Выбрать главу

Nach kurzer Zeit waren sie durch den Irrgarten hindurch. Cross schimpfte fürchterlich auf das Maultier und zwang es in den Trab, so dass Adelia und Dakers unsanft auf dem sattellosen Rückgrat durchgeschüttelt wurden, als das Tier den Hügel hinauflief.

Der Wind nahm an Stärke zu und trieb waagerechte Schneeschauer vor sich her, die immer wieder den Mond verdunkelten, der hoch am Himmel hing. Als sie den Hügelkamm erreichten, peitschte ihnen der Sturm heulend ins Gesicht.

Adelia schaute sich um und sah, wie Rowley, Jacques und Walt von den Speerspitzen der Männer hinter ihnen aus dem Irrgarten gestoßen wurden.

Dakers stieß einen gellenden triumphierenden Schrei aus. Sie hatte das Gesicht dem Turm zugewandt – eine schwarze, aufrechte und gleichgültige Silhouette vor dem Mond.

»So ist’s recht, so ist’s recht«, kreischte Dakers. »Satan, unser dunkler Herr, hat mich erhört, Liebste. Ich komme zu dir zurück, mein Herz. Warte auf mich.«

Der Turm brannte nicht. Inzwischen hätte er ein loderndes Fanal sein müssen, doch trotz der zerschlagenen Möbel, trotz des Öls, des Windes und einer Fackel hatte das Feuer nicht um sich gegriffen. Es war gelöscht worden, aber wie?

Seine Haupttür lag in Windrichtung, sagte Adelia sich. Der Wind hatte Schnee hineingetrieben und die Flammen erstickt.

Was er jedoch nicht ersticken konnte, das war das Bild vor ihrem geistigen Auge, wie die teuflisch konservierte Rosamund in diesem eisigen Turmzimmer auf die Rückkehr ihrer Dienerin wartete …

Die kleine Flotte auf dem Fluss war erbärmlich: Fischerboote, kleinere Kähne und ein alter Lastkahn, allesamt von Schwyz’ Männern vertäut entlang des Ufers gefunden und beschlagnahmt. Das einzige etwas größere Gefährt war die Barkasse, mit der Mansur und Oswald und die Männer aus Godstow den Fluss heraufgekommen waren. Adelia hielt nach Mansur Ausschau, und als sie ihn nirgends entdeckte, bekam sie Angst, dass die Soldaten ihn getötet hatten. Es waren rohe Männer. Sie erinnerten Adelia an so manche Nachhut von Kreuzfahrerheeren, die durch Salerno gezogen waren, allzeit bereit, jeden zu erschlagen, der anders aussah als sie selbst. Im Bug der Barkasse stand eine hohe Gestalt, doch der Mann trug einen Umhang mit Kapuze wie alle anderen auch und war in dem Schneetreiben nicht deutlich zu erkennen. Er könnte Mansur sein, aber auch ein Soldat.

Sie versuchte, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass Schwyz und seine Männer Söldner waren, denen es mehr um Beute ging als darum, einen Sarazenen zu erschlagen. Und gewiss war ihnen klar, dass sie jeden erfahrenen Bootslenker brauchen konnten, um nach Oxford zu kommen.

Das Chaos, das im Hof des Wormhold Tower geherrscht hatte, wurde nun noch verdoppelt, als Eleanors Leute sich darum stritten, ihre Königin auf die Barkasse aus Godstow zu begleiten, denn nur dieses Boot hatte eine Kajüte. Falls irgendwer zuständig war, für die Verteilung der Passagiere auf die Boote zu sorgen, so gelang ihm das nicht.

Der Söldner Cross, der auf Adelia und Dakers aufpassen sollte, wartete noch immer auf Befehle. Als ihm endlich klar wurde, dass es keine geben würde, war die Barkasse mit den Dienern und dem Gepäck der Königin schon bedenklich überladen. Er und die beiden Frauen wurden weggewinkt.

Fluchend hievte er sie auf das nächste Boot in der Reihe und warf sie beinahe ins Heck. Wächter sprang hinterdrein.

Es war ein Ruderboot. Ein offenes Ruderboot, das mit einem Tau ans Heck der Godstow-Barkasse gebunden war. Adelia schrie den Soldaten an: »Du kannst uns nicht hierlassen. Wir werden erfrieren.« Wenn sie in diesem Ding schutzlos dem schneidenden Wind ausgesetzt blieben, wären sie tot, ehe sie Oxford erreichten, und ebenso steif gefroren wie Rosamund.

Das Boot erbebte, als drei weitere Passagiere von einem anderen Wachmann hineingestoßen wurden, der hinter ihnen herstolperte. Eine tiefere Stimme als die Adelias, eine Stimme, die es gewohnt war, Gehör zu finden, übertönte den Wind: »In Gottes Namen, Mann, willst du uns umbringen? Besorg uns einen Windschutz. Frag die Königin, die Lady hier hat ihr das Leben gerettet.« Der Bischof von St. Albans saß mit ihr in einem Boot und unterstützte ihre Bitte. Und obwohl er noch immer an Jacques und Walt gefesselt war und mit vorgehaltenem Spieß bedroht wurde, hatte er dennoch Autorität.

