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»Gaius?« Marcus’ Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Komm raus und lass dich massieren. Du denkst schon wieder zu viel nach.«

Gaius grinste seinen Freund an und erhob sich aus dem Wasser. Der Gedanke, sich seiner Nacktheit wegen zu schämen, kam ihm gar nicht erst. Niemand schämte sich deshalb.

»Cabera? Hast du dich schon mal massieren lassen?«, fragte er den alten Mann, dem bereits die Augen zufielen, im Vorbeigehen.

»Nein, aber ich probiere alles aus«, erwiderte Cabera und watete auf die Stufen zu.

»Dann bist du hier in der richtigen Stadt«, lachte Tubruk mit geschlossenen Augen.

Sauber und erfrischt, mit neuen Kleidern und etwas gegen den gröbsten Hunger im Magen, wurden die vier bei Sonnenuntergang zu Marius geführt. Als Sklavin durfte Alexandria sie nicht begleiten, worüber Gaius einen Augenblick lang enttäuscht war. Wenn sie bei ihnen war, wusste er kaum, was er zu ihr sagen sollte, aber wenn sie nicht da war, fielen ihm lauter geistreiche Dinge ein, an die er sich dann später nicht mehr erinnern konnte, wenn er sie aussprechen wollte. Er hatte den Kuss in den Stallungen ihr gegenüber nicht wieder erwähnt und fragte sich, ob sie genau so oft daran dachte wie er. Er verscheuchte die Gedanken an sie aus seinem Kopf, denn er wusste, dass er hellwach und konzentriert sein musste, wenn er einem Konsul von Rom gegenübertrat.

Ein wohlbeleibter Sklave hielt sie vor der Tür zu dem Zimmer auf und nestelte an ihrer Kleidung herum, zog einen geschnitzten Elfenbeinkamm hervor, um Marcus’ Locken zu bändigen und rückte Tubruks Überwurf gerade. Als sich seine fleischigen Finger Cabera näherten, schossen die Hände des alten Mannes vor und schlugen sie zur Seite.

»Nicht anfassen!«, sagte er giftig.

Das Gesicht des Mannes blieb ausdruckslos, und er fuhr fort, die anderen zurechtzumachen. Schließlich war er es zufrieden, auch wenn er sich einen strengen Blick auf Cabera gestattete. »Der Herr und die Herrin sind heute Abend anwesend. Verbeugt euch zuerst vor dem Herrn, während ihr euch vorstellt, und richtet den Blick während der Verbeugung zu Boden. Dann verbeugt euch vor Frau Metella, ein paar Fingerbreit weniger tief. Falls euer barbarischer Sklave es wünscht, kann er auch ein paarmal mit dem Kopf auf den Boden schlagen.«

Cabera öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch der Sklave drehte sich um und stieß die Türen auf.

Gaius trat als Erster ein. Er erblickte einen prächtigen Raum mit einem Garten in der Mitte, der zum Himmel hin offen war. Um das Rechteck des Gartens herum befand sich ein Säulengang, von dem weitere Zimmer abgingen. Weiße Steinsäulen trugen den Überhang des Dachs, und die Wände waren mit Szenen aus der römischen Geschichte bemalt: die Siege Scipios, die Eroberung Griechenlands. Marius und seine Frau Metella hatten sich erhoben, um ihre Gäste zu empfangen, und Gaius, der sich plötzlich sehr jung und verlegen fühlte, zwang sich zu einem Lächeln.

Als er näher trat, sah er, wie ihn der Mann musterte, und fragte sich, zu welchen Schlüssen er wohl gelangen mochte. Marius selbst machte eine eindrucksvolle Figur. Als Legat Hunderter Feldzüge trug er eine lose Toga, die seinen rechten Arm und die Schulter unbedeckt ließ und den Blick auf gewaltige Muskeln und ein schwarzes Geflecht von Haaren auf Brust und Unterarmen freigab. Er trug keinerlei Schmuck oder Ziergegenstände, als wären solche Dinge für einen Mann von seiner Statur nicht vonnöten. Aufrecht stand er da und strahlte Stärke und Willenskraft aus. Sein Gesichtsausdruck wirkte streng; dunkelbraune Augen funkelten unter dichten Brauen hervor. Jeder seiner Gesichtszüge verriet die Stadt seiner Geburt. Er hatte die Hände hinter dem Rücken gefaltet und sagte nichts, als Gaius vor ihn trat und sich verbeugte.

