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Weiter weg wurde das Klostertor geöffnet, und eine Schar von angeregt plaudernden Männern und Frauen versammelte sich davor. In ihrer Mitte war eine schlanke elegante Gestalt, deren schimmernde Pelze in der Sonne leuchteten.

»Die Königin geht eislaufen«, sagte Adelia. Sie drehte sich um. »Und wir auch. Wir drei, und Allie kommt mit.«

Alle gingen eislaufen. Schließlich war Stephanstag, der traditionell der Tag der Diener war, die nicht nach Hause in ihre Dörfer konnten und ihn daher vor Ort feiern mussten. Heute Abend würden sie mit den Resten vom gestrigen Abend ihr eigenes Fest feiern.

Fast alle Bediensteten stolperten hinaus aufs Eis, manche ohne Schlittknochen, doch alle mit dem traditionellen Tonkästchen in Händen, das den Gästen mit einem auffordernden Klappern unter die Nase gehalten wurde.

Nachdem Adelia ihre Gabe gespendet hatte, entzückte sie ihre Tochter, indem sie ihren Gürtel an der Wiege befestigte und sie beim Eislaufen hinter sich herzog. Andere mit Schlittknochen halfen auf die gleiche Weise denjenigen, die keine hatten, und so verwandelte sich der breite Themsebogen schon bald in einen bunten Reigen aus zahllosen Schlitten und dazu umfunktionierten Tabletts, atemlosen Scherzen und rosa Wangen, durch den eine lächelnde Königin mit schwanengleicher Anmut segelte, während ihr die Höflinge aufgeregt plappernd folgten.

Nach den Laudes gesellten sich auch die Nonnen dazu. Die jüngeren kreischten fröhlich und wetteiferten mit Schwester Havis, die schneller lief als alle anderen, obwohl es bei ihr immer irgendwie vornehm aussah.

Ein Kohlenbecken wurde in Ufernähe aufs Eis gesetzt und ein Stuhl herbeigetragen, damit Mutter Edyve im Warmen sitzen konnte. Bei ihr waren die gehfähigen Verwundeten, die Schwester Jennet aus dem Hospital hergeführt hatte. Wächter, dessen Versuche, hinter Adelia herzulaufen, unvermeidlich damit endeten, dass er alle viere von sich gestreckt übers Eis schlitterte, gab den Kampf verloren und ließ sich schmollend auf dem Stück Teppich unter dem Stuhl der Äbtissin nieder.

Adelia erkannte ihren Patienten und glitt zu ihm hinüber, die Wiege im Schlepptau. »Geht Eure Genesung voran?«

Poyns’ junges Gesicht strahlte. »Sehr gut, Mistress, danke. Und die Äbtissin will mir Arbeit geben, als Helfer von Master Fitchet, dem Torwächter. Dafür braucht man keine zwei Arme.«

Adelia lächelte ihn an. Es war wirklich eine liebenswerte Abtei.

»Und dankt Master Man … Manum … ich mein den Doktor, von mir, Gott und die Heiligen mögen ihn segnen.«

»Das werde ich.«

Tische wurden aufgestellt und einige Reste vom Weihnachtsmahl aufgetragen.

Adelia und Gyltha setzten sich auf irgendeinen fremden Schlitten am anderen Ufer, wo Wächter sich zu ihnen gesellte, kauten Allies Essen für sie vor und aßen ihr eigenes, ohne auf das unaufhörliche »Bäär, bäär« des Kindes zu achten, das wieder aufs Eis wollte.

»Sie meint ›mehr‹«, sagte Adelia stolz. »Das ist ihr erstes Wort.«

»Das is ihr erster Befehl«, sagte Gyltha. »Was bist du bloß für ein kleiner Tyrann!« Sie überließ Wächter ihr Lammkotelett, nahm den Gürtel und glitt davon, wobei die Wiege einen kleinen Eisregen hinter sich versprühte.

Adelia und ihr Hund blieben sitzen. Von hier aus hatte sie einen unverstellten Blick auf die Klostermauer. Inzwischen patrouillierten dort zwei von Wolvercotes Männern, und beide hielten den Blick auf die Bäume hinter ihr gerichtet. An einem der Fenster im Gästehaus der Männer war eine Silhouette zu sehen – sie meinte, Master Warin zu erkennen.

Der Abt war nicht zu sehen, Gott sei Dank. Er war ihr ein Greuel geworden, so wie sie ihm ein Greuel geworden sein musste, weil sie ihn abgewiesen hatte – und dafür würde sie bestraft werden.

Die Brücke war geschlossen worden, was sie daran merkte, dass einige Dorfbewohner von Wolvercote sich auf der anderen Seite drängten und sehnsüchtig das muntere Treiben auf dem Eis beobachteten. Andere waren dabei, einen eigenen Pfad zum Fluss zu graben.

