Unentschlossenheit zog sie die Frau zu dem Torbogen, durch den man in den äußeren Hof und zum Eingang des Irrgartens gelangte. Der Wind ließ die Mäntel der herumhastenden Diener immer wieder aufflattern, so dass der goldene Löwe von Aquitanien auf ihren Wappenröcken im Fackelschein aufglänzte. Soldaten in ihren fest geschlossenen wattierten Jacken versuchten, Befehle zu geben, rissen unnötige oder zu schwere Gegenstände aus widerspenstigen Armen und hinderten ihre Besitzer daran, erneut danach zu greifen. Nur Eleanor war ruhig, hielt ihr Pferd mit einer Hand im Zaum und schirmte mit der anderen die Augen ab, um das Geschehen zu beobachten. Ihr Blick war suchend.

Sie sah Wächter, der sich wie ein kleines schwarzes Schaf gegen den Schnee abhob, und zeigte mit einem behandschuhten Finger auf das Tier, während sie Schwyz einen Befehl gab. Schwyz schaute in die Richtung und deutete dann selbst darauf. »Cross, die da«, rief er einem seiner Männer zu. »Nimm sie mit. Die mit dem Hund.«

Adelia wurde gepackt und auf ein Maultier gehoben. Sie wehrte sich, wollte Dakers’ Hand nicht loslassen.

Der Mann namens Cross entschied sich für den Weg des geringsten Widerstands und hob Dakers ebenfalls auf das Tier, wo sie sich an Adelias Rücken presste. »Und bleibt schön da sitzen«, schrie er sie an. Mit einer Hand am Zaumzeug drückte er den Körper gegen Adelias Bein und führte seine Schützlinge durch den Torbogen in den äußeren Hof, wo er wartete, bis der Rest des Reiterzuges zu ihnen stieß.

Eleanor ritt an die Spitze, Eynsham dicht hinter ihr. Vor ihnen lag das offene Tor des Irrgartens wie ein gähnendes schwarzes Loch.

»Reitet geradewegs hindurch, Königin meines Herzens«, rief der Abt ihr fröhlich zu. »So gerade wie der Pflug meines alten Papas.«

»Geradewegs?«, rief die Königin zurück.

Er breitete die Arme aus. »Habt Ihr mir nicht befohlen, die Geheimnisse der Hure zu erkunden? Und hab ich das nicht prächtig getan?«

»Es gibt einen direkten Weg hindurch?« Eleanor lachte. »Abt, mein lieber Abt. ›Und was krumm ist, soll gerade werden …‹«

»›… und was hügelig ist, werde eben‹«, sprach er für sie zu Ende. »Der alte Jesaja war ein kluges Kerlchen. Ich bin sein ergebener Diener, und der Eure. Wohlan, meine Königin, und der Weg des Herrn wird Euch durch das Dickicht der Hure führen.«

Noch immer lachend, ritt Eleanor hinter einigen ihrer Männer, von denen einer eine Laterne hielt, in den Irrgarten hinein. Der Rest des Zuges folgte.

Hinter ihnen rief Schwyz wieder einen Befehl, und eine brennende Fackel flog im hohen Bogen durch die Luft auf das angehäufte Brennholz im Wachraum …

Der Abt hatte recht. Der Weg durch den Irrgarten verlief jetzt schnurgerade. Schmale Wege öffneten sich direkt in die nächsten. Vermeintlich unüberwindbare Hecken entpuppten sich als getarnte und nun offenstehende Türen.

Alles Geheimnisvolle war verschwunden. Der Wind zerriss die Stille des Irrgartens, und die Hecken um sie herum bogen und schüttelten sich wie ganz alltägliches, windgepeitschtes Strauchwerk. Irgendeine heimtückische Essenz war verflogen, und Adelia war nicht traurig darum. Wenn man diesem seltsamen Abt glauben konnte, der beteuerte, ein glühender Verehrer der Königin zu sein, hatte Rosamund selbst ihm diesen geheimen Weg verraten, und das fand Adelia bemerkenswert.

»Kennt Ihr diesen Mann?«, fragte sie über die Schulter. Sie zuckte zusammen, als sie spürte, wie sich Dakers’ magere Brust an ihrem Rücken auf und ab bewegte, als die Haushälterin wieder kicherte.

»Hält sich für besonders schlau.« Es war weniger eine Antwort als vielmehr eine Art Selbstgespräch. »Bildet sich ein, er hat unsere Schlange besiegt. Soll er ruhig, aber die hat noch immer ihre Giftzähne.« Vielleicht war es Ausdruck ihres Wahns, dachte Adelia, dass in ihrer Stimme kein Hass auf den Mann zu hören war, der, wie er selbst gestanden hatte, Rosamund in ihrem Turm besucht hatte, um sie an die Königin zu verraten.