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»Es tut mir leid«, sagte sie. »Aber das ist mir zu teuer.«

»Sie ist es aber wert, Mädchen«, sagte eine Stimme hinter ihr.

Tally fuhr zusammen, sah auf und erkannte den Schrecken im Gesicht des Katzers, ehe sie sich zu der Sprecherin herumdrehte. Wie durch Zufall ließ sie das Schwert während der Bewegung nicht los.

Hinter ihr standen zwei dunkelhaarige, in Mäntel aus erdbraunem Leder gekleidete Frauen, die eine, die gesprochen hatte, alt genug, ihre Mutter sein zu können, die andere ein junges Ding, das sie mit einer Mischung aus Hochmut und Ungeduld ansah.

»Du kannst mir glauben«, fuhr die Frau mit einem gutmütigen Lächeln fort. »Eine Waffe wie diese sieht man nicht alle Tage. Sie ist mindestens das zehnfache dessen wert, was dieser Halsabschneider dafür verlangt.« Sie lächelte, nahm Tally das Schwert aus der Hand und machte einen spielerischen Ausfall gegen den Katzer, den dieser mit einem erschrockenen Fauchen und einem hastigen Satz nach hinten beantwortete. Tally sah, wie geschmeidig und schnell ihre Bewegungen waren. Es war nicht das erste Mal, daß sie ein Schwert in der Hand hatte. Aus reiner Gewohnheit überlegte sie, ob sie die dunkelhaarige Frau besiegen könnte; aber sie kam zu keinem eindeutigen Ergebnis.

»Wahrscheinlich hat er sie irgendwo gestohlen und weiß selbst nicht, was er da hat«, fuhr die Frau fort. »Ein Schwert aus Lakamar bringt auf dem Markt allemal seine fünfundzwanzig Goldheller. Zehn ist geschenkt. Wenn du es nicht kaufst, dann nehme ich es.« Sie lachte, legte das Schwert fast behutsam wieder zurück und sah Tally aufmerksam an. »Wie ist dein Name, Kind?« fragte sie.

»Nora, Herrin«, antwortete Tally. Weller und sie hatten sich auf diesen Namen geeinigt, sollten sie aufgehalten werden. »Ihr könnt die Klinge haben, wenn Ihr wollt. Ich verstehe nichts davon, und mein Bruder hat schon ein Schwert.«

»Du bist nicht von hier, wie?« fuhr die Dunkelhaarige fort. »Woher kommst du? Einen Dialekt wie deinen habe ich noch nie gehört?« Sie lächelte bei diesen Worten, aber Tally begann ein ganzes Läutwerk von Alarmglocken zu dröhnen. Die Frau hatte sich perfekt unter Kontrolle, aber in den Augen ihrer jüngeren Begleiterin stand ein unverholenes Mißtrauen.

»Aus dem Westen, Herrin«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Hört man es so deutlich?«

»Wenn man darauf achtet, ja. Aus dem Westen, sagst du?«

»Ja«, antwortete Tally, und fügte hastig und in bewußt übertrieben geschauspielertem, vorwurfsvollem Ton hinzu: »Aber ich wollte, ich wäre nicht gekommen. Ich war kaum hier, da wurde das Haus meines Bruders niedergebrannt und wir überfallen. Um ein Haar wären wir umgebracht worden. Und dann mußte ich stundenlang in einem finsteren stickigen Loch hocken bleiben, bis die Soldaten dieses Gesindel endlich vertrieben hatte.«

Die Frau schwieg, aber ihr Blick wurde durchdringend. Tally hatte das unbehagliche Gefühl, ein wenig zu viel des Guten getan zu haben. Aber sie war niemals eine gute Schauspielerin gewesen. Sie überlegte, ob sie schnell genug war, das Schwert an sich zu reißen und die beiden Frauen zu töten, wenn es sein mußte. »Wo ist dein Bruder jetzt?« fragte die Dunkelhaarige schließlich.

Tally deutete über den Platz. »In der Kommandatur. Er sagt, wir brauchen Passierscheine, um in den Norden zu kommen.«

»In den Norden? Was wollt ihr da?« Die Frage war in so scharfem Ton gestellt, daß Tally jetzt sicher war, einen Fehler begangen zu haben.

»Mein... Bruder kennt dort jemanden«, antwortete sie nervös. »Wir brauchen einen Ort zum Schlafen. Und das Haus muß wieder aufgebaut werden, und die Geschäfte sollen weitergehen, sagt mein Bruder.« Die Augen der Frau wurden schmal.

