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Eis spritzte auf, als der Bote des Bischofs sie einmal umkreiste und dann schwungvoll vor ihnen zum Stehen kam. Jacques’ Gesicht war gerötet vor Anstrengung. Er sah beinahe gut aus, obwohl der Bischof die kunstvolle und von einer zierlichen Handdrehung begleitete höchst aquitanische Verbeugung vor Adelia missbilligt hätte. »Es ist erledigt, Mistress. Mit etwas Glück werden sie sich nach der Vesper in der Kirche treffen. Ihr und dieser Gentleman solltet frühzeitig Posten beziehen.«

»Was ist das für ein Unsinn?« Pater Paton missbilligte Jacques nur unwesentlich weniger als Adelia. »Jacques hat zwei Einladungen ausgetragen, die ich geschrieben habe, Pater«, erklärte sie ihm. »Wir werden lauschen, wir werden beweisen, wer den Tod von Talbot aus Kidlington verschuldet hat.«

»Ich will nichts mit all Euren vermeintlichen Morden zu tun haben. Ihr erwartet von mir, dass ich andere belausche? Lächerlich, kommt gar nicht in Frage.«

»Welche vermeintlichen Morde?«, fragte Jacques verwundert.

»Wir werden dort sein«, sagte Adelia zu dem Priester und unterband seinen Widerspruch. »Ja, auch Ihr werdet dort sein. Wir brauchen einen unabhängigen Zeugen. Gott im Himmel, Pater, ein junger Mann wurde getötet.«

Eine gereizte Gestalt mit einer noch gereizteren Stimme war zu ihnen getreten. »Rein mit euch, allesamt, und zwar flott.« Cross hielt die Arme gespreizt, um die drei Richtung Stufen zu scheuchen.

Froh, endlich wegzukommen, glitt Pater Paton davon.

»Kann er uns auch in Bezug auf Berthas Tod helfen?«, wollte Jacques wissen.

»Ich sag’s nich noch mal«, blaffte Cross. »Der Hauptmann hat gesagt, rein mit euch, also macht, dass ihr reinkommt.«

Jacques gehorchte. Adelia trödelte.

»Kommt schon, Mistress. Es wird kalt.« Der Söldner ergriff recht behutsam ihren Arm. »Na bitte, Ihr zittert ja schon.«

»Ich will nicht wieder da rein.« Die Klostermauern würden sie und den Mörder erneut gemeinsam gefangen halten. Sie wurde zurück in einen Käfig gezwungen, in dem ein Ungeheuer mit Blut an den Klauen steckte.

»Ihr bleibt nich die ganze Nacht hier.« Während er sie übers Eis zog, rief Cross über die Schulter den Zaunkönigjägern im Wald zu: »Rein mit euch, Jungs.«

Als sie die Stufen erreichten, musste er Adelia hinaufhieven, wie ein Henker einem Gefangenen aufs Schafott hilft.

Hinter ihnen kam eine lärmende Gruppe Männer aus dem Wald am gegenüberliegenden Ufer, die sich triumphierend um einen kleinen aus Korbweide geflochtenen Käfig drängelten, in dem ein verängstigter Zaunkönig flatterte. Sie trugen Kapuzen, waren mit Schnee bedeckt, und ihre geschwärzten Gesichter machten sie unkenntlich.

Und wenn mit der johlenden und herumalbernden Meute einer mehr durchs Klostertor hineinging, als zuvor herausgekommen waren, so bemerkte das niemand.

In der Marienkapelle der großen Kirche hatte der Zimmermann der Abtei Bretter quer über die äußersten Dachsparren gelegt, um einige angefaulte Streben leichter austauschen zu können. Dadurch war ein kleiner provisorischer Teildachboden entstanden, wo die zwei Menschen, die sich dort versteckt hatten, zwar gut hören, aber nichts sehen konnten. Adelia und Pater Paton waren ganz auf ihre Ohren angewiesen.

Sie hatte den Priester heftig drängen müssen, mit ihr unters Dach zu klettern. Er hatte sich gegen die Heimlichkeiten, das Risiko, die Würdelosigkeit gewehrt.

Auch Adelia war nicht wohl dabei. Das war nicht ihr Stil, es war hinterlistig, unwissenschaftlich. Noch schlimmer war, dass die Angst, die sie befallen hatte, sobald sie wieder in der Abtei war, ihr die Energie raubte und ein lähmendes Gefühl der Sinnlosigkeit zurückließ.