»Ich hol ja schon was«, rief Cross zurück. »Hört auf zu jammern und setzt Euch hin. Vor die Frauen.«

Sobald sich alle zu seiner Zufriedenheit niedergelassen hatten, kam er mit einem großen Bündel an, das sich als ein altes Segel erwies, und er rief seinen Gefährten, den er mit Giorgio ansprach, damit der ihm half, es auszubreiten.

Ihre Manieren ließen zu wünschen übrig, aber er und sein Freund arbeiteten geschickt. Als der Wind drohte, ihnen das Segeltuch zu entreißen, mussten Dakers und Adelia sich an einem Ende darauf setzen, ehe es über ihren Rücken nach vorn gezogen wurde, so dass es sie beide ebenso bedeckte wie die drei Gefangenen und schließlich auch die zwei Soldaten, die vorn im Bug Platz nahmen. Ihre Bemühungen waren also nicht uneigennützig gewesen, sie kamen mit. Mit einer betont vielsagenden Geste legte Giorgio sich ein Stoßschwert über die Knie.

Das Segel war verdreckt, stank und drückte jedem von ihnen schwer auf den Kopf, und es war auch nicht breit genug. Als sie es so zogen, dass sie gegen den heulenden Wind auf der linken Seite geschützt waren, blieb auf der rechten Seite eine Lücke. Binnen kurzem hatte sich Eis darauf gebildet, das es steif machte, aber auch mit einer schützenden Schicht überzog. Es war ein notdürftiger Schutz.

Der Fluss wurde zu einer wütenden Gischt aufgepeitscht, die eisiges Wasser über das Dollbord trieb. Adelia hob Wächter auf ihren Schoß, deckte ihn mit ihrem Umhang zu und stützte die Füße gegen Rowleys Rücken, um sie aus dem Wasser zu halten – er saß auf der Ruderbank direkt vor ihr, auf der Steuerbordseite, wo die Lücke war. Jacques saß zwischen ihm und Walt.

»Geht es Euch gut?« Sie musste gegen das Heulen des Windes anbrüllen.

»Und Euch?«, fragte er.

»Bestens.«

Auch der Bote gab sich tapfer. Adelia hörte ihn sagen: »Bootsfahrt – mal eine nette Abwechslung.«

»Zieh ich dir vom Lohn ab«, entgegnete der Bischof. Walt schnaubte.

Für mehr reichte die Zeit nicht, denn die beiden Soldaten schrien sie an, sie sollten Wasser aus dem Boot schöpfen, »ehe das Scheißding absäuft«, und verteilten zu diesem Zweck Gefäße. Die drei Gefangenen bekamen richtige Schöpfeimer, während man den Frauen zwei Krüge in die Hand drückte. »Und strengt euch verdammt noch mal an.«

Adelia begann, Wasser zu schöpfen – wenn das Boot mit ihnen unterging, wären sie tot, ehe sie sich ans Ufer retten könnten. So schnell wie möglich kippte sie eisiges Wasser raus in den Fluss – und der Fluss kippte es zurück ins Boot.

Wenn sie durch die Lücke im Segel spähte, wurde der dahinjagende Schnee schwach von einer Lampe im Heck der Barkasse und einer im Bug des nachfolgenden Bootes erhellt. Das bisschen Licht genügte Adelia, um zu erkennen, mit was für einem jammervoll unpraktischen Krug sie gegen das Wasser kämpfte. Er war aus Silber und hatte kürzlich noch auf dem Tablett gestanden, auf dem ein Diener Essen für Eleanor in Rosamunds Zimmer getragen hatte. Die Aquitanier hatten recht gehabt: Die Söldner, zumindest die beiden bei ihr im Boot, waren Diebe.

Plötzlich packte Adelia eine unbändige Wut, die um den gestohlenen Krug kreiste, aber in Wahrheit mehr damit zu tun hatte, dass sie fror, müde und nass war, körperlich litt und um ihr Leben fürchtete. Sie herrschte Dakers an, die untätig war. »Nun schöpft schon, zum Donnerwetter.«

Die Frau rührte sich nicht, und ihr Kopf hing herab. Wahrscheinlich tot, dachte Adelia.

Auch Rowley wurde von Zorn übermannt. Er brüllte die zwei Soldaten an, sie sollten ihnen die Hände losschneiden, damit er und Jacques und Walt schneller schöpfen könnten – sie wurden dadurch behindert, dass sie das Wasser stets mit einer unbeholfenen Bewegung gleichzeitig aufschöpfen und über Bord gießen mussten.