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Der Ritter nickte, woraufhin sich ein livrierter Mann hinter dem Chorgestühl umwandte und die Tür zur Sakristei öffnete, der Eingang, der den Ordensschwestern vorbehalten war.

Mutter Edyve kam, auf ihren Stock gestützt, herein, gefolgt von den Godstower Nonnen. Sie blieb stehen, als sie den Altarraum erreichte, und betrachtete die Männer, die auf den Plätzen saßen, die sonst für sie und ihre Schwestern reserviert waren.

Ein erschrockenes Zischen durchlief die Versammlung, doch Mutter Edyve neigte nur leicht den Kopf, humpelte dann an ihnen vorbei und winkte ihrer Herde mit einem Finger, ihr zu folgen, als sie die Stufen hinunterging und sich mit zu der Gemeinde stellte.

Adelia schaute sich im Kirchenschiff um, suchte nach Mansur. Sie sah ihn nirgends; stattdessen fiel ihr Blick auf Männer in Rüstungen, die sich mit gezogenen Schwertern entlang der Mauern aufgebaut hatten, als wären den alten Steinen Bolzen aus Stahl und Eisen gewachsen.

Wachen.

Sie drehte sich um. Der Ritter im Chorraum hatte zu reden begonnen. »Ihr alle kennt mich. Ich bin Lord Wolvercote, und von nun an bestimme ich im Namen unseres Erlösers und meiner huldvollen Lehnsherrin, Königin Eleanor von England, über den geweihten Bezirk Godstow, damit er gegen die Feinde der Königin verteidigt und gehalten wird, bis zu dem Augenblick, da sie im ganzen Land den Sieg errungen hat.«

Für einen so großen Mann war seine Stimme verblüffend hell und schwach, doch in der Stille benötigte sie keine Kraft.

Ein fassungsloses Raunen ertönte. Hinter Adelia sagte jemand: »Was meint der denn?«

Jemand anderer murmelte. »Menschenskind, heißt das, wir haben Krieg?«

Aus dem Mittelschiff drang ein Ruf: »Welche Feinde denn? Wir haben keine Feinde, wir sind doch eingeschneit.« Adelia meinte die Stimme des Müllers zu erkennen, der schon Bischof Rowley hinterfragt hatte. Allgemeines nervöses Kichern war die Folge.

Augenblicklich drängten sich zwei der Waffenknechte, die an der Südmauer gestanden hatten, vor, und stießen Menschen mit der Flachseite ihrer Schwerter beiseite, bis sie den Störenfried erreicht hatten. Sie packten ihn und zerrten ihn durch die Menge zum Hauptportal.

Es war der Müller. Adelia sah kurz sein rundes Gesicht, den vor Schreck offenen Mund. Die Männer, die ihn rausschafften, trugen das Wolfskopfwappen. Ein Junge rannte hinterdrein. »Pa. Lasst meinen Pa los.« Sie konnte nicht sehen, was danach geschah, doch die Tür knallte zu, und es trat wieder Stille ein.

»Ich dulde keine Aufsässigkeiten«, sagte die helle Stimme. »Die Abtei steht ab jetzt unter militärischer Herrschaft, und all ihre Bewohner unterstehen dem Kriegsrecht. Es wird ein Ausgangsverbot verhängt werden …«

Adelia wollte ihren Ohren nicht trauen. Das Schockierende an der Sache war ihre Dummheit. Wolvercote brachte just die Leute gegen sich auf, deren Freundschaft er brauchte, solange der Schnee liegenblieb. Und das unnötigerweise. Wie der Müller schon gesagt hatte, es gab keinen Feind. Soweit sie wusste, lag die nächste Streitmacht bei Oxford – und das war die von Wolvercote.

O Gott, ein dummer Mensch, das gefährlichste Tier überhaupt.

Im Chorgestühl lächelte Montignard der Königin zu. Die meisten anderen dort beobachteten die Menge im Kirchenschiff, doch der Abt von Eynsham studierte seine Fingernägel, während Schwyz’ finstere Miene sich ausnahm wie die eines Mannes, der gezwungen war, einen als Menschen verkleideten Affen zu betrachten.

Er hätte das nicht getan, dachte Adelia, er ist Berufssoldat. Ich hätte es nicht getan, ich verstehe nichts vom Kriegshandwerk.

»… die frommen Frauen werden sich in ihren Klosterbereich zurückziehen; solange wir eingeschneit sind, wird das Essen rationiert werden und eine Mahlzeit am Tag gemeinsam eingenommen werden – Adelige im Refektorium, Gemeine in der Scheune. Abgesehen von den Gottesdiensten, sind keinerlei Versammlungen erlaubt. Jede Ansammlung von mehr als fünf Personen ist verboten.«

»Dann kann er sich seine blöden gemeinsamen Mahlzeiten ja wohl auch abschminken«, flüsterte Gyltha.

