Schwyz war in Eile. »Nehmen wir sie nun mit oder nicht?«
»Sie kommt mit.«
»Und der Priester?«
»Tja, ich fürchte, da können wir nicht so nachsichtig sein. Dass Master Paton diese Briefe besitzt, ist höchst bedauerlich. Es wäre mir unangenehm, wenn dem König oder der Königin zu Ohren käme, über welche Beweise er verfügt. Nur mal angenommen, er könnte sie ihnen vortragen, was …«
»Himmelherrgott, erledige ich ihn nun?«
»Nur zu.«
»Nnnnnn.« Adelia warf sich nach vorne. Schwyz zog sie zurück.
»Ich weiß, ich weiß.« Der Abt nickte. »So etwas geht einem unter die Haut, aber ich habe nicht vor, die Wertschätzung der Königin zu verlieren, und ich fürchte, der kleine Pater Paton könnte ihr diese leider austreiben. Habt Ihr ihm meine Vorlage für die Briefe der lieben Rosamund gegeben? Natürlich wart Ihr das. Was seid Ihr doch für eine einfallsreiche kleine Person.«
Er plauderte. Er hatte den Priester zum Tode verurteilt und plauderte amüsiert vor sich hin.
»Da ich bei unserer huldvollen Eleanor großes Ansehen genieße, käme es mir … wie soll ich sagen? … ungelegen, wenn sie wüsste, dass ich derjenige war, der sie zur Rebellion angestachelt hat. Angesichts meiner Desertion könnte sie Henry davon erzählen. So jedoch wird man ihr von einem mordlüsternen Eindringling berichten, der sich Zutritt zur Abtei verschaffte, versteht Ihr, und ihr erzählen, dass wir, der gute Schwyz und ich, eine waghalsige Verfolgung aufgenommen haben, um ihn aufzuhalten, ehe er die Reihen des Königs erreicht. In Wahrheit überlassen wir die Lady natürlich ihrem unvermeidlichen Schicksal. Es hat sich herausgestellt, dass der Schnee für uns zu viel und der liebenswerte Lord Wolvercote für uns zu wenig war … Wie sagt Master Schwyz so derb und doch treffend über den Gentleman – der könnte nicht mal gegen einen Sack Scheiße gewinnen.«
Schwyz hatte sie losgelassen und ging nun auf Pater Paton zu.
Adelia schloss die Augen. Gott, ich bitte dich.
Ein Wimmern von Pater Paton, ein warmer Geruch. Ein Augenblick der Stille, denn selbst diese Gesellschaft verstummte, als eine Seele zu ihrem Schöpfer heimkehrte.
Dann sagte irgendwer irgendwas, ein anderer lachte. Männer begannen, Bündel und Kisten durchs Tor zum Fluss hinunterzutragen.
Der Finger des Abtes glitt unter Adelias Kinn und drückte ihren Kopf hoch.
»Ihr fasziniert mich, Madam, schon von Anfang an. Wie schafft es eine ausländische Schlampe wie Ihr, nicht nur einen Bischof für sich zu begeistern, sondern auch einen König? Und das, bitte verzeiht, ohne dass sie sich eines sonderlichen Liebreizes rühmen könnte.«
Sie hielt die Augen geschlossen, wollte den Kopf wegziehen, doch er packte ihr Gesicht und drehte es hin und her. »Befriedigt Ihr sie beide? Gleichzeitig? Seid Ihr eine Meisterin des Dreiers? Tut Ihr Euch im lit à trois hervor? Ein Schwanz hinten, einer vorne? Arschloch und pudendum muliebre? Was mein Vater auf seine elegante Art als einen Sterz-und-Wanst bezeichnete?«
Es würde noch vieles dergleichen geben, ehe das Ende kam, dachte sie.
Sie sah ihm direkt in die Augen.
Großer Gott, er ist noch Jungfrau.
Woher sie das mit solcher Gewissheit wusste … aber sie wusste es.
Das Gesicht über ihr schrumpfte zu einer gequälten, flehenden Verletzlichkeit zusammen – durchschau mich nicht, durchschau mich nicht –, ehe es wieder zu dem Trompe-l’œil wurde, das sich Abt von Eynsham nannte.
