Gaius’ Vater nahm kaum Notiz von denjenigen, die durch sein Schwert fielen. Er kämpfte so, wie man es ihm beigebracht hatte: Stoß, Deckung, Rückhand. Unten vor dem Tor stapelten sich die Leichen am höchsten, und eine innere Stimme sagte ihm, dass sie inzwischen längst aufgegeben haben müssten. Schließlich waren es nur Sklaven. Sie mussten nicht über die Mauer kommen. Warum gaben sie nicht auf? Wenn das alles vorbei war, würde er die Mauer auf drei Mannslängen aufstocken lassen.
Es schien gerade so, als stürzten sie sich in sein Schwert, das von ihrem Blut nass wurde, die Mauer und die Tore bespritzte und auch ihn durchnässte. Seine Schulter schmerzte und sein Arm war bleischwer. Nur seine Beine bewegten sich immer noch voller Kraft unter ihm. Der Pöbel musste doch bald aufgeben und sich leichtere Opfer suchen, oder? Er bewegte sich im tödlichen Rhythmus der Legionäre - zustoßen, parieren, Rückhand, aber immer mehr Angreifer erkletterten die Berge menschlichen Fleisches, um in den Gutshof zu gelangen. Sein Schwert war inzwischen an den Knochen und Klingen stumpf geworden, und sein erster Schlag fügte einem Mann, der sich auf ihn stürzte, nur einen Kratzer zu. Ein Dolch durchbohrte die harten Muskeln seines Bauchs, und er stöhnte vor Schmerz auf, während er dem Mann sein Schwert in den Rachen trieb. Alexandria stand an einer dunklen Stelle im Hof. Die anderen Frauen weinten leise vor sich hin. Eine betete. Sie beobachtete, wie Renius immer müder wurde und war enttäuscht, als der junge Marcus herbeieilte, um ihn zu retten. Sie fragte sich, warum er das getan hatte, und staunte mit großen Augen, als sie den Unterschied zwischen ihnen sah. Auf der einen Seite der ergraute Krieger, ein Veteran aus tausend Kämpfen, mühsam und von Schmerzen gezeichnet. Marcus dagegen mordete mit besonnenen Bewegungen und brachte den Sklaven lächelnd mit seinem Schwert den Tod. Es spielte keine Rolle, ob sie Schwerter oder Keulen hatten. Er ließ sie unbeholfen aussehen und raubte ihnen dann mit einem Schnitt oder Schlag die Kraft. Einer von ihnen hatte offensichtlich überhaupt nicht bemerkt, dass er starb. Das Blut strömte aus seiner Brust, doch immer wieder schlug er mit einem zerbrochenen Speer zu, sein Gesicht vom Wahnsinn verzerrt.
Neugierig versuchte Alexandria das Gesicht des Mannes zu sehen, und sie erlebte den Augenblick mit, als er den Schmerz spürte und die Dunkelheit nahen sah.
Ihr ganzes Leben lang hatte sie Geschichten von der Kraft und dem Ruhm der Männer gehört, und jetzt schienen sie über diesem Gemetzel zu schweben und irgendwie nicht ganz zur Wirklichkeit zu passen. Sie hielt Ausschau nach Augenblicken der Kameradschaft, nach Tapferkeit im Angesicht des Todes, aber hier unten in der Dunkelheit konnte sie nichts davon entdecken.
Der Koch genoss den Kampf, das war offensichtlich. Er hatte angefangen, ein vulgäres Lied von einem Markttag und hübschen Mädchen zu singen, und er brüllte den Refrain mit mehr Lautstärke als Melodie in die Nacht, während er sein Beil in Schädel und Schultern hieb. Männer starben unter seiner Klinge, und sein Lied wurde immer heiserer, während sie fielen.
Zu ihrer Linken stürzte einer der Verteidiger vom Laufgang in den Hof. Er machte keinerlei Anstalten, sich vor dem Aufprall zu schützen, sein Kopf schlug mit einem nassen Geräusch auf den harten Steinen auf. Alexandria schauderte. In der Dunkelheit tastete sie nach der Schulter einer anderen Frau. Wer immer es auch sein mochte, sie schluchzte leise vor sich hin. Dafür war jetzt keine Zeit.
»Schnell! Sie kommen durch die Lücke!«, zischte sie und zog die andere mit sich, weil sie es sich nicht zutraute, diese Aufgabe allein zu übernehmen.
Während sie liefen, hörte man von einer anderen Stelle der Mauer einen weiteren knirschenden Aufprall. Triumphgeschrei erschallte. Ein Mann kletterte herunter, hing einen Augenblick lang in der Luft, ehe er losließ und sich die letzten paar Fuß fallen ließ.