»Ihr seid ausgebrannt«, sagte sie. »Ihr habt nichts mehr, nicht einmal mehr einen Ort zum Schlafen, und du willst ein Schwert kaufen?«

»Mein... mein Bruder war so traurig«, stotterte Tally. »Und da dachte ich, ich könnte ihn aufheitern. Er mag Waffen.«

»Was verschwenden wir unsere Zeit mit dieser Närrin, Jandhi?« fragte die jüngere Frau ärgerlich. »Sie ist dumm, wie alle Westler.«

»Schweig, Nirl«, sagte die ältere Frau scharf. »Das Kind ist völlig verstört, siehst du das nicht?« Sie wandte sich wieder an Tally und lächelte. »Vielleicht hast du sogar recht«, sagte sie. »Wir werden das Schwert mitnehmen. Wenn sich dein Bruder auf Waffen versteht, wird er sich freuen.«

»Aber -«

»Kein aber«, unterbrach sie Jandhi. »Ich bin sicher, unser diebischer Freund wird sich freuen, dir die Klinge als Geschenk zu überlassen, nicht wahr?«

Ihre letzten Worte galten dem Katzer, der dem Gespräch mit ständig wachsender Nervosität gefolgt war. Jetzt nickte er fast überhastet, griff mit zitternden Händen nach dem Schwert und hielt es Tally hin. Aber bevor sie danach greifen konnte, nahm ihm Jandhi die Waffe aus der Hand.

»Ich begleite dich zu deinem Bruder«, sagte sie. »Es treibt sich allerhand Gesindel auf den Straßen herum, vor allem an einem Tag wie heute. Jeder Mann der Garde ist im Einsatz, um die Klorschas zurückzujagen, mußt du wissen.«

Sie lächelte abermals und machte eine einladende Handbewegung. »Komm«, sagte sie, als Tally zögerte. »Du kannst mir glauben - es ist sicherer für dich, nicht allein zu sein.«

Tally setzte sich widerstrebend in Bewegung. Sie blieb äußerlich ruhig, und sie war fast selbst erstaunt darüber, aber hinter ihrer Stirn tobte ein wahres Chaos. Jandhi gab sich nicht einmal sonderliche Mühe, die Tatsache zu verbergen, daß sie ihr kein Wort glaubte. Sie wußte nicht, wer diese beiden ungleichen Frauen waren, aber sie mußten sehr mächtig sein, den Reaktionen des Katzers nach zu schließen. Und sie hatte keinen großen Hehl daraus gemacht, daß ihr Vorschlag, Tally zu begleiten, nichts anderes als ein Befehl war. Tally wäre nicht überrascht gewesen, wenn Jandhi sie geradewegs dem nächsten Posten der Stadtgarde übergeben hätte. Aber sie tat es nicht. Statt dessen geleitete sie sie zur Tür der Kommandatur, genau wie sie gesagt hatte, scheuchte den Posten mit einer nachlässigen Geste aus dem Weg und machte erneut eine auffordernde Geste, als Tally abermals zögerte, ihr zu folgen.

Es war dunkel im Gebäude, denn die wenigen Fenster, die es gab, waren nicht breiter als eine Hand und zusätzlich vergittert, und es stank nach zu vielen Menschen und zu wenig Sauberkeit. Eine Falle, dachte Tally. Dieses Haus war ein Gefängnis oder eine Falle oder beides - und sie war dabei, sehenden Auges hineinzulaufen! Etwas von ihrer Nervosität mußte sich deutlich auf ihrem Gesicht wiederspiegeln, denn Jandhi blieb plötzlich stehen und schenkte ihr ein neuerliches, beinahe mütterliches Lächeln. »Du mußt keine Angst haben«, sagte sie. »Wir werden deinen Bruder finden, und dann könnt ihr weiter.«

Sie gingen weiter, überwanden eine kurze Treppe mit ungleichmäßigen Stufen und standen plötzlich vor einer verschlossenen Tür, die von gleich zwei Kriegern in den gelben Mänteln der Stadtgarde bewacht wurden. Jandhi scheuchte auch sie aus dem Weg, stieß die Tür auf und zog Tally einfach mit sich.

Sie fanden sich in einem großen, muffig riechenden Zimmer wieder, dessen Wände bis unter die Decke mit hölzernen Regalen bedeckt waren, in welchen sich buchstäblich Tausende von Folianten und Pergamentrollen befanden. An einem gewaltigen, mit Bergen von Papier bedeckten Tisch hockte ein dunkelhaariger Mann unbestimmbaren Alters, der bei ihrem rüden Eintreten zornig aufsah.

Aber nur für einen Moment. Dann wurde der Zorn in seinem Blick zu Erschrecken. Er stand so hastig auf, daß sein Stuhl ein Stück nach hinten schlitterte und umzukippen drohte. Und er war nicht der einzige, der bei ihrem Anblick erschrak. Auch Weller, der ihnen den Rücken zugekehrt hatte und sich nur ganz langsam herumdrehte, wurde bleich. Sein Unterkiefer sackte herab. Der Blick, mit dem er zuerst Tally und dann ihre beiden Begleiterinnen maß, war eindeutig entsetzt.