Adelia grinste. Das hier war Dummheit par excellence. Schon allein in der Küche arbeiteten zwanzig Leute zusammen, und wenn die sich nicht versammeln konnten, würde nicht gekocht werden.

Was auch immer der Mann vorhat, dachte sie, auf diesem Weg wird er es nicht erreichen.

Und dann dachte sie: Aber er kennt keinen anderen. Für ihn sind nur verängstigte Leute gehorsame Leute.

Und wir sind verängstigt. Sie spürte es, die kollektive Erinnerung, die sich wie ein kalter Luftzug durch die Körperwärme in der Kirche bohrte. Eine altvertraute Hilflosigkeit. Die Apokalyptischen Reiter waren unter ihnen, hatten sich durch ein dummes, dummes Schwein Einlass in ihre friedliche Welt verschafft.

Wozu?

Adelia schaute zu Schwyz und Abt Eynsham hinüber, die Beunruhigung ausströmten. Wenn das der Krieg der Königin ist, dann stehen sie alle auf einer Seite. Will Wolvercote sich jetzt über seine Verbündeten erheben, ehe sie seine Autorität anfechten können? Falls Ruhm zu gewinnen war, dann sollte ihn nicht der Abt von Eynsham, nicht Schwyz noch irgendein anderer gewinnen. Die Königin von England war Wolvercote förmlich in den Schoß gefallen, und er musste sich als ihr Erretter beweisen, ehe das ein anderer tat. Falls sie mit ihm als Feldherrn den Sieg errang, konnte Wolvercote sogar zum wahren Herrscher Englands aufsteigen.

Ich sehe einen Mann, der einen hohen Einsatz wagt.

Er war mit seinen Anweisungen fertig. Jetzt wandte er sich um, kniete vor Eleanor nieder und streckte ihr das Heft seines Schwertes entgegen, damit sie es berührte. »Auf immer Euer Diener, Lady. Euch und Gott dem Allmächtigen schwöre ich Treue.«

Und Eleanor berührte das Schwert. Stand auf. Ging um ihn herum zu den Stufen des Altarraums. Hob ihre zierliche Faust. Ein wunderschöner Anblick.

»Ich, Eleanor, Königin von England, Herzogin von Aquitanien, schwöre, dass ich Euch, mein Volk, lieben und ehren werde, so wie ich meinen gütigen Herrn Jesus Christus liebe und ehre.«

Falls sie Applaus erwartet hatte, so wurde sie enttäuscht. Doch sie lächelte, war sich ihres Charmes sicher. »Mein guter und treuer Vasall Lord Wolvercote ist ein Mann des Krieges, aber auch ein Mann der Liebe, wie durch seine Hochzeit mit einer der Euren bezeugt werden wird, die in wenigen Tagen stattfindet. Ich lade alle hier Anwesenden zu dieser Feier ein.«

Auch das wurde nicht mit Applaus belohnt, doch irgendwo tief in der Menschenmenge furzte jemand. Laut.

Die Waffenknechte wandten die Köpfe hin und her, suchten nach dem Übeltäter, doch abgesehen von einem leichten Beben, das durch die Menge lief, rührte sich niemand oder verzog auch nur die Miene.

Ich liebe die Engländer, dachte Adelia.

Der Abt von Eynsham war aufgestanden und rettete die Situation, indem er einen Segen sprach. Beim Gehet-hin-in-Frieden wurden die Türen geöffnet, und alle durften durch eine Phalanx von Bewaffneten, die ihnen befahlen, schweigend nach Hause zu gehen, nach draußen schlurfen.

Zurück in ihrem Zimmer, riss Gyltha sich den Mantel von den Schultern. »Sind die alle bekloppt geworden oder ich?«

»Nein, die.« Sie legte Allie aufs Bett. Das Kind hatte sich in der Kirche gelangweilt und war eingeschlafen.

»Was hat er davon?«

»Innerer Machtkampf«, erklärte Adelia. »Er will dafür sorgen, dass er der wichtigste Streiter der Königin ist, ehe sie sich einen anderen aussuchen kann. Hast du Schwyz’ Gesicht gesehen? Die arme Emma.«

»Der Streiter der Königin?«, höhnte Gyltha. »Wenn Godstow bisher nich für Henry Plantagenet war, dann auf jeden Fall jetzt – das hat der Streiter der Königin für sie erreicht.«

Es klopfte an der Tür.

Es war Cross, der Söldner, mürrisch wie immer. Er sprach Gyltha an, deutete aber mit dem Kinn auf Adelia. »Die muss mitkommen.«