Schwyz hatte sie beide mehrfach gerufen, jetzt kam er und zerrte Adelia auf die Beine. »Wehe, sie macht Ärger«, sagte er. »Wir haben schon genug zu schleppen.«
»Ich bin sicher, sie ist gefügig.« Der Abt lächelte Adelia an. »Wir könnten Eure kleine Tochter aus der Küche holen lassen, wenn Ihr möchtet, und sie mit uns nehmen, aber ob sie die Reise überleben würde …«
Sie schüttelte den Kopf.
Eynsham deutete noch immer lächelnd Richtung Tür. »Nach Euch, Mistress.«
Wie ein Lamm ging sie hindurch und die Eisstufen hinunter.
Kapitel dreizehn
Der Mond war ein wenig nach Westen gewandert, so dass die zwei vermummten Söldner, die einen großen Schlitten mit den Dingen beluden, die von den anderen angeschleppt wurden, lange, klare Schatten aufs Eis warfen. Einer von ihnen hob Adelia hoch und schmiss sie oben auf die Ladung. Sie landete schmerzhaft auf den Armen. Ein anderer deckte eine Plane über sie, und sie musste den Kopf hin und her drehen, bis schließlich eine Falte zurückrutschte und sie wieder etwas sehen konnte.
Geht nach Süden, dachte sie. Lass sie nach Süden ziehen, da ist Henry. Herr. Mach, dass sie nach Süden ziehen.
Der Abt, Schwyz und einige von den anderen Männern standen am Schlitten und stützten sich daran ab, während sie konzentriert und schweigend Schlittknochen anzogen.
Sie müssen nach Süden ziehen – sie wissen nicht, dass der König Oxford angreift.
Ach, natürlich wussten sie es. Sie wussten alles – Rowley hatte es ihnen unabsichtlich verraten.
Herr, schick sie nach Süden.
Der Abt drehte probeweise ein paar Pirouetten auf dem Eis und bewunderte seinen Schatten im stählernen Spiegel des Flusses. »Ja, ja«, sagte er, »das verlernt man doch nie.«
Er achtete nicht auf Adelia – sie war jetzt bloß Gepäck. Er nickte Schwyz zu, der seinen Männern zunickte. Zwei Söldner nahmen das Zuggeschirr auf, das vorn am Schlitten befestigt war, und legten sich in die Riemen. Hinter Adelia stieg jemand auf das Trittbrett des Schlittens und packte die Lenkstreben.
Der Abt blickte zu den Abteimauern hoch, die finster auf sie herabstarrten. »Königin Eleanor, anmutig schwankendes Schilfrohr, lebt wohl. Veni, vidi, vada.« Dann hob er die Augen zum sternenklaren Himmel. »Wohlan, auf zu besseren Dingen. Abmarsch.«
»Und schön leise«, sagte Schwyz.
Der Schlitten zischte, als er sich in Bewegung setzte.
Nach Norden.
Adelia würgte in ihren Knebel. Jetzt war es um sie geschehen.
Eine Zeitlang konnte sie vor lauter Angst kaum noch etwas sehen.
Er würde sie töten. Musste sie töten.
Eine schreckliche Traurigkeit überkam sie. Bilder von Allie, die sie vermisste, ohne sie aufwuchs, klein, bedürftig. Dich liebend werde ich sterben. Glaub mir, meine Kleine, ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.
Dann das schlechte Gewissen. Meine Schuld, Schätzchen. Eine bessere Mutter hätte einfach weggeschaut, hätte sie einander abschlachten lassen – nur damit du und ich nicht auseinandergerissen werden. Meine Schuld, meine bittere Schuld.
Und immer weiter, Trauer und Angst, Angst und Trauer, während das zerzauste, weißgeränderte Ufer vorbeiglitt und der Schlitten wisperte und schabte und die Männer, die ihn zogen, vor Anstrengung ächzten, mit ihrem Atem kleine Rauchwolken ins Mondlicht pusteten und Adelia immer tiefer in die Hölle trugen.
Körperlicher Schmerz drängte sich in ihr Bewusstsein – das Bündel unter ihr enthielt Speere. Außerdem schmeckte der Knebel entsetzlich, und ihr taten die Arme und Handgelenke weh.
Plötzlich packte sie der Zorn. Sie setzte sich auf und peilte die Lage.
Zwei Söldner zogen den Schlitten. Ein anderer war hinter ihr. Je zwei auf beiden Seiten, Schwyz und der Abt vorneweg. Insgesamt neun. Ihr Freund Cross war nicht dabei – sie hatte die Gesichter der beiden Söldner, die den Schlitten beluden, nicht erkennen können, aber beide waren dünner als Cross.