Er wirbelte herum, wie ein wilder, blutiger Albtraum, und in dem Moment, in dem seine Augen aufleuchteten, weil er keine Verteidiger vor sich sah, rammte ihm Alexandria ihre Klinge ins Herz. Das Leben entwich ihm mit einem Seufzer, und ein weiterer Mann landete ganz in der Nähe auf den Pflastersteinen. Das Brechen seines Knöchels war sogar durch das Geschrei vor den Mauern hindurch zu hören. Die matronenhafte Susanna, die sonst bei Festbanketten den Tisch ihres Herren mit so viel Sorgfalt deckte, schnitt ihm mit einem Abhäutemesser die Kehle durch und ließ ihn einfach liegen, während er hinter ihr im Todeskampf zuckte.
Alexandria blickte hinauf zu dem hellen Ring der Fackeln. Die hatten wenigstens Licht! Wie schrecklich es war, im Dunkeln zu sterben.
»Mehr Fackeln hierher!«, schrie sie, in der Hoffnung, jemand würde antworten.
Hände ergriffen sie von hinten, und ihr Kopf wurde zu einer Seite gerissen. Sie verkrampfte sich in der Erwartung des schrecklichen Schmerzes, der gleich kommen würde, aber plötzlich fiel das Gewicht von ihren Schultern ab, und als sie sich umdrehte, erblickte sie Susanna, deren Messerhand von frischer, roter Nässe bedeckt worden war.
»Nicht den Mut verlieren, Liebes. Die Nacht ist noch nicht zu Ende.« Susanna lächelte, und Alexandrias Panik verging. Sie sah sich wie die anderen auf dem Hof um und erschrak kaum noch, als ein weiterer Verteidiger fiel. Dieser schrie auf, als er auf dem Hof aufschlug. Dieses Mal drangen drei Männer durch die Lücke, die er hinterlassen hatte, und man konnte zwei weitere sehen, die sich über die rutschigen Leichen kämpften.
Alle Frauen zogen ihre Messer. Selbst hier in der Finsternis des Hofs fiel das Licht der Fackeln auf die Klingen. Ehe sich die Männer an die Dunkelheit gewöhnt hatten, hatten sich die Frauen schon auf sie gestürzt, umklammerten sie und stachen auf sie ein.
Gaius schreckte aus dem Schlaf. Seine Mutter Aurelia saß mit einem feuchten Tuch in der Hand an seinem Bett. Die Berührung hatte ihn geweckt, und als er sie anblickte, drückte sie es ihm gegen die Stirn und summte leise vor sich hin. In der Ferne hörte er Schreie und unmissverständlichen Kampflärm. Wie hatte er bei diesem Krach schlafen können? Cabera hatte ihm einen warmen Trunk verabreicht, als der Abend hereinbrach. Da musste wohl etwas drin gewesen sein.
»Was ist denn los, Mutter? Ich höre einen Kampf.«
Aurelia lächelte ihn traurig an.
»Still, mein Liebling. Du darfst dich nicht aufregen. Dein Leben schwindet dahin, und ich bin hier, damit du deine letzten Stunden in Frieden verbringen kannst.«
Gaius wurde ein wenig blass. Nein, er fühlte sich schwach, aber gesund.
»Ich sterbe nicht. Ich werde wieder gesund. Also, was ist da draußen auf dem Hof los? Ich sollte lieber hinausgehen!«
»Psst, psst. Ich weiß, sie haben gesagt, dass es dir besser geht, aber ich weiß auch, dass sie mich anlügen. Jetzt sei still, damit ich dir die Stirn kühlen kann.«
Gaius starrte sie ungläubig an. Sein ganzes Leben hatte sich diese geistlos umherirrende Närrin in den Vordergrund geschoben und die lebhafte, intelligente Frau verdrängt, die ihm fehlte. Schon jetzt fürchtete er den Schreikrampf, der auf ein falsches Wort von ihm folgen würde.
»Ich möchte die Nachtluft auf meiner Haut spüren, Mutter. Ein letztes Mal. Lass mich bitte allein, damit ich mich ankleiden kann.«
»Aber natürlich, mein Liebling. Ich gehe zurück in meine Gemächer, jetzt, wo ich mich von dir verabschiedet habe, mein wundervoller Sohn.« Sie kicherte einen Augenblick und seufzte, als müsse sie eine schwere Last tragen.
»Dein Vater ist da draußen und lässt sich umbringen, anstatt sich um mich zu kümmern. Er hat sich nie richtig um mich gekümmert. Wir haben jetzt schon seit Jahren nicht mehr miteinander geschlafen.«
Gaius wusste nicht, was er sagen sollte. Er setzte sich auf und schloss die Augen vor Schwäche. Er konnte nicht einmal die Hand zur Faust ballen, doch er musste erfahren, was los war. Oh ihr Götter, warum war denn niemand da? Waren sie alle dort draußen? Tubruk?