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»Ich denke, ja.«

»Das sollte sie nicht. Es ist zu gefährlich.«

»Dann würde ich sie aber wecken müssen«, sagte Adelia, während sie die Stufen hinaufstieg. »Und sie heißt Gyltha. Wieso sprichst du den Namen nie aus?« Verdammt, dachte sie, sie sind schließlich so gut wie verheiratet.

Auf der oberen Stufe stolperte sie über etwas Großes, das dadurch fast über den Rand hinunter in die Gasse gestürzt wäre. »Großer Gott. Mansur. Mansur.«

Gemeinsam trugen sie die Wiege ins Zimmer. Das schlafende Kind darin war warm zugedeckt und schien die Kälte unbeschadet überstanden zu haben.

Die Kerze war ausgegangen. Gyltha saß reglos am Fenster, wo sie auf Adelias Rückkehr gewartet hatte. Einen grauenhaften Moment lang dachte Adelia, sie wäre ermordet worden – Gylthas Hand hing schlaff über der Stelle, wo sonst die Wiege stand.

Ein Schnarchlaut beruhigte sie.

Zu dritt kauerten sie sich um die Wiege herum und sahen Allie beim Schlafen zu, als hätten sie Angst, die Kleine könnte sich in Luft auflösen.

»Hier is wer reingekommen und hat sie gestohlen? Draußen auf die Treppe gestellt?« Gyltha kam gar nicht darüber hinweg.

»Ja«, bestätigte Adelia. Ein Zoll weiter auf der Stufe, bloß ein einziger Zoll … Im Geist sah sie unentwegt die Wiege durch die Luft trudeln und rund sechs Meter tief hinab in die Gasse stürzen.

»Hier is wer reingekommen? Und ich hab nix gehört? Hat sie draußen auf die Treppe gestellt?«

»Ja, ja.«

»Aber wozu denn?«

»Ich weiß nicht.« Aber sie wusste es.

Mansur sprach es aus: »Er hat dich gewarnt.«

»Ich weiß.«

»Du stellst zu viele Fragen.«

»Ich weiß.«

»Was für Fragen?« In ihrer Panik kam Gyltha nicht mehr mit. »Wer will nich, dass du Fragen stellst?«

»Ich weiß nicht.« Hätte sie es gewusst, sie wäre vor ihm zu Kreuze gekrochen, hätte sich ihm zu Füßen geworfen. Du hast gewonnen. Du bist schlauer als ich. Geh, wohin du willst, ich werde dich nicht daran hindern. Aber lass mir meine Allie.

Kapitel elf

Am liebsten hätte sie sich mit Allie ins nächste Mauseloch verkrochen.

Als die Königin Jacques sandte, um sie zu holen, sagte Adelia, sie sei krank und könne nicht mitkommen.

In ihrem Kopf sprach der Mörder mit ihr.

Wie gehorsam bist du jetzt?

Ganz gehorsam, Mylord. Völlig gehorsam. Ich werde nichts tun, was Euch missfällt, nur tut Allie nichts.

Sie kannte ihn jetzt, wusste nicht, wer er war, aber was er war. Als er Allies Wiege unter der Hand der schlafenden Gyltha wegholte und auf die oberste Treppenstufe stellte, da hatte er sich offenbart.

Ein so simples Mittel, um seine Gegnerin hilflos zu machen. Wenn sie ihn nicht so fürchten würde, könnte sie ihn beinahe bewundern – seine Unverfrorenheit, seine Effektivität, seinen Einfallsreichtum.

Und es hatte ihr verraten, für welche Morde er verantwortlich war.

Es hatte, das war ihr nun klar, zwei Kategorien von Mord gegeben, die nichts miteinander zu tun hatten. Nur die Tatsache, dass sie die jeweiligen Opfer innerhalb kurzer Zeit gefunden hatte, erweckte den Anschein, dass sie zusammenhingen.

Der Tod des Talbot aus Kidlington war am leichtesten zu durchschauen, weil er das älteste Motiv überhaupt hatte: Gier.

Wolvercote hatte guten Grund gehabt, den Jungen zu töten, denn wäre dieser mit Emma geflohen, hätte der Lord seine kostbare Braut verloren.

Oder aber die Erbschaft, die Talbot an seinem einundzwanzigsten Geburtstag zugefallen wäre, hätte seinen Vormund einer Einnahmequelle beraubt. Durchaus möglich, dass Master Warin den Jungen betrogen hatte. Nicht selten musste jemand, der sein Erbe antreten wollte, feststellen, dass alles dahin war.

