Ein betagter Bewohner der Abtei jonglierte Äpfel mit einer Geschicklichkeit, die sein Alter Lügen strafte, und der Schmied versuchte sich gegen den Rat seiner Frau als Schwertschlucker.
Nach einigem hektischen Getuschel unter dem Heuboden sprang schließlich eine Schar von wild verkleideten Figuren hervor, um eine recht derbe Stegreifdarbietung von Noah und der Sintflut aufzuführen, und zwar mit so viel Spielfreude, dass die Tanzenden eine Pause einlegten und gebannt zuschauten.
Adelia, die auf dem Boden saß und eine vor Vergnügen quiekende und zappelnde Allie auf den Knien hielt, amüsierte sich köstlich. Sie bezweifelte, dass Noah die Tierarten, die da über eine unsichtbare Planke in seine unsichtbare Arche tollten, erkannt hätte. Das einzige echte Tier, der Klosteresel, spielte den Rest des Ensembles an die Wand, indem er einen abfälligen Kommentar zu den Darstellungskünsten auf den Fuß des von Fitchet gespielten Einhorns plumpsen ließ, was bei Gyltha einen solchen Lachanfall auslöste, dass Mansur sie wegzerren musste, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
Bei all ihrer Feinsinnigkeit konnten Eleanors Höflinge doch dem verlockenden Applaus nicht widerstehen, mit dem derlei Zoten quittiert wurden. Sie gesellten sich zu den Schauspielern, gaben jede Vornehmheit auf und entpuppten sich als verhinderte Hofnarren, indem sie in knallbunten Perücken und Röcken und mit mehlbestäubten oder krapprot bemalten Gesichtern auftraten.
Warum nur ahmten manche Männer so gern Frauen nach?, dachte Adelia, während sie eine von Montignard hingebungsvoll gespielte Mistress Noah ausbuhte, die dem armen Master Noah wütende Vorhaltungen machte, weil er betrunken war.
War das da Jacques als Jafets Weib, mit Warzen und Strohhaar und wogendem Busen? Und das konnte doch wohl nicht der Abt von Eynsham sein, der mit geschwärztem Gesicht so schnell auf den Zehenspitzen kreiste, dass sein Unterrock hochwirbelte?
Allie, den Markknochen noch immer fest in der Hand, war wieder eingeschlafen. Es war Zeit, ins Bett zu gehen, ehe die manische Ausgelassenheit des Abends in Schlägereien ausartete, was wohl unweigerlich passieren würde. Schon jetzt hatten sich Schwyz’ betrunkene Männer zusammengerottet und stierten zu Wolvercotes ebenfalls betrunkenen Männern hinüber, was vermuten ließ, dass der weihnachtlichen Stimmung allmählich die Puste ausging.
Wolvercote selbst war schon gegangen und hatte Emma mitgenommen.
Die Königin dankte der Äbtissin zum Abschied, und Mutter Edyve winkte ihre Nonnen zu sich. Master Warin war verschwunden. Der Schmied, der sich den Hals hielt, wurde von seiner Frau weggeführt.
Adelia schaute sich nach Gyltha und Mansur um. Oje, ihr geliebter Araber – abgesehen von ihr selbst vielleicht der einzige nüchterne Mensch in der Scheune – hatte sich zur Begeisterung einiger Klosterdiener überreden lassen, seinen Schwerttanz aufzuführen, und Gyltha kreiselte um ihn herum wie ein berauschtes Frettchen. Normalerweise trank Gyltha nicht, aber wenn es Alkohol gratis gab, konnte sie einfach nicht widerstehen.
Adelia ging gähnend mit Allie in die Ecke, wo sie die Wiege abgestellt hatten, legte ihre Tochter hinein, nahm ihr den Markknochen weg, gab ihn Wächter, deckte ihre Tochter zu und zog die kleine Lederabdeckung der Wiege hoch. Dann setzte sie sich daneben, um zu warten.
Und hatte einen fiebrigen, wüsten Traum, der richtig beängstigend wurde, als ein Bär sie hochhob, an sein Fell drückte und sie in den Wald schleppen wollte. Sie hörte Knurren, als Wächter den Bär angriff, und dann ein Aufjaulen, als er einen Tritt abbekam.
Adelia bekam kaum Luft, ihre Beine schleiften über den Boden, und als sie anfing, sich zu wehren, erwachte sie. Sie wurde in den Armen des Abtes von Eynsham in die dunkelste Ecke unter dem Heuboden getragen, wo er sie so heftig gegen die Außenwand stieß, dass Splitter und Mörtelstücke auf sie beide herabregneten, während er seinen massigen Körper gegen ihren presste.
