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»Bitte geh, Mutter. Ich muss mich anziehen. Ich möchte meine letzten Augenblicke draußen verbringen.«

»Das verstehe ich, mein Lieber. Leb wohl.« Tränen traten ihr in die Augen, als sie seine Stirn küsste, dann war das kleine Zimmer wieder leer.

Einen Augenblick war die Versuchung groß, sich einfach wieder auf die Kissen zurückfallen zu lassen. Sein Kopf fühlte sich groß und schwer an. Vermutlich hätte ihn das Mittel, das ihm Cabera verabreicht hatte, bis zum Morgen durchschlafen lassen, wenn seine Mutter nicht einen von ihren wunderlichen Einfällen gehabt hätte. Langsam hob er die Beine aus dem Bett und stellte die Füße auf den Boden. Schwach. Kleidung. Eins nach dem anderen.

Tubruk wusste, dass sie sich nicht mehr lange halten konnten. Er rannte sich die Seele aus dem Leib, um die Lücke zu schließen, die die beiden Männer, die neben ihm gestanden hatten, hinterlassen hatten. Immer wieder gelang es ihm, gerade noch rechtzeitig herumzuwirbeln und den Angriff jener abzuwehren, die sich von hinten heranschlichen, während er die vor ihm Stehenden tötete. Sein Atem ging keuchend, und trotz seines Könnens wusste er, dass der Tod nahe war.

Warum gaben sie nicht auf? Die verdammten Götter sollten zur Hölle fahren, diese Meute musste doch irgendwann einmal aufgeben! Er verfluchte sich selbst, weil er nicht für eine Rückzugsmöglichkeit gesorgt hatte, andererseits gab es auch keine. Die Mauern waren die einzige Verteidigung des Gutes, und sie standen kurz davor, völlig überrannt zu werden.

Er glitt auf dem Blut aus und stürzte hart. Die Luft entwich aus seiner Lunge. Ein Dolch traf ihn in die Seite, und ein dreckiger nackter Fuß versuchte sein Gesicht zu zermalmen, indem er seinen Kopf nach unten presste. Er biss hinein und hörte in der Ferne jemanden schreien. Er kam auf ein Knie hoch, doch zu spät, um zwei krabbelnde Gestalten daran zu hindern, sich in den Hof hinunterfallen zu lassen. Er hoffte darauf, dass die Frauen sie erledigen würden. Vorsichtig betastete er seine Seite und zuckte zusammen, als er Blut spürte. Er untersuchte es auf Luftbläschen. Aber es waren keine zu sehen, und er konnte immer noch atmen, obwohl die Luft nach warmem Zinn und Blut schmeckte.

Einen Augenblick lang griff ihn niemand an, sodass er sich kurz umschauen konnte. Von den ursprünglichen neunundzwanzig waren nur noch weniger als fünfzehn übrig. Sie hatten auf der Mauer Wunder vollbracht, doch das würde nicht reichen.

Julius kämpfte weiter, verzweifelt, weil seine Kraft aus all seinen Wunden strömte. Mit einem Stöhnen zog er den Dolch aus seinem Fleisch und verlor ihn sofort wieder in der Brust des nächsten Mannes, der sich ihm entgegenstellte. Sein Atem brannte in seiner Kehle, und er blickte in den Hof, wo er seinen Sohn aus dem Haus kommen sah. Er lächelte und hatte das Gefühl, als zerrisse ihm vor Stolz die Brust. Eine weitere Klinge drang durch die Lücke zwischen Brustpanzer und seinem Hals tief in die Lunge ein. Er spuckte Blut und jagte seinen Gladius in den Angreifer, ohne sein Gesicht zu sehen. Seine Arme sanken herab, das Schwert fiel ihm aus der Hand und landete scheppernd unter ihm im Hof. Er konnte nur noch zusehen, wie die Meute auf ihn zukam.

Tubruk sah, wie Julius unter einer Masse von Leibern zusammenbrach, die an ihm vorbei über den schmalen Laufgang und hinunter in die Dunkelheit strömten. Er schrie auf vor Wut und Trauer in dem Wissen, ihn nicht mehr rechtzeitig erreichen zu können. Renius war immer noch auf den Beinen, aber nur Marcus’ Fürsorge bewahrte den alten Krieger vor dem Tod, und selbst dieser wilde Klingenwirbel stockte allmählich, weil Marcus aus zahlreichen klaffenden Wunden blutete und sein Leben aus ihm herausrann.

Gaius kam neben Tubruk auf die Mauer geklettert, das Gesicht bleich von der Anstrengung, sich die Treppen hinaufzuquälen. Er hatte sein Schwert gezogen und schwang es, als er oben ankam.