Oder aber – diese Möglichkeit hatte Emma selbst angesprochen und gleich wieder verworfen – Fitchet hatte zwei Bekannten davon erzählt, dass ein junger Mann mitten in der Nacht mit Geld in der Tasche zum Kloster kommen würde. Immerhin hatte der Torwächter für die beiden als Liebesbote agiert – vermutlich gegen ein Entgelt –, was darauf schließen ließ, dass er bestechlich war.

Oder aber – das war jedoch am unwahrscheinlichsten – die Bloats hatten von den Fluchtplänen ihrer Tochter erfahren und Mörder gedungen, um sie zu vereiteln.

Das waren die Gründe, die für den Mord an Talbot in Frage kamen.

Doch keiner der möglichen Täter auf dieser Liste besaß den Charakter des Mannes, der in das Gästehaus geschlichen war und Allies Wiege auf die Treppe gestellt hatte. Seine Witterung roch anders, er ging nicht mit der zügellosen Brutalität vor, der Talbot zum Opfer gefallen war.

Nein, dieser Mann war … was? Kultiviert? Sachlich? Ich töte nur, wenn ich muss. Ich hab dir ein Warnzeichen gegeben. Ich hoffe, du verhältst dich entsprechend.

Er war der Mörder von Rosamund und Bertha.

Es fiel noch mehr Schnee, der den Pfad hinunter zur Themse endgültig unter sich begrub.

Es blieb Gyltha überlassen, die Mahlzeiten aus der Küche zu besorgen, die Nachttöpfe zur Latrine zu tragen und Scheite vom Holzstoß des Klosters zu holen.

»Bringen wir das arme Kind denn gar nicht mehr raus an die frische Luft?«, wollte sie wissen.

»Nein.«

Ich liege draußen auf der Lauer. Wie gehorsam bist du?

Völlig gehorsam, Mylord. Tut meinem Kind nichts.

»Es kann sie doch keiner wegholen, nich, wenn der alte Araber bei uns is.«

»Nein.«

»Dann bleiben wir hier drin, hinter verriegelten Türen?«

»Ja.«

Aber natürlich war das nicht möglich …

Das erste Unglück geschah nachts. Eine Handglocke gellte, und Menschen schrien durcheinander.

Gyltha lehnte sich aus dem Fenster in die Gasse. »Die brüllen Feuer«, sagte sie. »Und es riecht nach Rauch. O barmherziger Gott, steh uns bei.«

Sie wickelten Allie in ihre Pelze, kleideten sich rasch an und rafften so viel von ihrer Habe zusammen wie möglich, ehe sie das Kind die Treppe hinuntertrugen.

Feuer, diese größte aller Gefahren, hatte die gesamte Abtei aufgeschreckt. Fitchet kam mit zwei Eimern vom Tor her gerannt, Männer drängten aus dem Gästehaus, darunter Mansur und Master Warin.

»Wo brennt es? Wo brennt es?«

Das Läuten und das Geschrei kamen aus Richtung Teich.

»Scheune?«

»Hört sich eher nach dem Gefängnis an.«

»O Gott«, sagte Adelia, »Dakers.« Sie drückte Allie in Gylthas Arme und rannte los.

Zwischen dem Teich und dem Gefängnis schwang Peg die Glocke, als prügelte sie damit auf eine aufsässige Kuh ein. Sie hatte die Flammen auf dem Weg zum Melken entdeckt. »Da oben.« Sie zeigte mit der Glocke auf den schmalen Schlitz, der Luft in das kleine bienenkorbähnliche Gebäude ließ, das der Abtei als Gefängnis diente.

Schon bildeten Helfer eine Reihe und feuerten den Schmied an, der mit einer Eisenstange ein Loch in den zugefrorenen Teich schlug, damit sie mit ihren Eimern Löschwasser schöpfen konnten.

Mansur trat neben Adelia. »Ich rieche keine Feuer.«

»Ich auch nicht.« Es lag nur ein ganz feiner Rauchgeruch in der Luft, nicht mehr, und in dem Mauerschlitz waren keine Flammen zu sehen.

»Es hat aber gebrannt, so wahr ich hier steh«, sagte Peg.

Die Tür zum Gefängnis ging auf, und ein übellauniger Wachposten kam heraus. »Macht, dass ihr nach Hause kommt«, schrie er. »Kein Grund zur Aufregung. Das Stroh hat Feuer gefangen, mehr nich. Ich hab’s ausgetreten.« Es war Cross. Er schloss die Tür hinter sich und drohte der Menge mit seinem Spieß. »Los jetzt, haut ab.«