Er war ziemlich betrunken und flüsterte: »Du bist seine Spionin, du Miststück. Der Bischof. Ich durchschaue dich … bei mir tust du zimperlich, du Hure, ich weiß … was du vorhast. Wie macht er’s dir? In den Arsch? In den Mund?«
Branntweindünste umhüllten sie, als sein geschwärztes Gesicht sich auf ihres senkte.
Sie drehte den Kopf weg und riss ihr Knie so fest hoch, wie sie konnte, aber der lächerliche Rock, den er trug, schützte ihn, und obwohl er aufstöhnte, blieb sein Gewicht auf ihr.
Das Flüstern hörte nicht auf: »… hältst dich für so schlau … seh es in deinen Augen, aber du bist eine stinkende Dirne. Eine Spionin. Ich bin besser als St. Albans … Ich bin besser …« Seine Hand hatte ihre Brust gefunden und knetete sie. »Sieh mich an, ich kann es auch … Liebe mich, du Nutte, liebe mich …« Er leckte ihr das Gesicht.
Außerhalb des stickigen Kabuffs, in dem sie gefangen war, versuchte jemand, ihm Einhalt zu gebieten und diese keuchende zischende Grässlichkeit von ihr wegzuziehen. »Lass sie, Rob, sie ist es nicht wert.« Es war Schwyz’ Stimme.
»Doch, ist sie. Sie sieht mich an, als wär ich der letzte Dreck … Als wüsste sie es.«
Es gab einen lauten Schlag, dann Luft und Raum. Von dem Gewicht befreit, rutschte Adelia um Atem ringend die Wand herunter.
Der Abt lag – von Mansur niedergestreckt – auf dem Boden. Er weinte. Neben ihm kniete Schwyz und tröstete ihn wie eine Mutter. »Bloß eine Hure, Robert, so eine willst du doch gar nicht.«
Mansur ragte über ihnen beiden auf, lutschte an seinen Fingerknöcheln, wirkte aber ansonsten gleichmütig wie immer. Er drehte sich um und hielt Adelia eine Hand hin. Sie ergriff sie und kam auf die Beine.
Gemeinsam gingen sie zur Wiege zurück. Ehe sie sie erreichten, blieb Adelia stehen, wischte sich übers Gesicht und ordnete ihre Kleidung. Dennoch konnte sie ihr Kind nicht ansehen. Sie fühlte sich beschmutzt.
Hinter ihr sprach Schwyz immer noch beruhigend auf den Abt ein, doch dessen Klageschrei übertönte ihn: »Warum St. Albans? Warum nicht ich?«
Mansur nahm die Wiege, sie sammelten eine taumelnde, singende Gyltha ein und gingen durch die wohltuende Kälte der Nacht zurück zum Gästehaus.
Adelia war zu tief verstört, um wütend zu sein, doch sie wusste, das würde sich ändern. Schließlich hatte sie eine höhere Selbstachtung als die Frauen, die solche Übergriffe ergeben als den Preis dafür betrachteten, Frauen zu sein. Aber noch während sie am ganzen Körper zitterte, versuchte ihr Verstand den Grund für das Geschehene herauszufinden. »Ich verstehe das nicht«, jammerte sie. »Ich dachte, er wäre eine andere Sorte Feind.«
»Allah möge ihn bestrafen, aber er hätte dir nichts getan, glaube ich«, sagte Mansur.
»Was redest du da? Er hat mir was getan, er hat versucht, mich zu vergewaltigen.«
»Er ist nicht dazu fähig, glaube ich«, sagte Mansur. Seine eigene Befindlichkeit hatte ihn in dieser Hinsicht hellsichtig werden lassen. Die Sexualität sogenannter »normaler« Männer interessierte ihn. Obschon kastriert und unfähig, Kinder zu zeugen, konnte er dennoch Geschlechtsverkehr haben, und in seiner Stimme schwang herablassendes Mitleid für einen, der das nicht konnte.
»Mir kam er fähig genug vor.« Adelia blieb aufschluchzend stehen, nahm eine Handvoll Schnee und rieb sich damit durchs Gesicht. »Wieso bist du so duldsam?«
»Er will, kann aber nicht, glaube ich. Er redet davon, aber er tut es nicht.«
War es das? Unzulänglichkeit? Unter all dem Dreck war auch ein verzweifeltes Flehen um Liebe, Sex, irgendwas gewesen.
Rowley hatte über ihn gesagt: »Hundsfott. Gerissen. Hat Einfluss beim Papst.«