Aber als sie durch die Tür in die Seitenkapelle getreten war, hatte ein Luftzug die Kerzen vor dem Altar der Jungfrau aufflackern lassen, darunter eine, die Emma für Talbot aus Kidlington entzündet hatte, und daher hatte sie den Priester unter Druck gesetzt, ihn angefleht und gelockt. »Wir haben eine Pflicht den Toten gegenüber, Pater.« Das war der Fels, auf dem ihr Glaube ruhte, eine Überzeugung, die für sie so fundamental war wie das Athanasianische Glaubensbekenntnis für die westliche Liturgie, und vielleicht hatte der Priester dessen Bedeutung erkannt, denn er hatte aufgehört zu widersprechen und war die Leiter hinaufgestiegen, die Jacques für sie bereitgestellt hatte.

Jetzt war die Vesper vorbei, der schwache Gesang vom Kloster her verstummt. Die Kirche war leer. Seitdem die Söldner immer wieder Radau gemacht hatten, hielten die Nonnen die Totenwache für ihre Toten in ihrer eigenen Kapelle.

Irgendwo bellte ein Hund. Wahrscheinlich Fitchets Köter – ein stichelhaariges Ungetüm, bei dessen Nahen sich Wächter, der nicht gerade für seinen Mut berühmt war, immer gleich hinlegte und auf den Rücken rollte.

Sie waren zu weit hinten im Dachboden, um unten irgendwas sehen zu können, nur der Lichtschein von den Altarkerzen im Hauptschiff reichte schwach bis zu ihnen herauf, so dass sie zumindest das halbrunde Dach über sich erahnen konnten. Adelia kam es so vor, als lägen sie und der Priester auf den Ruderbänken eines umgedrehten Bootes. Und zwar ziemlich unbequem.

Die Augen der Fledermäuse, die an den Latten über ihnen hingen, funkelten zu ihnen herunter wie wütende kleine Perlen.

Als es in der Nähe raschelte, piepste Pater Paton: »Ich hasse Ratten.«

»Seid still«, befahl sie.

»Das ist Tollheit.«

Vielleicht war es das, aber jetzt konnten sie nicht mehr zurück – Jacques hatte die Leiter weggenommen und zurück in den Glockenturm nebenan getragen, wo sie hingehörte. Er selbst hatte sich in der Dunkelheit oben im Turm versteckt.

Ein Schloss klickte. Die ungeölten Angeln der Seitentür in die Kapelle protestierten quietschend. Irgendwer zischte ungehalten ob des Geräusches. Die Tür schloss sich. Stille.

Warin. Das musste der Advokat sein. Wolvercote würde nicht so schleichen wie die Person da unten.

Adelia empfand eine eigenartige Niedergeschlagenheit. Es war eine Sache, über die Schuld eines Menschen zu theoretisieren, aber etwas gänzlich anderes, sie bestätigt zu sehen. Irgendwo unter ihr stand ein Mann, der seinen einzigen Verwandten verraten hatte, einen Jungen, der in seine Obhut gegeben worden war, einen Jungen, der ihm vertraut hatte und dafür mit dem Leben bezahlen musste.

Wieder das Kreischen der Türangeln, doch diesmal wurde es von stampfenden Stiefelschritten begleitet. Man spürte förmlich die vibrierende Energie.

»Hast du mir das geschickt?« Wolvercotes Stimme. Wütend. Falls Master Warin verneinte, so konnten es die Lauscher nicht hören, weil Wolvercote gleich weiterredete. »Jawohl, das hast du, du Hurensohn, du eklige Eiterbeule, du stinkender Scheißkerl, du kriegst nicht noch mehr Geld von mir, du dämlicher Drecksack …«

Die Tirade, deren gelungene Alliterationen aus diesem Munde recht verblüffend waren, wurde von klatschenden Schlägen vermutlich in Master Warins Gesicht begleitet, die wie das Knallen von Peitschenhieben an den Wänden widerhallten. Pater Paton fuhr jedes Mal zusammen, so dass Adelia, die direkt neben ihm lag, gleichzeitig mitzuckte. Der Advokat verlor nicht den Kopf, obwohl der ihm sicherlich dröhnte. Dann seine Stimme: »Seht, seht, Mylord. Im Namen Christi, seht doch.« Die Schläge hörten auf.

Jetzt zeigt er ihm seinen Brief.

Abgesehen von Ort und Zeitpunkt des vorgeschlagenen Treffens, war die Botschaft, die sie jedem der beiden geschrieben hatte, knapp gehalten: Wir sind entdeckt.

Langes Schweigen trat ein, während Wolvercote – kein geübter Leser – die Nachricht entzifferte, die Warin erhalten hatte. Der Advokat sagte leise: »Das ist eine Falle. Irgendwer ist hier.«

Hastige, leise Schritte waren zu hören, während Warin herumsuchte, das Öffnen von Schränken – ein dumpfer Laut, als ein Stapel Betkissen umgestoßen wurde. »Irgendwer ist hier.«