Er traf einen Mann, der sich gerade über den dunklen Leichen hinaufzog. Tubruk stach ihm seine Klinge zwischen die Rippen, als Gaius taumelte, aber trotzdem starb der Sklave nicht. Er fuchtelte mit einem Dolch umher und verletzte Gaius im Gesicht. Gaius versetzte ihm einen weiteren Schlag gegen den Hals, und dann war das Leben ausgehaucht. Weitere Gesichter erschienen, die schrieen und fluchten, während sie sich auf die rutschigen Steine emporkämpften. »Dein Vater, Gaius.«

»Ich weiß.« Gaius’ Schwertarm fuhr ohne zu zittern hoch, um einen Speer abzublocken, ein Relikt aus irgendeinem Kampf. Er machte einen Schritt nach vorne und durchschnitt die Kehle des Manns, aus der sich ein blutiger Sprühregen ergoss. Tubruk warf sich zwei weiteren entgegen und stieß einen über die Mauerkante, rutschte dabei jedoch auf den klebrigen Steinen aus und fiel auf die Knie. Gaius machte den Nächsten nieder, als er gerade mit seinem Messer ausholte, um es in Tubruks Körper zu jagen. Dann stolperte er mit zitternden Knien einen Schritt zurück, das Gesicht bleich unter dem Blut. Gemeinsam warteten sie auf den Nächsten, der über die Kante kommen würde.

Die Nacht wurde plötzlich heller, weil die Futterscheunen in Brand gesteckt wurden, aber trotzdem kam kein neuer Angreifer, um ihn zu erledigen.

»Noch einen«, fluchte Tubruk durch blutige Lippen. »Noch einen kann ich mitnehmen. Du solltest runtergehen, du bist nicht in der Verfassung um zu kämpfen.«

Gaius hörte nicht auf ihn. Sein Mund war ein zorniger Strich. Sie warteten, doch es kam niemand. Tubruk trat an die Außenseite der Mauer heran und spähte hinunter auf die zerstückelten Gliedmaßen und zerfetzten Leichen, die mit glasigen Augen in klebrigem Blut ausgestreckt unter der Mauerkante lagen. Da draußen wartete niemand mehr mit einem Dolch auf ihn, überhaupt niemand.

Vor dem Licht der brennenden Scheunen zeichneten sich springende Figuren ab, die in der Dunkelheit herumtollten. Tubruk begann vor sich hinzulachen und zuckte zusammen, als seine Lippen erneut aufplatzten.

»Sie haben die Weinvorräte gefunden«, sagte er und konnte trotz der höllischen Schmerzen, die es verursachte, nicht mehr aufhören zu lachen.

»Sie ziehen ab!«, knurrte Marcus verblüfft. Er räusperte sich, spuckte Blut auf den Boden und fragte sich flüchtig, ob es sein eigenes war. Dann drehte er sich um und grinste Renius an, der zusammengesackt und gegen zwei Leichen gelehnt dasaß. Der alte Krieger blickte ihn stumm an, und einen Augenblick lang fiel ihm seine brennende Abneigung wieder ein.

»Ich ...« Er hielt inne und machte zwei schnelle Schritte auf den alten Mann zu. Er lag im Sterben, das war offensichtlich. Marcus presste eine Hand, die schwarz vor Blut und Dreck war, auf Renius Brust und spürte, wie das Herz flatterte und aussetzte. »Cabera! Hierher, schnell!«, schrie er.

Renius schloss die Augen vor dem Lärm und dem Schmerz.

Alexandria keuchte, als läge sie in den Wehen. Sie war erschöpft und mit Blut verschmiert. Nie hätte sie gedacht, dass es so klebrig und widerlich sein könnte. Auch das wurde in den Geschichten niemals erwähnt. Das Zeug war ein paar Augenblicke lang glitschig, dann wurde es auf den Händen zäh, sodass man überall kleben blieb. Sie wartete auf den Nächsten, der in den Hof fiel, und lief wie betrunken umher, das Messer mit steifem Arm an den Körper gepresst.

Sie stolperte über einen Leichnam und sah, dass es Susanna war. Sie würde nie wieder eine Gans ausnehmen oder frische Binsen in der Küche ausstreuen oder beim Einkaufen in Rom streunende Welpen mit Essensresten füttern. Bei dem letzten Gedanken stiegen ihr Tränen in die Augen, rannen durch den Dreck und den Gestank auf ihren Wangen. Alexandria ging weiter lauernd auf und ab, doch es landeten keine neuen Feinde mehr wie Krähen im Hof. Niemand kam, aber sie stolperte trotzdem weiter, weil sie nicht stehen bleiben konnte. Noch zwei Stunden bis Tagesanbruch, und sie hörte immer noch Geschrei auf den Feldern.

»Bleibt auf den Mauern! Niemand verlässt vor Tagesanbruch seinen Posten«, schrie Tubruk über den Hof. »Sie können jederzeit zurückkommen.«