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Sie wurde nicht mal gefragt, ob sie überhaupt ein neues Gewand wollte. Sie wollte keins; sie kleidete sich, um unsichtbar zu werden. Adelia war eine Beobachterin. Wirkung wollte sie höchstens bei ihren Patienten erzielen, und dann auch nicht als Frau. Nun ja … auf Rowley hatte sie wirken wollen, und es war ihr auch gelungen, aber da war sie gänzlich unbekleidet gewesen …

Auch die armen Näherinnen unter den Zofen der Königin wurden nicht konsultiert, obwohl es eine mühsame Arbeit werden würde, den Stoff, für den man sich dann letztlich entschied, in einen Bliaut für sie zu verwandeln, oben anliegend, weit ausgestellter Rock, Ärmel bis zum Ellbogen eng, dann lose fast bis zum Boden hängend, vor allem, da Eleanor auch noch eine Filigranstickerei an Halsausschnitt und Ärmeln verlangte und das Ganze bis zum Weihnachtsfest fertig sein sollte.

Adelia war fassungslos, dass man sogar Näherinnen mit auf den Kriegszug genommen hatte, samt Truhen voller buntschillernder Brokatbahnen, Seidenballen, Leinen und Samt.

Schließlich entschied sich Eleanor für einen tief dunkelblauen Samtstoff, der, wie sie sagte, »den Glanz der Trauben Aquitaniens« hatte.

Wenn die Königin etwas tat, dann auch richtig. Ein hauchdünner Schleier – sie selbst machte vor, wie er an der Barbette, der Kinnbinde, befestigt wurde –, ein schmaler Goldreif, ein kunstvoll gewebter Gürtel, bestickte Schuhe, ein Kapuzenumhang aus so feiner Wolle, dass er durch einen Ring gezogen werden konnte, all das sollte Adelia gehören.

»Ihr habt es Euch verdient, meine Liebe«, sagte Eleanor und tätschelte ihr den Kopf. »Es war ein sehr böser Dämon.« Sie drehte sich zu Eynsham um. »Wir sind doch jetzt vor ihm sicher, nicht wahr, Abt? Ihr sagtet ja, Ihr habt ihn unschädlich gemacht, hab ich recht?«

Dakers. Was haben sie mit Dakers gemacht?

»Ich konnte die Kreatur ja schlecht umherlaufen und die Dame meines Herzens erneut angreifen lassen.« Der Abt gab sich vergnügt. »Ich hab sie versteckt zwischen den Klosterbüchern gefunden. Ich glaube kaum, dass sie lesen kann, und am liebsten hätte ich sie gleich dort aufgehängt. Aber unsere frommen Schwestern haben ein großes Geschrei veranstaltet, also musste ich sie, pendent opera interrupta, stattdessen ins Klostergefängnis sperren. Wir werden sie bei unserem Aufbruch mitnehmen und dann aufhängen …« Er zwinkerte. »Vorausgesetzt, sie ist bis dahin nicht erfroren.«

Das erntete anerkennendes Gelächter, in das Eleanor mit einfiel, obwohl sie widersprach. »Nein, nein, Mylord, das Weib ist besessen, wir können keine Wahnsinnige hinrichten.«

»Besessen vom Bösen ihrer Herrin. Sie wäre besser tot, Lady, besser tot. Wie Rosamund.«

Es wurde eine lange Nacht. Niemand durfte sich zurückziehen, ehe die Königin die Erlaubnis erteilte, und Eleanor schien einfach nicht zu ermüden. Es gab Gesellschaftsspiele, Brettspiele wie »Fuchs im Hühnerhof« oder Alquerque, und es wurde gewürfelt. Reihum musste jeder seine Sangeskunst zum Besten geben, sogar Adelia, die keine nennenswerte Stimme hatte und nur Gelächter erntete.

Als Mansur an die Reihe kam, war Eleanor hingerissen und neugierig. »Wunderbar, wunderbar, ist er ein Kastrat?«

Adelia, die auf einem Hocker zu Füßen der Königin saß, bejahte.

»Wie faszinierend. In Outremer hab ich Kastraten singen gehört, aber noch nie in England. Sie können einer Frau Lust bereiten, glaube ich, müssen aber kinderlos bleiben, richtig?«

»Das weiß ich nicht, Lady.« Es war richtig, doch Adelia war nicht gewillt, in dieser Gesellschaft darüber zu sprechen.

Es wurde heiß im Raum. Noch mehr Spiele, noch mehr Gesang. Adelia begann einzunicken, wurde aber immer wieder durch einen kalten Luftzug von der Tür her geweckt, wenn Leute kamen und gingen.