Metella war einmal eine Schönheit gewesen, doch die Zeit und die Sorgen hatten sich in ihr Gesicht eingegraben, die Falten eines namenlosen Kummers hatten sich mit den Krallen einer alten Frau an ihrer Haut zu schaffen gemacht. Sie machte einen angespannten Eindruck; die Sehnen an ihrem Hals standen hervor. Ihre Hände zitterten ein wenig, als sie ihn betrachtete. Sie trug ein einfaches Kleid aus rotem Stoff, dazu Ohrringe und Armbänder aus hellem Gold.

»Der Sohn meiner Schwester ist in meinem Haus stets willkommen«, sagte Marius mit einer Stimme, die den ganzen Raum füllte.

Gaius wäre vor Erleichterung beinahe zusammengesackt, doch er hielt sich gerade.

Marcus trat neben ihn und verbeugte sich geschmeidig. Metellas und sein Blick trafen sich, und das Zittern ihrer Hände wurde stärker. Gaius sah, wie Marius ihr einen besorgten Seitenblick zuwarf, als sie vortrat.

»Was für wunderschöne Knaben«, sagte sie und streckte die Hände aus. Verwirrt ergriff jeder von ihnen eine. »Was ihr während der Aufstände durchgemacht habt! Was ihr gesehen haben müsst!«

Sie hielt eine Hand an Marcus’ Wange. »Hier seid ihr in Sicherheit, versteht ihr? Unser Heim ist euer Heim, solange ihr wollt.«

Marcus hob die Hand, legte sie auf die ihre und flüsterte: »Vielen Dank.« Er schien mit dieser seltsamen Frau besser zurechtzukommen als Gaius. Ihre Intensität erinnerte ihn zu schmerzhaft an seine eigene Mutter.

»Du könntest vielleicht einmal nachsehen, wie weit die Vorbereitungen für das Mahl gediehen sind, meine Liebe, während ich mit den Jungen über geschäftliche Dinge rede«, dröhnte Marius’ Stimme fröhlich hinter ihnen.

Sie nickte und ging hinaus, wobei sie Marcus noch einen Blick über die Schulter zuwarf.

Marius räusperte sich.

»Ich glaube, meine Frau mag euch«, sagte er. »Die Götter haben uns nicht mit eigenen Kindern gesegnet, und ich glaube, ihr werdet ihr Trost spenden.«

Jetzt ließ er den Blick über die anderen wandern.

»Tubruk! Wie ich sehe, bist du immer noch der fürsorgliche Wächter. Ich habe gehört, dass du bei der Verteidigung des Hauses meiner Schwester tapfer gekämpft hast.«

»Ich habe meine Pflicht getan, Herr. Am Ende war es nicht genug.«

»Der Sohn lebt, und die Mutter. Julius würde sagen, das ist genug«, erwiderte Marius. Damit richtete er seinen Blick wieder auf Gaius.

»Ich kann das Gesicht deines Vaters in dem deinen sehen. Es tut mir Leid, dass er uns verlassen hat. Ich kann nicht behaupten, wir wären richtige Freunde gewesen, aber wir hatten Respekt voreinander, und das ist ehrlicher als so manche Freundschaft. Ich konnte nicht zu der Bestattung kommen, doch er war in meinen Gedanken und meinen Gebeten.«

Gaius fing an, diesen Mann zu mögen. Vielleicht ist gerade das sein Talent, warnte ihn eine innere Stimme. Vielleicht ist er deshalb so oft gewählt worden. Er ist ein Mann, dem andere folgen.

»Vielen Dank. Er hat stets gut von dir gesprochen«, sagte er laut.

Marius lachte; ein kurzes Bellen.

»Das bezweifele ich. Wie geht es deiner Mutter? Ist ihr Zustand ... unverändert?«

»Mehr oder weniger, Herr. Die Ärzte verzweifeln.«

Marius nickte, aber sein Gesicht gab nichts preis. »Du musst mich von jetzt an Onkel nennen, glaube ich. Ja. Onkel gefällt mir gut. Und du, wer ist das?« Wieder hatten sich seine Augen und seine Aufmerksamkeit ohne Vorwarnung dem Nächsten zugewandt. Diesmal ruhte sein Blick auf Cabera, der ihn ungerührt erwiderte.

»Er ist ein Priester und Heiler und mein Berater. Sein Name ist Cabera«, erwiderte Gaius.

»Woher kommst du, Cabera? Du hast keine römischen Gesichtszüge.«

»Aus dem fernen Osten, Herr. Meine Heimat ist in Rom unbekannt.«

»Lass hören. Ich bin in meinem Leben mit meiner Legion weit herumgekommen.« Marius musterte ihn unbarmherzig und ohne zu blinzeln.