Hinter ihr in dem Wald, der, wie sie hoffte, Henry Plantagenet und sein Heer versteckte, konnte sie die Rufe der jüngeren Männer aus der Abtei hören, die ohne Furcht vor den Wölfen auf der Suche nach einem Zaunkönig das Unterholz durchstöberten, und ihrem Lärm nach zu urteilen, waren sie bisher auf nichts Nennenswertes gestoßen.

Sie drehte sich um und sah die Männer zwischen den Bäumen hindurchlaufen. Nach altem Brauch hatten sie sich die Gesichter geschwärzt. Wieso es unbedingt nötig war, am Stephanstag einen Zaunkönig zu fangen, wusste sie nicht. Englische Sitten waren und blieben ihr ein Rätsel. Die meisten davon stammten aus heidnischer Zeit.

Sie widmete ihre Aufmerksamkeit wieder der Szene auf dem Eis.

Wolvercote sprach mit Eleanor an einem der Esstische. Wo war Emma?

Adelia überlegte, was den Mann dazu bewogen hatte, ausgerechnet jetzt Wachen aufzustellen, wo er so lange auf diese Vorsichtsmaßnahme verzichtet hatte. Vielleicht hatte er dasselbe Erwachen in der Luft gespürt, das sie so belebt hatte – oder er hatte nur eine weitere Gelegenheit gesehen, seine Macht zu demonstrieren. So oder so, er war nicht nur ein Rohling, sondern auch ein Dummkopf. Was nützte es, die Abtei zu bewachen und sie anscheinend auf eine Belagerung vorzubereiten, wenn deren Bewohner nahezu vollzählig außerhalb der Mauern herumtollten und dem Feind verrieten, wie viele sie waren?

Aber sie war heilfroh darüber – über diese Befreiung. Sie wäre versucht gewesen, auf ihren Schlittknochen davonzugleiten und selbst nach Henry zu suchen, wenn sie dafür nicht die Menschen, die ihr auf der Welt am liebsten waren, hätte zurücklassen müssen.

Gerade aber war Schwyz aus dem Klostertor getreten und betrachtete den disziplinlosen Trubel unter ihm wie ein Mann, der Dinge besser organisieren konnte. Und, verflucht sollte er sein, er würde sie besser organisieren. Nun kam er die Stufen herab, ging auf Wolvercote zu, fluchte los …

Kurz darauf hatten seine Söldner an beiden Enden der Flussbiegung Stellung bezogen. Jetzt würde sich niemand mehr auf und davon machen. Er schimpfte sogar mit Eleanor, zeigte auf das Klostertor … sie schüttelte bloß den Kopf, amüsierte sich einfach zu gut und glitt davon.

Sie würden bald wieder zurück in die Abtei müssen. Die Sonne sank tiefer und nahm die Helligkeit und das bisschen Wärme mit, das sie verbreitet hatte. Endlich war Eleanors deutliche Aussprache zu vernehmen, wie sie Mutter Edyve für die Kurzweil dankte. »So erfrischend …« Die Ersten stiegen schon die Stufen des Pfades hinauf.

»Mistress«, sagte eine schneidende Stimme hinter Adelia. Es war Pater Paton.

Die Schlittknochen sahen an Rowleys kleinem Sekretär irgendwie unpassend aus, aber er hielt sich recht ordentlich darauf, die behandschuhten Hände auf der Brust verschränkt, als müsste er sich vor der Unwürdigen schützen. »Ich habe es«, sagte er.

Sie starrte ihn an. »Ihr habt es … gefunden? Nicht zu fassen … es war so unwahrscheinlich.« Sie musste sich zusammenreißen. »Und sind sie gleich?«

»Ja«, sagte er, »ich muss leider sagen, dass die Ähnlichkeit mit demjenigen, das Ihr mir gegeben habt, unbestreitbar ist.«

»Hätte der Vergleich vor einem ordentlichen Gericht Bestand?«

»Ja. Bestimmte Eigenarten, die bei beiden gleichermaßen festzustellen sind, würde auch ein Ungebildeter sofort erkennen. Ich habe es hier, ich habe sie beide …« Er begann, die große Tasche an seinem Gürtel zu öffnen.

Adelia bremste ihn. »Nein, nein, ich will sie nicht haben. Behaltet Ihr sie und meine eidliche Erklärung dazu. Bewahrt alles sicher auf, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist … und im Namen Jesu erzählt niemandem, dass Ihr sie habt.«

Pater Paton spitzte die Lippen. »Ich habe meine eigene Darstellung der Angelegenheit niedergeschrieben, in der ich erkläre, dass ich getan habe, was ich getan habe, weil ich glaube, dass es der Wille meines Herrn gewesen wäre, des verstorbenen Bischofs von St. Albans …«