Jacques war fort – nein, er brachte gerade Essen aus der Küche herein. Montignard war fort und Mansur, nein, da waren sie wieder, wo auch immer sie gewesen sein mochten. Der Abt war fort und kam mit einer Schnur zurück, weil Eleanor unversehens Lust auf ein Fadenspiel bekommen hatte. Da war er wieder, diesmal mit Mansur, ein Tisch zwischen ihnen, die Köpfe über ein Schachbrett geneigt. Ein Höfling kam mit einem Armvoll Schnee herein, um den Wein zu kühlen … Ein anderer junger Mann, derjenige, der die Nonnen mit Schneebällen beworfen hatte, sang zur Laute …

Adelia zwang sich auf die Beine. Sie ging zu dem Schachtisch hinüber und warf einen Blick auf das Brett.

»Du verlierst«, sagte sie auf Arabisch.

Mansur blickte nicht auf. »Er ist der bessere Spieler, möge Allah ihn verfluchen.«

»Sprich noch ein wenig.«

Er schnaubte. »Was soll ich denn sagen? Ich bin diese Leute satt. Wann gehen wir endlich?«

Adelia wandte sich an Eynsham. »Mylord Mansur bittet Euch, ihm zu sagen, was Ihr über den Tod dieser Rosamund Clifford wisst, Mylord.«

Der Abt hob den Kopf, um sie anzusehen, und wieder spürte sie diese durchdringende Verbindung zwischen ihnen. »Ach ja? Wahrhaftig? Und wieso sollte Mylord Mansur solcherlei Erkundigungen einziehen?«

»Er ist Arzt, er interessiert sich für Gift.«

Eleanor hatte Rosamunds Namen gehört. Sie rief quer durch den Raum: »Wie bitte? Wovon sprecht Ihr?«

Sofort wurde der Abt ein anderer Mensch, rustikal und lustig. »Unser wackerer Arzt möchte mehr über den Tod der Hure Rosamund wissen. Ich war doch bei Euch, als wir davon erfuhren, nicht wahr, meine Werteste? War das nicht, als wir gerade aus der Normandie übergesetzt waren, gleich nach der Landung? Bin ich da nicht niedergesunken und hab dem großen Rächer aller Sünden auf Knien gedankt?«

Eleanor streckte ihm die Hände entgegen. »Das habt Ihr, Abt, das habt Ihr.«

»Aber Ihr kanntet Rosamund doch schon früher«, sagte Adelia. »Das habt Ihr gesagt, als wir in Wormhold waren …«

»Ob ich Rosamund kannte? O ja, ich kannte sie. Hätte ich denn eine solche Schändlichkeit in meinem eigenen Land ungezügelt wuchern lassen sollen? Dafür hätte sich mein alter Pa geschämt. Ach, wie viele Tage hab ich in der Höhle dieser verruchten Isebel verbracht und sie wie ein Daniel ermahnt, hinfort der Hurerei abzuschwören!« Seine Vorstellung richtete sich an die Königin, doch er ließ Adelia dabei nicht einen Moment aus den Augen.

Noch mehr Lieder, noch mehr Spiele, bis selbst Eleanor müde wurde. »Zu Bett, ihr Lieben. Geht zu Bett.«

Als Mansur Adelia nach Hause begleitete, war er mürrisch und ärgerlich über seine Niederlage beim Schach, das er doch meisterhaft beherrschte. »Er ist ein exzellenter Spieler, dieser Priester. Ich mag ihn nicht.«

»Er war irgendwie an Rosamunds Tod beteiligt«, sagte Adelia. »Ich weiß es, er hat mich damit verhöhnt.«

»Er war nicht dort.«

Zugegeben, Eynsham war auf der anderen Seite des Ärmelkanals gewesen, als Rosamund starb.

Aber irgendwas war da …

»Wer war denn der Dicke mit Syphilis?«, fragte Mansur. »Er hat mich mit rausgenommen, um’s mir zu zeigen. Er will eine Salbe haben.«

»Montignard? Montignard hat die Syphilis? Geschieht ihm recht.« Adelia war vor Übermüdung gereizt. Es war fast Morgen. Während sie weitertrotteten, war von der Kapelle her eine Vigil-Antiphon zu vernehmen.

Mansur hob die Laterne, um ihr am Gästehaus die Treppe hinaufzuleuchten. »Hat die Frau die Tür für dich unverriegelt gelassen?«